Volltext Seite (XML)
kam er auch in die Gegend an den Quellen der Elster. Da, wo jetzt Rosenthal liegt, schlug er ein großes Lager auf und verweilte allda etliche Monde. Die Mauern, mit denen er dasselbe befestigte, sind noch heutigentags zu sehen, (?) Er hatte aber sein Heer unter den besonderen Schutz der heiligen Jungfrau Maria gestellt und diese war allezeit Lei dem Heere und umwandelte täglich das Lager, angetan mit einem langen, weißen Gewände. Und wenn die Krieger sie erblickten, warfen sie sich zur Erde und beteten sie an. Sie hatten aber auch ein heiliges Bild der Mutter Gottes bei sich, und als sie fortzogen aus dieser Gegend, da ließen sie das Bild daselbst und verbargen es in dem Walde, den die heilige Jungfrau durch ihre Gegenwart geheiligt hatte. Aber seitdem sah man oft eine weiße Jungfrau den alten Lagerplatz umwandeln. Viele Jahre vergingen, da kam ein frommer Ritter Namens Lucianus von Sernau (Lucien von Zernaj in diese Gegend, der sah einst auf der Jagd die weihe Frau von fern und ihre Schönheit bezauberte sein Herz. sZerna ist ein Nachbarort von Rosenthal.) Er spornte sein Roß, um sie zu erreichen; aber sobald er dies ver meinte, so war die Erscheinung wieder in die weite Ferne gerückt, bis sie endlich an einer Linde urplötzlich verschwand. Aber aus einer Höhlung des Baumes, umrahmt von grü nen Blättern und duftenden Blüten, leuchtete dem Ritter das Bild der Gottesmutter entgegen. Als dieses Wunder bekannt wurde, wallfahrteten die Leute in großer Menge zu dem Bilde und dasselbe tat unzählige Wunder und ihm zu Ehren ward dicht neben der heiligen Linde die Kirche zu Rosenthal erbaut. Das Bild selbst aber hat eine dunkel braune Gesichtsfarbe und ein Gewand mit eingewebten Lilien." Wenn wir nun annehmen, daß der Verfasser des er wähnten Buches im vorstehenden eine zu seiner Zeit (1692) im Volke lebende alte Überlieferung ausgezeichnet hat, so kommt für uns in erster Linie außer dem Ort der Hand lung die Zeitstellung derselben in Betracht. Die Kriegs züge Karls des Großen liegen aber schon über 1100 Jahre zurück, so daß füglich nicht von einem gegenwärtig 1000- jährigen Bestehen Ser Stätte die Rede sein kann. In Hin sicht darauf, daß weder Karl der Große noch einer seiner Feldherrn in unsere Gegend gekommen sind, fehlt der Legende auch der kleinste geschichtliche Anhaltspunkt. Anders sieht schon die Sache aus, wenn wir dafür die annähernd 1000 Jahre zurück weisende Zeit des deutschen Königs ! Heinrich des Ersten einsetzen. Wenn die neuere geschicht liche Heimatforschung (Dr. R. Nedon i. d. „Bautz. Ge- schichtsh. 1, 4, 1921) annimmt, daß Heinrich der Erste 1029 nach Ser Gründung Meißens die Hauptfeste der Milzener- wenden, „Budissin", eingenommen und daselbst einen deut schen Grafen eingesetzt hat, so gehört ein vorübergehendes deutsches Heerlager in der nördlichen Oberlausitz schon mehr in das Bereich der Möglichkeit. Freilich käme dann das Jahr 1929 mehr in Frage als 28. Immerhin würde so bei einer solchen Deutung der Legende der geschichtliche Hinter grund nicht aller Wahrscheinlichkeit entbehren und der 1000-Jahrfeier auch nach dieser Richtung hin eine gewisse Berechtigung verleihen. Auf dem Hochaltäre der Gnaöenkirche befindet sich heute noch das wundertätige Marienbild, es heißt allgemein „Unsre liebe Frau von der Linde". Es ist eine kaum 30 Zentimeter hohe Figur aus Holz, die Mutter mit dem Jesusknaben darstellend. Das Kindlein, das sie auf dem linken Arm trägt, hält in beiden Händen einen Apfel, Maria in der rechten Hand eine Birne. Den Leib der Mut ter umhüllt ein gelbliches, mit Blumen durchwirktes Kleid und ein mit Lilien durchwebter Purpurmautel. Die Sta tue ruht auf einem marmorartig gemalten Holzpostamente (nach Dr. Pilk). Da diese Figur wohl bisher noch keine einwandfreie kunstgeschichtliche Würdigung und Alters bestimmungerfahren hat, läßt sie natürlich auch keinen Rück schluß auf die Entstehung der Gnadenstätte zu. Wir möchten allerdings bezweifeln, daß die kleine Statue bis ins frühe Mittelalter zurückreicht. Hinter dem Hochaltar der Wall fahrtskirche zeigt übrigens gegenwärtig ein buntes Glas fenster in künstlerischer Ausführung die Gottesmutter auf der Linde und vor ihr kniend den Ritter Lucian mit seinem Roß. - Ein reicher Legendenkranz umrankt den viel besuchten Ort. Sie berichten uns von der Wunderkraft des Bildes, das Blinden das Augenlicht wieder gegeben und von andern Gebrechen befreit hat. Weiteren Überlieferun gen zufolge.haben die Schweden im Dreißigjährigen Kriege neben anderem Raub auch das Marienbild mit weg geschleppt, sie kamen aber nicht weit, denn die Pferde ihres Wagens konnten plötzlich nicht mehr von der Stelle, da mußten sie es wieder zurückschaffen. Auch die Begegnung der Maria mit der Elisabeth, der Mutter des Johannes, versetzt eine wendische Legende in die Gegend von Rosen thal. Einer anderen Erzählung nach sei das Gnadenbild zuerst in der ehemaligen Wallfahrtskapelle im Taucher walde verehrt worden, nach deren Einnahme es dann über Göda und Crostwitz nach Rosenthal gekommen sei. Der nahe der Kirche befindliche „Marienbrunnen", dessen achteckiger Überbau aus dem Jahre 1766 stammt, gilt als „Heilquelle", sie soll Gesundung von schweren körperlichen Leiden ge währen. Das „über votorum et gratiarum actionum" soll (nach Krahl, Die katholischen Kirchen usw. 1876) bereits viele tausend Beispiele menschlichen Elends und wunderbarer Befreiung von demselben anführen, wobei ausdrücklich hervorgehoben wird, daß ein erheblicher Teil der Geheilten dem lutherischen Glauben angehörte. —e. Das Sänger- und Lessingfest in Kamenz vor 65 Jahren (am 31. Mai und 1. Juni 1863) Eine zeitgemäße Erinnerung Zur jetzigen Zeit der zahlreichen Sänger- und Hei matfeste wird der aus alten Aufzeichnungen stammende Bericht gewiß allgemein interessieren: Ein geschäftiges Regen und Treiben erfüllte am Sonn abend Nachmittag (30. Mai) bis in die späte Nacht unsre Stadt; galt es doch, ihr das schönste Wand anzulegen, dessen man mächtig ist, wenn des Lebens bedeutungsreichste Tage erscheinen. Sinnig und geschmackvoll war es geschehen, und lieblich blickten die allseitig geschmückten Häuser den Gästen entgegen. Bereits am Vorabend gegen 10 Uhr trafen die ersten Sängergäste aus Spremberg (Abgesandte des Männergesangvereins 1835) unter heiterem Gesänge ein und wurden jubelnd auf dem Schießhause begrüßt. Ihr Kommen eröffnete gewissermaßen das Fest. Als der Sonn tag so sehnlich sonnig gewünscht, anbrach, hatte leider der Horizont sich umhüllt, und die Wolken spendeten ihr sonst so segensreiches Naß, höchst ersehnt für die seit lange dür stenden Fluren, allein heut für unsre liebe Stadt eine höchst unwillkommene Gabe. Im Laufe des Vormittags, unter oft strömendem Regen, trafen die geladenen Vereine fol gender Städte und Namen ein: von Bautzen der Män nergesangverein und der Sängerbund, von Bischofs werda der Sängerclub, von Dresden die Männer gesangvereine Liedertafel und der Orpheus, von Elstra der Männergesangverein, von Hoyerswerda der Männergesangverein, ferner die Männergesangvereine von Königsbrück, Löbau, Pulsnitz, Senften berg, Zittau und Radeberg. Inzwischen hatte sich der Himmel aufgehellt, und freudig lachte die Maiensonne auf die herrlich in Guirlanden- und Fahnenschmuck pran gende Stadt. Da füllten sich denn die Straßen. Von weit und breit waren Gäste herbeigeströmt. Um 11 Uhr wurden die Sänger im Namen der Stadt begrüßt. Der Bürger-