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bargemeinden, wie Rtngenhatn, brachten ihre Toten nicht erst nach Nenkirch, sondern legten sich abseits vom Dorfe am Walde ihren eigenen Pestkirchhof an. Was nützte es, daß man in den Häusern mit Wacholderbeeren räucherte, Pulver von getrockneten und zerstoßenen Fledermaus herzen aß, bald hier, bald dort brach einer plötzlich mitten in der Arbeit zusammen und war nach wenigen Stunden tot. Als der Pfarrer Abraham Rostock, der 49 Jahre be reits hier amtierte, selbst zn Grabe getragen wurde, da flohen viele, wie einst vor den Kroaten, in den nahen Wald, nur daß der unsichtbare Feind ihnen schon im Nacken saß, and im Dickicht ereilte sie doch der unerbittliche Tod, wo äe unbeerdigt liegen blieben, ein Fraß der hungrigen Wölfe. Das Pfarrhaus war ansgestorben, so manche Wirtschaft lag verlassen da, giftiger Pesthauch drang dem Eintreten den auf der Schwelle entgegen. Draußen rumpelte ein Karren vorüber, der wieder Tote brachte. Man schüttete die Gruben gar nicht zu, sondern ließ sie offen, bis sie voll Leichen waren, dann erst wurde oberflächlich Erde darauf geworfen. Petrus Geißler, der Schulmeister, saß einsam in der kalten Stube, vor sich die von ihm angelegte „Kirchen-Cronica", in die er so viel Trauriges hatte schrei ben müssen. Er überdachte seine achtjährige Tätigkeit hier am Orte. Es war ein Kampf mit Hunger und Armut ge wesen, und als man ihm seine Hauptnahrungsquelle, den Schulacker, nehmen wollte, legte er in einer Eingabe seine Einkünfte dar, die täglich — neun Pfennige — betrugen. „Wo bleiben da Weib und Kind?" rief er in dieser Bitt schrift schmerzlich bewegt aus. Was hatte es ihm genützt, daß er bei dem Organisten Leonhard Greßke in Bischofs werda die Kunst des „Orgelschlagens" erlernt hatte? Die trostlosen Zeiten machten es ganz unmöglich, daß die Ge meinde jemals würde daran denken können, eine Orgel anznschaffen. Dreihundert Opfer hatte die Seuche nun schon gefordert, einsam und kalt war es um ihn. Ein Frösteln lief ihm über den Rücken, er zog den Rock fester zusammen und wollte zum Ofen gehen, um nach dem Feuer zu sehen. Da, wie wurde ihm merkwürdig zu Mute. Lichter tanzten vor seinem Gesicht, Schweiß brach auf der Stirn aus. Er griff in die Luft und fiel neben seinem Arbeitstische nieder. Der Tod und vor allem die Pest kennen keine Halbheiten, sie leisten ganze Arbeit. Am nächsten Tage nickten dürre Grashalme von einem neuen Grabhügel nach dem mor schen Strohdachs der Schule herüber. Wieder war ein Jahr vergangen und der neue Schul meister Opitz saß an dem wackligen Arbeitstische in dem noch etwas baufälliger gewordenen Schulhause. Wieder rann der Regen am alten löchrigen Strohdachs nieder, durch das er stellenweise sogar neugierig eindrang nnd auf die bittere Armut tropfte, als weinte das Dach,' wieder war die Dorfstraße ein klebriger Morast, aber vieles war anders geworden. Wohl war die Pest nach reicher Ernte weitergezogen, aber es war stiller im Dorf geworden. Kein Haus war da, wo nicht ein oder mehrere Angehörige fehl ten, die unter den großen Grabhügeln schlummerten, auf denen bereits das Gras wild wuchs. Es gab sogar ein paar Wirtschaften, in denen Moos auf der Türschwelle wucherte, der Hof öde und verrast nnd die Feldflur unbe baut lag. Der Wald war stellenweise recht nahe ans Dorf gerückt und hatte seine jungen Sämlinge wie Rekruten auf die Felber vorgeschickt, auf die sich der Bauer ohne Ge fahr nicht wagen durfte, weil der Wald oft zweifelhaftes Kriegsgesinüel verbarg. Der neue Schulmeister las in der „Cronica" des Petrus Geißler, die vor ihm lag, die Geschichte aller Leiden, die dieser mit kurzen und doch vielsagenden Worten ausge zeichnet hatte. Dann tauchte auch er den Kiel ein,' denn er wollte dieses Werk seines Vorgängers wetterführen und schrieb: „Anno 1632 sind in diesem Kirchspiel über 380 Menschen groß und klein an der Infektion verstorben, deren Seelen sämtlichen Gott gnädig sein wolle. Da es darin der Schulen und Pfarr in die 22 betroffen) keines darin beim Leben verblieben. Damals ist Pfarr gewesen der würdige Herr Abraham Rostock in die 49 Jahr, so wohl neben ihm sein Sohn, auch Abraham, ein Substitut, 9 Jahr, der Schulmeister Petrus Geißler acht Jahr, welche alle an der währenden Infektion sanft und selig entschlafen, ruhen in der Erden bis zum ewigen Leben." Etwas vom Namen der Stadt Hoyerswerda Im Juni v. I. beging die Stadt Hoyerswerda unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Feier ihres 1000- jährigen Bestehens. Anläßlich dieses Jubiläums dürste es wohl von Interesse sein, etwas über die Entstehung und Entwicklung des Namens Hoyerswerda zu hören, wenn gleich die ursprünglichen Formen nicht bekannt sind und die Angaben der Chronisten und Forscher sich meist nur auf Vermutungen gründen. Da diese Besiedelung des slawischen Osten durch Deutsche erst in das 11. und 12. Jahrhundert fällt, so muß man mit Recht annehmen, daß Hoyerswerda eine wendische Gründung ist, sind doch schon früher mehrfach alte Urnen usw. (Klein-Weida, in der Pinka) hier gefunden worden, die auf Hohes Alter deuten. Die Erbauung der Burg dürste unter dem Kaiser Heinrich dem Ersten und Otto dem Ersten stattgefunden haben, etwa nach dem Jahre 1031 (Zwingfesten in wendischen Dörfern), deshalb wird der ur sprüngliche Name wohl wendisch sein. Die Wenden nennen die Stadt noch heute Wojorez oder Wojrez, Wojerz. Diese Bezeichnung ist sicher auf we - in, rjeze - Wasser, d. h. also „im Wasser" entstanden. (Siehe Frenzel, Chronik von Hoyerswerda vom Jahr 1744, Seite 9.) Cjeka bedeutet im slawischen (russisch und südslawisch) ebenfalls Fluß, Wasser. Demzufolge ist Hoyerswerda (wojerez) ein im Wasser oder Sumpfe gelegenes Dorf gewesen. Ober- und unterhalb der Stadt durchfließt ja auch die Elster ein sehr nasses Gebiet. Wie mag es da zwischen den Elsterarmen, wo Alt-Hoyers- werda liegt, ausgesehen haben! Sicherlich sehr sumpfig und morastig. Früher sind auch mehr Sümpfe und Teiche vor handen gewesen, so sind z. B. 1658 am Hinteren Schloßtore zwei Teiche zugeschüttet und in einen Garten verwandelt worden. (Siehe Schuster, Gesch. von Hoyerswerda, 1842, S. 42.) Auch die meisten alten slawischen (wendischen) Sied lungen haben einen ihrer Lage entsprechenden Namen, so z. B. Bergen (wendisch Horow - auf den Bergen), Nard (Nartz - narjeze - beim Wasser), Neuwiese (Nowawuk - nowa wuki - neue Wiese), Laubusch (Nubusch v. Lubina - Tiefe, Sumpf) und Sabrodt (za brod - hinter der Pfitze, hinter dem Pfuhl). So berichtet Frenzel 1744. Wie kommt man aber von Wojerez oder Wojerz zu Hoyerswerda? Entweder ist es das in das damalige Deutsch übersetzte Wojerz, oder es ist ein von einem Besitzer (Lehnsträger) abgeleiteter Name der Herrschaft, der dann noch in früherer Zeit auf das Dorf oder die Stadt über tragen worden ist. Letzteres muß aber schon in sehr frühe rer Zeit geschehen sein,- denn die ältesten Urkunden zeigten schon immer deutlich das Wort Hoyerswerda, wenn auch in verschiedenster Schreibweise (siehe später!). Was die Über tragung aus dem Wendischen betrifft, so meinen Frenzel (Pastor in Geyerswalde von 1729—52), Liebusch (wahr scheinlich der Amtschirurg Liebusch in Hoyerswerda, von 1750—65) und Schuster (Kreisphysikus in Hoyerswerda von 1834—40), daß Hoiers der deutsche Name für Wojerz ge worden sei und werde oder ward bedeutet nach Schuster (Liebusch) Dorf. Also folgende Entwickelung: Wojerz - Hoihers - Hoiherswerde, das ist Hoihersdorf, Wojerzdorf, das im Sumpfe gelegene Dorf. Noch heute nennt man die Stadt scherzhaft Hoyersdorf oder Hayerschdorf. Alle Chronisten tun die Meinung ab, daß Hoyer von Mannsfeldt, der 1112 vom Kaiser Heinrich dem Fünften