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wenig Begängnis verrät, führt uns zunächst abwärts wie der dem Fluß entgegen. Wo sich der Weg teilt, gehen wir durch Linden- und Haselbuschwerk, auf dessen Boden im Frühjahre die weißen Sterne der Anemonen im Winde schaukeln, links weiter näher an den Fluß heran. Vom gegenüberliegenden fast senkrecht aufsteigcnden Prall- nfer grüßt aus mächtigen alten Eichen das Herrenhaus von Gröditz. Wir aber befinden uns auf dem Gleitufer der ersten Flußschleife, auf einer grünen Talaue. Auf unfern alten Weg zurttckgekehrt, gehen wir zu nächst aufwärts bis zu einer kleinen verfallenen Stein rotunde, in der vielleicht einmal eine Bank gestanden hat. überhaupt verraten von jetzt ab alle Wege, daß sie einst sorgfältig angelegt, ihre Ränder mit Steinsetzungen gefestigt und Stufen gebaut wurden. Die alternde Patina der grünen Moospolster, die die Wege aber jetzt allent halben überzieht, deutet auf die Einsamkeit hin, in der sie seitdem stillvertränmt daliegen. Unser Weiterweg teilt sich nun mehrfach. Wir halten uns aber immer im Tale, das sich bald wieder weitet. Von rechts, von Weicha, gluckert jetzt in einem kleinen Seitental ein Wässerchen herab nach dem Löbauer Wasser. Das gegenüberliegende Steilufer ge währt mit seinem dunklen Kiefernwald, in den hier und da, namentlich am Flußufer, Helle Laubbäume eingestreut sind, einen lieblichen Anblick, dem man sich auf einer der zahlreich aufgestellten Bänke zu längerem Genüsse hin geben muß. Bald aber verengt sich wieder das Tal. Näher und schroffer treten die Grauwackefelsen, deren steil aufgerich tete Schichtenstellung wir hier deutlich beobachten können, an den Fluß heran, der hastig in seinem Bett dahineilt. Wir befinden uns jetzt auf dem Prallufer, auf das der Fluß, von Norden kommend, ungestüm auftrtfft. Dicht über dem Wasser führt nun der anscheinend künstlich an den Felsen angelegte Weg, durch Geländer geschützt, dahin nach einer verfallenden Steinrotunde aus der „empfind samen Zeit". Zahlreiche in die Felsen eingehauene Namens zeichen v. H. und Jahreszahlen wie 1754, 1763, 1774 nsw. i deuten auf einstmalige rege Benutzung der Anlagen, über- l Haupt des Tales durch die Besitzer des Rittergutes Weicha, denen ja heute noch die Skala gehört, hin. Ihre Zeit hat es jedenfalls besser verstanden mit und in der Natur zu leben, als die heutige Zeit des überhasteten Materialismus. Man möchte die Menschen beneiden, die hier in dem lieblichen Tale all diese einfachen Anlagen schufen, an solchen „Idyllen" reine edle Freude hatten und darin auch sicher volle Befriedigung von Geist und Gemüt sanden! — Auf dem uns gegenüberliegenden Steilhange streben mächtige prachtvoll gewachsene Fichten empor, deren Dunkel zu dem Hellen Grün des blumenreichen Wiesenstreifens farbenfrohe Gegensätze bildet. Wenn wir vom Glück be günstigt sind, schauen wir gar den „fliegenden Edelstein" unserer Gewässer, den scheuen „Eisvogel", der hier in der Skala noch ein ungestörtes Dasein führt. Abermals weitet sich das Tal, und wir folgen dem Wege, der in gut erhaltenen Stufen rechts aufwärts führt zur „Bastei", einem mit Geländer versehenen bank geschmückten Felsvorsprung, ähnlich dem „Abgott" bei Oehna im Spree-Engtal nördlich Bautzen. Tief unter uns plätschert jetzt der Fluß, dessen Wasser hin und wieder durch die Baumkronen glitzern. Ein herrlicher Blick in die am weitesten nach Norden ausholende Flußschleife belohnt dann die kleine Mühe des Ansteigens reichlich. Leider sind aber die herrlichen alten Fichtenbestände, die hier unten auf dem linken Flußufer standen, vor einiger Zeit abge holzt worden. Der unterhalb der „Bastei" liegende „Teu felskeller" soll der Sage nach durch einen unterirdischen Gang mit der Kirche von Gröditz verbunden sein und unter dem dortigen Altar ausmünden. Durch ihn sei der Teufel entkommen, den der Gröditzer Pfarrer einmal unter den Altar gebannt hatte. (Haupt, Sagenbuch der Lausitz. 1862. S. 102.) Wenn wir jetzt den Höhenweg weiter verfolgen, kom men wir an der n e u n st ä m m i g e n Linde vorbei, einem Naturdenkmal der Ba Umwelt, wie es in der Oberlausitz einzig dastehen dürfte. Der Weg hier oben bietet aber, namentlich im Juni,"noch einen anderen Reiz. Die Luft ist dann erfüllt von einem schier betäubenden Duft von Millionen Akazienblüten. Fast undurchdring liches Gestrüpp dieser früher hier angepflanzten Baumart mit den zierlichen weißen Blütentrauben säumt den Weg, ein in solcher Fülle seltenes Bild. Steinerne Bänke und Tische laden hin und wieder zur Rast und längerem Ver weilen ein. Bald haben wir dann, etwas abwärts steigend, den Mosesf elfen erreicht, an dessen dem Tale abgekehrter Seite einer Bank gegenüber eine Inschrift, wieder ganz dem Geiste jener „empfindsamen Zeit" entsprechend, ein gemeißelt ist, die achte Strophe eines Gedichtes des Horaz an Maecenas (XXX. 3. Buch Carmina): „?rucken8 kuiuri tompori8 « xitum oaI>Ainc»8a nocio premit cksu8, Uicietqus 8i mortsiw ultra ka8 trepickat. (Zuock acke8t, memsnto, v componsro sequiw: etc. olc Uor: III, XXIX in deutscher Übersetzung: „Wohlweislich hüllt uns kommender Zeiten Los In dunkle Nacht ein Gott, und des Sterblichen, Der mehr als recht ist, zaget, lacht er. Lerne die Gegenwart stets mit Gleichmut Ertragen —" Über den Wipfeln aber erscheinen jetzt im Osten die Türme von Weißenberg und leiten unsere Gedanken wie der in die Gegenwart zurück. Noch einmal taucht der Weg in den Skalawald und führt auf Stufen zu einer geländer geschützten steil abfallenden Felsnase, die einen prachtvollen Blick in die von der Weißenberg—Bautzener Bahn in einer zierlichen vielbogigen Brücke (.Kurvenanlage!) über schrittenen Talaue bietet. Links von der Wuischker Mühle zieht sich dab bewaldete Prallufer des Flusses, der dann wieder scharf nach Süden umbiegt, um hier unter halb unseres Standpunktes erst in die eigentliche Skala einzutreten, die wir soeben durchwandert haben. Wo dann der Wald endet, hören auch die angelegten Wege auf, und so gehen wir zurück und gelangen auf die Straße Weicha—Wuischke. Wo diese dicht oberhalb des Flusses ein Knie macht, führt ein Buschweg wieder ins Tal hinab. Haben wir noch Zeit, folgen wir ihm und ge langen an den stattlichen A p o st e l f i ch t e n vorüber wie der an den Fluß und in die Skala, die gerade hier infolge der beiderseitig scharf an den Fluß tretenden Felswände be sonders schön ist. Hier halten wir noch ein Naststnndchen und lauschen dem Gesang der Vögel und dem Rauschen des Flusses in seinem von Farnkraut und anderen schattenlie benden Pflanzen umsäumten steinigen Bett, indes die Abendsonne die Wipfel der Bäume vergoldet. Die letzten Libellen schwirren knisternden Fluges über das Wasser, Bachstelzen wippen zierlich auf wasserumspülten Steinen, und von fern ruft unermüdlich ein Kuckuck. — Sv hat unsere Skalawanderung, reich an Eindrücken von noch fast unberührten Naturschönheiten und zauber voller Skalaromantik ihr Ende erreicht. Wenn auch die liebenswürdigen Anlagen der Herren v. Heynitz, die wir hier fanden, in ihrer Ausführung nicht an die des Seifersdorfer Tales, besonders an die Mannig faltigkeit dort, heranreichen, so trifft doch auch für sie voll ständig zu, was Hasse 1804 (Dresden und die umliegende Gegend) von jenem Tale sagt: „Du siehst überall den Charakter des Naiven und Unschuldigen,' du Hörst den lieb lichen Jdyllenton,' du wandelst unsichtbar von guten Men schen umgeben." — Daß wir heute in der Oberlausitz in der