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meister Eichel tat dies vom Rathausbalkon herab, und seine Worte fanden freudigen Anklang, dem Kantor Klose aus Löbau dankbaren Ausdruck gab. Das erste gemeinsame Hervortreten der Sänger war das Kirchenkonzert nachmittags 3 Uhr, dessen Gesamtein druck wir hier nur in kurzen Worten zusammenfassen kön nen: Ein Konzert in einer Kirche hat schon an und für sich etwas besonders Feierliches; der Kamenzer Kirche ehr würdiges Kunstbauwerk aber ist vorzüglich geeignet, ge hobene Stimmung zu erzeugen. Den vollen Ernst der Be trachtung einnehmend, gelangen diese Eindrücke aber dann erst zu ihrem Vollgelingen, wenn das, was Dichtung, was Gesang, was Musik erzeugt, wiederklingt im verfassenden und im fühlenden Gemüt. Und das war es, was das Kon zert bewirkte: der geistige Genuß war erreicht. Erbaut von Wort und Melodie konnte das zahlreiche Auditorium mit der so geschaffenen Stimmung den Aufführungen aufmerk sam und erhoben folgen. Der weitere Tag und der Abend verging unter gemüt lichem Beisammensein teils auf dem Festplatz, teils bei den verschiedenen Veranstaltungen, Konzerten usw. und unter Vorbereitungen für den nächsten Tag, der der bedeutungs reichste des Festes werden sollte. Als Vorfeier des L e s s i n g f e st e s war eine Auffüh rung von „Emilia Galotti" im Stadttheater veranstaltet, der die Ehrengäste und ein Teil der Sänger beiwohnten. * Am Montag früh 6 Uhr ertönte durch die Stadt die Reveille zweier Musikkapellen, den Lessingtag ein leitend. Die Sänger hatten sich bis 9 Uhr mit Proben be schäftigt und traten nun mit ihren Fahnen auf dem Markt zusammen, woselbst ihre Begrüßung im Namen des hie sigen festgebenden Vereins durch Kantor Stephan erfolgte. Diese wurde durch Herrn Nenner aus Leipzig erwidert. Nach diesem Akt begannen die Einleitungen zum Les singfestzug. Unter Glockengeläut setzte sich der impo sante Festzug in Bewegung. Lieblich ausgestattet durch in weißer, grün geschmückter Kleidung einherschreitende Ehrenjungfrauen, weit wehende Fahnen, machte der Zug an Lessings Geburtshaus einige Minuten Halt, um dieser denkwürdigen Stelle zu huldigen. Dieses nun würdig aus gestattete Haus hat eine gußeiserne Gedenktafel erhalten, welche die Bedeutung des Ortes kennzeichnet, und ein Bild des Lessinghauses in seiner früheren Gestalt enthält. Ehren jungfrauen bekränzten sie, und ein Quartettgesang gab ihr die Sangesweihe. Der nun weiter über den Damm, am Lessingstift vorüber, durch den Zwinger und Schulgasse auf den Schulplatz gelandete Zug entrollte sich dort und um gab das verhüllte Denkmal, während die Ehrengäste die Festtribüne einnahmen. Die Enthüllungsfeier begann mit einem von der Dresdner Liedertafel gesungenen und eigens zu diesem Anlaß geschaffenen Festliede. Das Wort ergriff dann Herr Bürgermeister Eichel, die historische Bedeutung der Feier charakterisierend, und übernahm im Namen der Stadt das vollendete Denkmal. Die Hülle fiel und Lessings edles Denkerantlitz stand frei, sich in den Herzen seiner Verehrer wiederspiegelnd. Die Ehrenjungfrauen bekränzten sodann das Bild mit grünem Laubschmuck. Fräulein Sophie Eichel, eine liebliche Erschei nung, sprach ein Huldigungsgedicht,- am Schlüsse spendete sie dem deutschen Mann und Dichter den deutschen Eichen kranz. Herr Professor Dr. Wuttge aus Leipzig betrat so dann die Rednerbühne, und seine geistvolle Rede war der Verherrlichung Lessings, seinem Dichtergeniüs und seiner Bedeutung für die Welt, für alle Zukunft gewidmet. Ihm folgte Herr Bürgermeister Ritter pp. Haberkorn aus Zit tau. Die dritte Festrede des Herrn Rabbiner Dr. Gold schmidt aus Leipzig, „als Vertreter des Judentums und als Jude" schilderte mit begeisterter Rede die Verehrung, die Lessing als Wohltäter des Judentums, als der Man« verdiene, der die religiöse Toleranz erweckt, für sie ge kämpft habe, der mutig gewirkt für Wahrheit und Recht. Der als Lustspieler rühmlichst bekannte Schriftsteller Herr Roderich Benedix gedachte ebenfalls Lessings Beziehungen zum deutschen Volk, seiner geistigen Saat und der noch zu hoffenden Ernte: Der Einheit und Freiheit Deutschlands. Überhaupt wehte durch sämtliche Reden echter, deutscher Sinn und der Drang nach Deutschlands endlicher Einigung, wofür ja Lessing soviel getan, der deut sches Nationalgefühl erweckt hat. Die von Herrn Direktor Müller gedichtete und von Herrn Organist Hering in Bautzen komponierte Festkantate war in einzelnen Teilen, unter Leitung des Komponisten, zwischen den Reden auf geführt worden. Ein lieblicher Anblick war es, als zum Ende der Feierlichkeit die Jungfrauen ihren Blumenschmuck am Denkmal niederlegten und so einen würdigen Schluß der Enthüllungsfeier bildeten. Der Festzug hatte etwa 1200 Teilnehmer. Nachmittags 2 Uhr begann das Festmahl im Saale des Schießhauses. Nach mancherlei gemütvollen und launigen Trinksprüchen verließen in gehobener heiterer Stimmung die Teilnehmer gegen Abend die Tafel, um sich am Weiter gange des Gesamtfestes zu beteiligen. Dasselbe fand auf dem Scholzhofeplatze statt, der entsprechend für die Sänger und Zuhörer ausgestattet war. Es wurden zahlreiche Ge sangstücke und Lieder von den einzelnen Vereinen ge sungen, die bei den Zuhörern großen Beifall fanden. — Am späten Nbend schloß das überaus gelungene Fest, das allen Teilnehmern unvergeßlich bleiben wird. Der Ieschken, Deutschböhmens Glanzpunkt Der Ieschken ist der unbestrittene Herr des Jsergebir- ges. Niemand kann ihm seine Würde streitig machen. In stiller Verehrung huldigen alle Gipfel weit und breit sei ner Majestät. Stolz trägt er seine Größe zur Schau und nimmt selbstbewußt die Huldigung der Kleineren ent gegen. Echt Majestät. Von allen Gipfeln der Lausitzer Berge ist der Ieschken zu sehe«. Er liegt im gesegneten Deutschböhmerlande, aber sein Wesen, sein geologischer Aufbau lassen ihn wie einen der ihren erscheinen. Lange Jahre war der Besuch des Jeschkens vielen Wanderlustigen unmöglich. Selbst die nächsten Nachbarn hatten es schwer. Nun aber die Grenzschwiertgkeiten etwas gemildert sind, da setzt auch wieder der altgewohnte Frem- denstrvm ein. Berlin und Hamburg, ja sogar Moskau zeichnen sich ins Fremdenbuch ein. Viele Wege führen bekanntlich nach Rom, aber auch zum Ieschken so viele, daß die Wahl schwer wird. Leute, die gern den Berg besteigen, aber nicht viel laufen wollen, fah ren meist mit der Bahn bis Reichenberg und benutzen die Straßenbahn bis Oberhanichen. Von dort aus geht man etwa eine knappe Stunde in gemütlichem Wanderschritt. Be schwerlicher ist der Aufstieg von Neuland aus, angenehmer der von Krtesdorf her. Von Wartenberg her über Oschitz sind ebenfalls große Steigungen zu überwinden. Ich ver binde den Besuch des Jeschkens gern mit der Wanderung von der Lausche her, entlang des Lausitzer Landweges über den Hochwald, Deutsch-Gabel, Kellerberg, Schönbach, die Scheuflerkuppe und Moiselkuppe. Die Moiselkuppe liegt etwa Stunden von Kries dorf entfernt. Ein gutes Berggasthaus nimmt dort den Müden auf. Nun verläuft der Weg immer den Kamm ent lang. Dem Auge schmerzen die abgeholzten Waldstrecken, einzig belebt von dem leuchtenden Rot des Bergweiden röschens. Du herrlicher deutscher Wald, den die Nonne zerfraß, dieses listige, häßliche Tier! Schlimmes Jahr 1923! Auch dieserhalb unvergessen!