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fällt uns der alte Park und Gutshof auf. Ersterer mit seinem großen Teich und den alten Eichen, letzterer mit den langen, alten, strohgedeckten Scheunen, auch ein halb verfallenes Tor im Gutshof erregt unsere Aufmerksamkeit. Wetter wandernd haben wir nach X Stunden Pommritz erreicht. Von dort fahren ivtr heim. — Nun ist noch zu sagen, daß der Frühling überall auf unfern Wegen seine Wunder ausgebreitet hatte. Wiesen voll goldener Maien blumen, Wiesen, weiß überblüht, von Wiesenschaumkraut, Gärten und Alleen mit blühenden Birn- und Apfelbäumen. Ja, die lieben Wirte „Wundermild" prangten im Blüten schmuck! — Alte, ehrwürdige Eichen mit jungem Laub, frischgrüne Lärchen in dunklen Waldbeständen. Was für eine Palette wäre nötig, um die Farben wieder zu geben, die der Maler „Frühling" verpinselt hatte! — Das jubelnde Lied der Lerchen, manch Helle Sangesstrophe der lieben, gefiederten Sängerschar gab unserm Wandertag die klingende Melodie. — Hier grüßten die Türme von Bautzen, dort die Hochkircher Kirche. Da drehte eine stei nerne Windmühle die Flügel und manche Wassermühle lag im kühlen Grunde. — Die Königshainer Berge, der Czorneboh, der Strohmberg, alle ließen sich's gut sein in Maiensonne und Frühlingsglück. Warum sollten wir es uns da nicht auch gut sein lassen, zumal unsere Herzen ja nicht von Granit sind, und das Wandern nicht bloß des Müllers Lust, sondern auch anderer Leute Vergnügen ist! Marg. Reichel-Karsten. ..Der magische Tierkreis" Brunhilde Kaiser, eine junge Warnsdorferin, hat 1927 im Verlag Artur Hockaus, Großschönau, einen Ge dichtband unter dem Titel „Der magische Tierkreis" erscheinen lassen. Er eröffnet als erster Band eine Reihe „Junge Dichter". (Preis pro Band 1,59 Mk. Als zweite Veröffentlichung ist angekündigt: Stephan Keith, Lebens lauf einer Textilarbeiterin.) Das Geleitwort für den „Ma gischen Tierkreis" schrieb ein seit Jahrzehnten anerkannter und in jeder größeren Literaturgeschichte in Gemeinschaft mit Arno Holz genannter Dichter: Johannes Schlaf. Die ser Name kann uns in gewisser Beziehung schon richtung gebend für die Eingliederung und Beurteilung des vor liegenden Merkchens sein — ebenso wie folgende Ankündi gung des Verlages auf der letzten Seite des Buches: „Weltenwanderer. Eine Zeitschrift der Suchenden nach den Weltgesetzen. Gottesweisheit — Weltweisheit — Menschen weisheit. Ein kleiner Kreis kosmischer Denker und Dichter spricht ans räumlicher und zeitlicher Gemeinschaft zu den Freunden eines ethischen Fatalismus." Scheinen etwa „Friedlands Sterne" in jenem Winkel auch noch im 29. Jahrhundert? Die Sterne sind gewiß die alten geblieben, aber die Schicksalsdeuter von heute sind jung und philosophieren über das Verhältnis von Jetzt und Ewigkeit aus unserer Zeit heraus. Dem Weltganzen und seinen geheimnisvollen Gesetzen fühlt sich die verbunden, die hier zu uns spricht, geleitet durch die zwölf Zeichen des Tierkreises, Sonne, Mond und Planeten. („Wisse, jede Seele ist schmerzgeborenes Kind ferner Gestirne!") Also eine Stimme in unserem Winkel, die einmal nicht an „Heimatklängen" sich berauscht, eine Mutige, die keine Grenzen in diesem Sinne kennt, eine, deren Heimat das All ist. Kosmische Dichtung? Fast durchgängig. Selbst in der Gruppe, die zunächst anderes vermuten läßt. Gedanken dichtung über Sein, Werden, Vergehen, Sinn und Ge schehenes, ethische Zeitfragen, Ewigkeitsdinge, Liebe, Schick salsglauben. Manchmal (absichtlich?) das Gedankliche in banale Schlagworte gekleidet, wie es in Leitartikeln der Tageszeitungen üblich ist, und in solchen Fällen mehr Ge danke als Dichtung: gereimte Prosa, mutig wie eifernde Rede. (Warum aber — 1927! - bei allem Mut nicht auch auf dem Papier letzte Konsequenz im Retmwort, wenn man es zu denken gewagt hat? — Löwe!!) Manchmal dominiert die rukio zu stark und fesselt das gefühlsmäßige Element. Man ist dann versucht, zu fragen: Warum wurde hier die äußere Form des Gedichtes gewählt, wenn innere Not wendigkeit und innere Form nicht dazu trieben? Wirk lich dichterisch schönes Schauen, prächtige Bilder findet man, wo die Sphäre des abstrakten Denkens verlassen wird und die Phantasie überquellenden Reichtum bunter Mannig faltigkeit gibt („Erde"). Die Mehrzahl der Verse ist auch klanglich schön, hym nisch, voll rhythmischen Schwunges, namentlich dort, wo dreiteilige Füße vorherrschend sind. Formale Gewandtheit; doch in formstrengen Gedichten nicht immer restlose und glatte Durchführung in allen Strophen. Angenehmer Druck und Schriftsatz. Erwünscht wäre da und dort etwas sorgfältigere Durchsicht in bezug auf Zeichensetzung, wenn man sich einmal noch zu den Regeln bekennt. Mögen diese Zeilen dazu dienen, der eigenartigen Neuerscheinung das nötige Interesse entgegenzubringen! Gustav Wolf, Weifa. Aus: Brunhilde Kaiser: Der magische Tierkreis Mond Sanft bin ich euch zugeneigt. Leidende! Keine schmerzliche Träne fällt ungesehen zur Erde, stilles Ergeben fließt mein Licht in die zuckenden Herzen. Wo die verzweifelte Mutter ihr Kindlein streichelt, das und ein Mädchen gestorbene Liebe traurig beweint, stote, bin ich der Tröster! Wenn ich komme, segne ich betende Hände, wenn ich gehe, nehme ich alles Leid mit mir. Erde Aus ewigen Wäldern drang mit dem Hauche faulenden der warme Atem neuen Erdenfrühlings, (Holzes und tief hingen Nebel in den rauchenden Tälern. Grün und wild kletterten Schlinggewächse aus feuchter mächtiger Laubbäume Wipfel beugten sich sErds, Stürmen, die fernher über schneeige Berge kamen. Leuchtende Blumen rankten giftig in schwellende Wolken, dicht über den Boden dahin zogen Dünste aus spitzem Ge- verbergend die dampfende Nähe gebärender Leiber, shügel, Unsichtbar hingen nächtens Gestirne über der Landschaft, zogen seltsame Schlingen wie Gewächse tief unter ihnen, plötzlich aufflammend zu herrlicher Blüte. Brüllend schritten gewaltige Tiere aus Wildnis in Sünrpfe, gurgelnd stiegen schillernde Blasen empor. Flämmchen hüpften über stinkende Tümpel. Manchmal schaukelte Mvndschiff von Osten nach Westen, gespenstisches Licht gelb ergießend auf schlafende Erde. Nachtvögel flatterten scheu aus Helle ins Dunkel. Es waren auch Tage, da sich die Dämpfe verzogen und Sonne schwül und drückend durch schwere Wolken sah. Geschöpfe gingen dann plump durch die Riesenhalme. Blinzelnd blickten sie roten Auges in glühende Sonne und die Herde stampfte nach Abend zu felsigen Orten, wo weißer Brodem den tiefen Spalten entstieg. Affen lärmten in den Bäumen der Wälder, sprangen sinnlos von Ast zu Ast und schaukelten meckernd, an Schwänzen hängend, zwischen Himmel und Erde. Riesenschlangen umarmten die Stämme der Bäume, unbeweglich verharrend in lebloser Starre die Leiber. Lidlose Augen entsetzlich geheftet aus springende Tiere. Verzückte Falter strichen behaglich um klebrige Blüten und fanden schweigenden Tod in düsteren Kelchen. Steil schlugen Schwingen sanfter Schönheit zusammen. Wirr und unendlich geheimnisvoll brünstiges Zeugen, das in tausend gellen und dumpfen Schreien über die Erde zog, stürzend die alte Schöpfung.