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Der Alraun ist so mächtig, daß er ein steinkaltes Herz m heißer Liebe zu seinem Besitzer entbrennen läßt, er macht, daß die Geschäfte blühen und der Reichtum sich mehrr. Das muß man so machen: Man legt jeden Tag dem Alraun ein nicht zu großes Geldstück in den Kasten, so sinder man am nächsten Morgen zwei Geldstücke vor. Jeden Wunsch erfüllt er und es gibt besondere Regeln für seine Behandlung. Das Ausgraben und „Verfertigen" von Alraunen war ein Geheimnis und ein einträgliches Geschäft. So gab es auch „künstliche Alraunen", die mit 80 Dukaten verkauft wurden. In Sachsen wachsen die Alraunen „uff dem Falken berge", also auf unserem Battenberg bei Nieöerneukirch. Ein alter Geschichtsschreiber erzählt folgendes: „Sv wachsen die Alraunichen uff dem Falkenberge bey Neukirchen, sowie in der mnskauer Haiden und sollen sel bige noch weit vorzüglicher feind, als die so unterm Gal gen wachsen. Man grübet sie in der Johannisnacht, darf sich jedoch nicht vor dem Schrey fürchten, so der Alreune von sich giebet, wenn er der Erden entrissen wirdet." So darf es uns nicht wundern, wenn besonders in unserem Heimatlande alle Welt nach einem Alraunen fahndete und nur die Angst, beim Ausgraben des Todes zu sein, hielt viele ab, eine weite Reise nach dem Balten berge zu machen. Weder die Predigten des Geistlichen noch die Refor mation änderten daran etwas. Im Hauptstaatsarchiv liegt ein Kauf vor zwischen dem Förster Lindenberger und dem Schenken Strauß über ein Alraun und zeigt uns, daß man bis hinauf in die gelehrten Kreise der Richter und Hof leute demselben Aberglauben anhtng. Die Mutter Anna ist ebenfalls im Besitze eines Al raunes gewesen. Allerdings fürchtete sie sich vor ihm, da der Alraun die Kraft besaß, eine Frau fruchtbar zu machen und Anna bereits 20 Jahre verheiratet war. Sie erhielt ihn von der Gräfin Mansfeld, die ihr schreibt (21. März 1508): „Ich schick Euch, meiner gnädig sten Kurfürstin, auch eine Alraunwurzel, aber es ist einem Menschen gleich an Gestalt, wer ihn vorher nicht hat ge sehen, dem ist er ein Greuel . . . ." Mutter Auna hatte wohl geglaubt, den Alraun zu medizinischen Zwecken verwenden zu können, allerdings können wir hierfür keine Beweise erbringen. Wir wissen nur, daß bereits früher das Atropin zu Heilzwecken ver wendet wurde (Atropa Mandragora). Schon die Karthager benützten sie zu Betäubungszwecken. Auch gegen Geschwülste und Syphilis soll sie verwendet worden sei». Zum Schluß sei noch die interessante Klagesache ein wenig ausgeftthrt: Stephan Strauß, der Schenkwirt vom „Raubfisch" in Halle klagt wider Hannsen Lindenberger, den Förster zum Rosenthale bei Leipzig, weil dieser ihm einen falschen Alraunen verkauft habe für 12 Thaler und einen Ring. In der Klage heißt es: „. . . . ein vermeint Alreunigen betrigltcherweise mir zuverkauffen zugesteldt . . . ." Die Klage verlief aber im Sande, da der Förster behauptete, ob das Alräunchen echt und gut sei, könne er nicht wissen, da er es von dem alten Schösser zu Schkeuditz bekommen habe, daß sich hingegen der Wirt anheischig gemacht habe, 105 Thaler dafür zu zahlen, sodaß er, der Förster, noch Geld zu bekommen habe. Der Richter konnte gegen die beiden Dickköpfe nichts ausrichten und überließ dem Kurfürsten persönlich die Entscheidung. Wie diese ausgefallen, konnte nicht ermittelt werden. Die Tatsache aber, das eines Alraunes halber, für den eine recht beachtliche Summe gefordert wurde, selbst der Kurfürst angerufen und ein amtliches Gerichts verfahren eingeleitet wird, sagt uns, baß bis in die höch sten Kreise der Glaube an die Kraft des Galgenmännleins bestand. Der Vollständigkeit halber sei noch auf die Kraft der Springwurzel hingewiesen. Sie wird als „Tithimalus verrucosus" bezeichnet, die sehr knollige Wurzel hat und nur von Vögeln gefunden werden kann. Besonders ge schickt im Finden ist der Specht. Auch die Elster weiß sie schnell herbeizubringen. Wer die Springwurzel haben will, der verschließe das Nest eines Spechtes oder einer Elster mit Stricken und Ketten, wenn der Bogel fern vom Neste ist. Dann lege er unter den Baum ein rotes, seidenes Tuch. Der Vogel wird, wenn er sein Nest verschlossen fin det, sofort umkehren und die Springwurzel holen. Er be rührt mit ihr das verschlossene Nest und Ketten, Stricke, Holzkelle usw. alles fällt zur Erde. Der Vogel läßt auch die Sprtngwurzel auf das rote Tuch fallen. Wer die Spring wurzel besitzt, kann alle Schätze mit ihr heben, kann Felsen und verschlossene Türen jederzeit öffnen. Für die Springwurzel haben die modernen Menschen ja eine ganze Reihe von Ersatzmitteln,- aber auch hier spielt noch wieviel Aberglaube, besonders im Volke mit. Ob aber Alraune oder Glückspuppe? Der Unterschied zwischen einst und heute scheint gar nicht so groß zu sein. Eingeschneit Ich weiß nicht mehr, wie lange das her ist. Es muß in den letzten Jahren des Krieges gewesen sein. Aber das eine weiß ich noch genau: Es war Mitte Januar. In der Stadt gab es wenig zu essen. So gingen die Städter aufs Land, tagtäglich, Sommer wie Winter. Auch in diesen Januartagen gingen sie aufs Land, sich Nahrung zu holen, Butter, Brot, Mehl, was ihnen die Bauern für teures Geld gaben. Es war ein rechter Wintertag, kalt und klar. Die Tage vorher hatte es geschneit, und der Schnee deckte weiß und schön das winterliche Land. Niemand konnte ahnen, daß der Tag noch ein schlimmes Ende nehmen werde. Ich war bis Guttau gekommen. Es mochte in den ersten Nachmittagsstunöen gewesen sein, als ich vom Bahn hof aus nach dem Dorfe ging. Der Weg über die Felder lag in Schnee. Aber es waren Leute da gegangen, wie Fuß spuren zeigten. Ein leiser Wind erhob sich. In der Ferne stieg grauer Dunst auf, der den Horizont umlagerte. Die sich aufs Wetter verstanden, wußten wohl, was e': zu be deuten habe. Heim! heim!, rief er den einsamen Wande rern zu. Aber wenige nur verstanden ihn. Es begann zu schneien. Der Wind wuchs. Die gräulichen Schatten am Horizont stiegen höher. Seltsam, man verstand ihre Zeichen nicht, und doch lag es einem in den Gliedern, als müsse elwas Schlimmes kommen. Der Wind nahm zu, von Mi nute zu Minute. Schon wehte es quer über die Felder. Schneetreiben wurde daraus, das jede Sicht auch aus die nächste Nähe nahm. Ich kam bis zum Dorfe. Schon aber lagen Wehen vor den Türen. Zwei Stunden mochte ich in der Bauernstube gesessen haben. Drinnen hatte ich nichts davon gemerkt, daß draußen das Wetter furchtbar gewor den war. Sonst ist es eine Viertelstunde bis zum Bahnhof. Diesmal brauchte ich zwei Stunden dazu. Meterhohe Wehen türmten sich über die Straße. Straße? Wer hätte sagen können: hier ist die Straße, hier ist Feld? Schnee ringsum, sonst nichts. Und ein Schneetreiben dazu, daß man die Hand nicht vor dem Auge sehen konnte. Der Sturm ver schlug einem den Atem. Rückwärts mußte man gegen ihn ankämpfen. Eine Stunde konnte ich gegangen sein. Der Zeit nach mußte ich schon weit über das nächste Dorf hinaus sein. Ich wollte umkehren. Aber ich wußte, daß ich das Dors nicht mehr erreicht haben würde. Ich hatte die Rich tung gänzlich verloren. Dabei stürmte es, daß ich glaubte, in einer Viertelstunde müßte ich eingeschneit sein. Müde war ich vom Stapfen. Denn in der gleichen Zeit, in der man hier einen Schritt tat, tat man sonst zehn. Zuletzt mutzte ich meine Beine mit den Armen aus dem hüften- ttesen Schnee hervorziehen, abwechselnd, eins ums andere. Mutterseelenallein wähnte ich mich in einer der Steppen des weiten Rußland. Und da habe ich die Furcht vor dem