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längst verklungen. Die Pvesie der ulten Straße ist uber nichr nur um diese heimlichen Reize, sondern nm viele andere auch ärmer geworden. Wo sind die Wanderburschen mit ihren „Nahen" ans dem Stucken, wo der Handelsmann mit seinem Zwirnranzen? lind selbst der stolze Roßknecht, der sonst in eitlem Fuhrmannsdreß, mit ledernen Hosen und Schaftstiefeln, mit knallender, fröhlicher Peitsche buchstäb lich von Land zu Land zog, wo sind diese Zeugen einer alten, wohl nicht aber der schlechtesten Zeit, wohin sind diese typischen Gestalten der Landstraße entschwunden? Das etwas vergessene, weil abseits der Eisenbahn ge legene Ureibitztal, noch wenig „beleckt" von der modernen Kultur, weist auch noch aus manch andere intime Schönheit hin. Hier öffnet sich im Westen bei den „Bachhäusern" so zusagen das Tor zur weltbekannten „Böhmischen Schweiz", hier rauscht durch den „Paulinengrund", durch das Wasser rad der „Grieselmlihle" der plaudernde Kreibitzbach gegen Windischkamnitz, wo er sich — bei der Bootsstation der Ferdinandsklamm — mit seinem größeren Bruder, dem Kamnitzbache, vereint, um sich mit ihm dann hinter der „Hohlen Teuffe" durch die „Wilde und Edmundsklamm" zu winden, zwischen Felsen und Schluchten hindurch, bis er — bei Herrnskretschen — in den Wellen der Elbe ver schwindet. Die ununterbrochene Bergeskette um das Kreibitztal herum weist neben dem Tannenberge noch einen anderen Gewaltigen ans, den 730 Meter hohen „Kaltenberg", der, hinter den Limpcher Gründen, schon mehr auf Kamnitzer Gebiet hinübergravitiert. Den Fuß des 600 Meter hohen „Plissenberges" umschlingt der Schienenstrang der Böh mischen Nordbahn und ihm gegenüber steht stolz und frei der „Ahrenberg" mit seiner nahezu 700 Meter hohen Kuppe. Auch der „Schindelhengst" (680 Meter) neben dem etwas niedrigeren „Ascherstetne" im Falkenauer Gebiete haben schon recht respektable, bemooste Häupter. Noch eine Anzahl bewaldeter Berge und Hügel um schließen die grünen Wiesen und Felder des Kreibttzer Ge bietes und wenn man über den Kamm des Kaltenberges hinüber gekommen ist, folgt eine ähnliche Fortsetzung im Kamnitzer Gebirge. Ein wahres Hügelmeer brandet hier von Ost nach West, von Nord nach Süd,' ebbt erst ein wenig ab hinter der Elbe. Denn von den Kreibitzer Ber gen, besonders vom Plissen- und Jrichtberge aus, kann man an Hellen Tagen die Hügelkette bis an den Hohen Schneeberg verfolgen. Der imposante, weithin sichtbare „Rosenberg" nimmt in weiterer Ferne eine dominierende Stellung ein über Hunderte eng um ihn gescharte kleinere Genossen. Ein überwältigender Anblick! Es leuchten die Felsen von Rennersdorf und Dittersbach, es winkt der „Rudokf- stcin", die „Wilhelminenwand" und rechts, Hinterm „Wüsten Schloß", rauschen die Jahrhunderte alten Fichten und Tan nen um die vielbesuchte „Balzhütte". Wald, Wald und wieder Wald. Dazwischen manchmal ein engumfriedetes Bauerndorf, ein stilles Kirchlein mit einem Zwiebcltürmchen, Felder und Hügel, Ackerland und Saaten, das ist das Bild der typischen nordböhmischen Landschaft, die Scholle unserer Väter und Großväter, unsere vielbeschriebene und doch noch zu wenig bekannte schöne Heimat. DteEinvanddvkte für die „Gberlausißer Heimat-Aeitung" ist feettsseftettt Preis ÄM. 1-20 Bestellungen erbittet die Geschäftsstelle dec „GHA". Der böhmische Onkel Von Franz Rösler, Schirgiswalde Der Herbst lag über dem Stüdtlein an der Spree. Bunte Farben überall. Feuerrot glänzten die Ebereschen beeren an den Zweigen. Ziemer strichen um sie herum und naschten von den Beeren. Ans den Kartoffeläckern wirbelten dünne Rauchfahnen in die milde Herbstluft, und manch straff gefüllter Kartoffelsack lag znr Heimfahrt bereit. Die fer nen Berge leuchteten in wunderbarem Blau herüber. Überall Sonne und Licht und Farben. Bunt wie der Herbst war auch der Kamschner gekleidet, der stolz wie ein König, in der Rechten den mit einem mächtigen Strauße gezierten Kamschnerstock, die Dorfstrabe vom Fuchsberg herabschritt. Bänder und Blumen grüßten auch von seinem hohen Hute und nickten wippend mit den Schößen seines Rockes den Takt. Wie rasch da die Leute an die Fenster flogen! „Der Kamschner! Jess' Marte! Der Kamschner! Ge schwind, Großmutter!" So ries's in mancher Hütte, und die alte, gichtbrttchige Großmutter vergaß die Schmerzen und humpelte ans Fenster oder gar an die Tür. Er war aber auch ein ganzer Kerl, der Kamschner. Tänzelnd, als ob er die Tanzdielen unter sich hätte, schritt er dahin, ein pfiffi ges Lächeln um den breiten Mund. Schade, daß der gelbe Schnauzbart so waschlappig herabhtng! Kein Wunder, daß ihm ein Dutzend Jungen und Mädel nachlief, um den Hvchzeitsmann zu sehen! Wo wird er hingehen? Das war die Frage, die dem Städtlein jetzt näher lag als die Be freiung vom Joche Napoleons. Aha! Jetzt hält er vor einem stattlichen Bauernhöfe im Oberüorfe. Beim Hockebauers Seff tst's dort. Vier Kühe hat der im Stall stehen. Natür lich, das ist schon ein gar Reicher. Aber, daß die Kalichs Leute sich so vornehme Hochzeitsgäste laden! Sind doch arme Kleingärtner und haben nur eine Ziege im Stall. Und der Bräutigam, Schichts Toni, hat auch nichts wie die leere Hütte. Nun ja, die Kalichs Tochter, die Lene, hat in letzter Zeit immer ein bissel nobel gemacht. Zwei seidene, geblumte Kopftücher und ebensoviel bunte Röcke haben die Nachbarn schon seit Wochen staunen gemacht. Wo mag sie die herhaben? Kein Mensch weiß es. Oder doch? Einige Nachbarn murmeln gar verdächtiges Zeug davon. Und nun so eine große Hochzeit! Der Kamschner, freilich, der muß ja sein. Ohne den geht's nicht. Ist so notwendig wie der Pfarrer. Aber solche Gäste! Eine Hochzeit kostet doch viel Geld. Ein bissel verwandt ist wohl der Bräutigam mit dem Bauer. Aber abgegeben hat sich der Bauer sein Lebtag noch nicht mit dem Hungerleider. Am End gehn die Hockens gar nicht. Draußen stehen die Kinder vor dem Bauern höfe, und die Nachbarn ducken sich hinter die Zäune und Sträucher. Möchten doch gar zu gerne wissen, ob der Bauer ja sagt oder nicht. Kommt ganz darauf an, was der Kamschner für ein Gesicht zieht. Jst's ein ernstes, so kommt er nicht. Jst's ein lustiges, so, wie beim Hineingehen, dann stehts gut. Neugierig passen sie auf. Ja, da kommt er schon wieder. Wie er schmunzelt! Wahrhaftig, die Bäuerin ist bis an die Türe mitgegangen. „Nein, sowas," sagen die Leute und erzählens geschwind weiter. Und in gar viele Häuser geht der Kamschner. Jetzt kommt er schon aus dem fünften! Und immer schmunzelt er und schwenkt den Rock. Und die kleinsten Häuser sind's wahrhaftig nicht, wo er drin war. Am End geht er gar noch zn Stadtrichters! Die guten Leute vergessen die Ar beit, und nicht bloß ein Junge muß hinaüslaufen auf den Acker und es den fleißigen Kartoffelgräbern erzählen, was für eine große Hochzeit die Kalichs Lene macht. Aber zu Stadtrichters geht der Kamschner doch nicht. Dafür marschiert er quer über den Markt und über die Spreebrücke. Da drüben auf der Kleinseite kehrt er in drei,