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der Stadt Zittau über. Ein durch Blitz verursachter Brand vernichtete die ganze Pracht, das war anno 1577. Seit die sen Tagen stehen nur noch die Trümmer mittelalterlichen Glanzes dort oben auf dem Oybin, vielleicht aber reden die kahlen Wände eindringlicher als eine Rekonstruktion. Die Phantasie hat Spielraum genug, sich alles prächtig auszu malen! Wir sehen, wie ein Stein sich ans den anderen setzt, wie sich die Wände schließen, wie sich ein mächtiges Dach über die gewaltigen Räume breitet. Einen schmalen abge schlossenen Gang sehen wir vor unseren Augen erstehen. Darin wandeln fromme Mönche vom Wohnraum zur Ka pelle. Deutlich hören wir eine feine Glocke im Turme schal len. Wenn es dunkelt, huschen die gelehrten Herren ge- spenstertsch mit ihren weiten Kutten und mit Kerzen in den Händen über den Klosterhof. Zu jeder Messe sehen wir sie schreiten. In einer Nische dort sitzt der Abt, die fromme Brüderschar ist von den Weltlichen durch den Lettner ge trennt. Fromme Gesänge steigen in die Nacht, bis alles in tiefer nächtlicher Ruhe und im stillen Frieden ruht.... Manch einer ruht dort oben den ewigen Schlaf. Denn ein schmaler Streifen Landes dient von altersher als Fried hof. Auch heute noch werden die Einwohner Oybins hier herauf getragen, um auch im Tode mit ihren Vätern ver eint zu sein. — Ein schmaler Steig ist hergerichtet worden, der einen Rundgang um den ganzen Felsblock gestattet. Da können wir bewundern, wie die alten Baumeister jahre lang daran gearbeitet Haben, die Felsen zu behauen, um sie ihrem Willen gefügig zu machen. Die schwerste Arbeit mag es gekostet haben, die eine Wand der Klosterkirche auszu hauen, denn sie wird sich schwerlich von den künstlichen Wänden unterschieden haben. Dieser Umstand war der An laß zu der dem arglosen Beschauer etwas sonderbar an mutenden Anordnung der Spitzbogenfenster der Burg kapelle. So wett es sich um künstliches Mauerwerk handelt, gehen die Fenster bis tief herunter, auf der anderen Seite dagegen wird ihnen durch den natürlichen Felsen Halt ge boten. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick in das tiefe Tal und man schaudert bei dem Gedanken, wenn man abglitte und in den Abgrund stürzen sollte. Und doch ist es einmal vorgekommen, daß dem Menschenkind nichts geschah. Das hat sich also zugetragen: Zu der Zeit, als das Kloster noch gottesfürchtige Mönche beherbergte, befand sich auch einer unter ihnen, der den irdischen Dingen noch nicht ganz abgesagt hatte. Als nun-eines Tages ein holdes Mäd chen er sah, vergaß er Kutte und Gelübde und mußte wohl das hilflose Kind recht eindringlich um seine Gunst ange gangen haben. Das Mädchen wußte sich jedenfalls seinen Worten nicht anders zu erwehren und sprang in seiner Seelenangst vom hohen Felsen in die Tiefe. Da soll sich der Wind in seinem Reifrock gefangen haben und es soll sicher unten gelandet sein, so berichtet die schöne Sage. — Da der Reifrock in unseren Tagen aber nicht mehr Mode ist, ahmten wir den kühnen Sprung nicht nach, sondern gingen den üblichen Weg in den Grund. Ganz verborgen unter hohen Fichten liegt das Waldtheater. Zittauer Schau spieler spielten dort mit wahrer Lust „Viel Lärm um nichts" vom ewigjungen Shakespeare. Um ihren Gästen aber auch garnichts vorzuenthalten, hatten die Oybiner abends noch einmal auf die Burg geladen. Im magischen Schein von bunten Fackeln wandelten die Mönche mit ihren lan gen Röcken im Zuge entlang und sangen zum Abschied ein paar Abendlieder. Als die Klänge verrauscht und verklun gen waren, merkte man, daß man den Oybin jetzt ganz kennen gelernt hatte, und daß man den Abschied so schwer wie möglich uns gemacht hatte. W—l. Das Dezugsgeld für die „Hsimatzeitung" ist stets im Voraus oder zu Beginn eines jeden Vierteljahres zu entrichten. Die Einzahlungen können an die Geschäftsstelle oderau Postscheckkonto Amt Leipzig Nr. 275.34 erfolgen, Deutsche Landschaftsmaler des 19. Jahr hunderts im Bautzener Provinzialmuseum (Nach einer kunstgeschichtlichen Führung von Museumsdirektor Dr. Biehl-Bautzen) Die deutsche Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts knüpft an die Formulierungen der Barockmalerei an, die in der Bautzener Gemäldegalerie durch einen Prospekt der Stadt Bautzen von Johann Alexander Thiele (1685 bis 1752) wirkungsvoll vertreten wird. Thiele war Hofmaler Kurfürst Friedrich Augusts des Zweiten von Sachsen, der von ihm alle größeren Städte des Landes aus nehmen ließ. Die Bilder fanden Aufnahme in der Dresd ner Gemäldegalerie und den kurfürstlichen Schlössern. Das im Bautzener Museum befindliche Bild war ursprünglich im Leipziger Schloß, kam dann in den Besitz der sächsischen Secundogenitur, von der es die Mnseumsleitung erwerben konnte. Das wertvolle Werk verrät den Einfluß der gro ßen holländischen und italienischen Landschaftler des 17. Jahrhunderts und stellt in seinem kompositionellen Aufbau die Wesensmerkmale des Barock: Massigkeit und Be wegung, auf das deutlichste heraus. Massig steigt der Fels kegel empor, auf dem die Stadt thront. Durch künstliches Übersteigern der Höhenunterschiede weicht das Bild weit ab von der Wirklichkeit. Der Maler ist zwar in Bautzen gewesen und hat an Ort und Stelle Studien gemacht, die sich in den Blättersammlungen der Dresdner Secundogeni tur und des Bautzener Museums erhielten, aber der Zeit stil hieß ihn im ausgeführten Bilde die Natur zu über trumpfen. Der Vordergrund ist völlig willkürlich behandelt, er entspricht ganz und gar nicht dem Eindruck, den wir an Ort und Stelle gewinnen. Mächtige Baumgruppen in schwe rer dunkelbrauner Tönung dienen kulissenartig dazu, die Wirkung des grünlich gehaltenen Mittelpunktes mit der eigentlichen Stadtansicht herauszuheben. Gralsburgartig übersteigert ragt die zentral gestellte Ortenburg empor und läßt unter Betonung des verblauenden Hintergrundes das Ganze weiträumiger erscheinen. Das koloristische Element tritt dem großen kompositionellen Wurf gegenüber ganz zurück. Auf diese Weise ist eine phantastische, aber ungeheuer eindrucksvolle und wuchtige Paraphrase über das Thema „Bautzen" entstanden. Auch in dem Bilde „S üölanbscha f't mit Hirten- szene" von Johann Christian Klengel (1751 bis 1821) tritt die Dreigliederung der Gründe noch deutlich in Er scheinung. Jedoch macht sich im Koloristischen schon das Be streben geltend, an die tatsächliche Erscheinung des wirk lichen Gegenstandes heranzukommen. Klengel ist somit ein typischer Meister des Überganges vom 18. zum 19. Jahr hundert. Die eigentliche Malerei des 19. Jahrhunderts arbeitet bewußt das realistische Moment heraus. Deutlich ist der Wunsch erkennbar, sich bis in die kleinsten koloristischen Feinheiten, bis in feinste zeichnerische Struktur mit dem Objekt hinein erschöpfend auseinanderzusetzen. Hier han delt es sich um eine ganz andere Einstellung als bei der Barockmaleret. Aber der Realismus ist nicht allein aus schlaggebend, es treten noch andere Komponenten hinzu, nämlich zunächst die Tendenz des sogenannten Klassizismus, der um die Wiedereroberung der Antike ringt. Bezeich nend hierfür ist Karl Rvttmann (1798 bis 1850) mit seinem Gemälde „Empfang König Ludwigs des Ersten von Bayern in Mytilene". Sodann der Einfluß nazarenischer Richtung, der von einer Anzahl reli giös begeisterter Kunstjünger ausging, die aus innerem Drange heraus nach Italien, dem Lande ihrer Sehnsucht, waren zurückgezogen, wo sie, abgeschlossen von der Welt, ihren puritanisch künstlerischen Idealen nachgingen, aber sich dort, angeekelt durch das kleinliche Treiben der moder nen Italiener, in ein einsames Kloster zurückzogen. Ver-