Volltext Seite (XML)
Lehrers mögen die Schüler die Anlage der Familienchronik lernen. An der Wandtafel lasse der Lehrer den Stamm baum eines Kindes mit seinen mannigfachen Verzweigun gen entstehen. Die häusliche Arbeit bietet Zeit und Ge legenheit zur Nachahmung des Gesehenen und Gehörten auf die eigenen Verhältnisse der Kinder. Auch der Aufsatz unterricht der oberen Klassen kann sich geschichtsunter stützend in den Dienst der guten Sache stellen. Das Haus aber wirb der Schule für ihr Bemühen, eine Geschichte der Hausgenossen zu schreiben, dankbar sein. So dient mittel bar der geschilderte Versuch des Entwurfs einer Familien chronik dazu, das gute Einvernehmen zwischen Schule und Haus zu pflegen. Möge diese Nebenwirkung wiederum be fruchtend und unterstützend auf das ureigenste Bemühen des Familiengeschichtsforschers und Geschichtsschreibers zurückwtrken! Ehre, dem Ehre gebührt Wilh. Fischer, Zittau Christian Benjamin Ender war ein echter, rechter oberlausitzer Forstmann. Er hatte einen offenen, geraden Sinn, dabei derb in seinen Ausdrücken, wie es oberlau sitzer Art erfordert. Er war empfänglich für alles Gute, Wahre und Schöne. Ehrlichkeit, Treue und Gewissenhaftig keit waren seine vorzüglichen Tugenden in seiner Dienst zeit. Gottesfurcht und Glaubenstreue zierten ihn bei den Betrachtungen der Werke Gottes in der Natur. Er war nicht einer von denen, die allsonntäglich ins Gotteshaus gingen. Er hatte seine Kirche für sich. Wenn er Bihms Korl's „Kief'rpfoarrn" gelesen hätte, würde er mit diesem eingestimmt haben: Ich mach m'r ntscht aus oich und dan Geräde draus: D'r Buusch is meine Freede und mei „Gutteshaus"! Christian Benjamin Ender war teilnahmsvoll nnd mit fühlend gegen in Not und Bedrängnis geratene arme, be dürftige Mitmenschen. Urwüchsig, witzig und humorvoll zeigte er sich im frohen Freundes- und Zecherkreise. War er auch manchmal eine empfindliche Natur, so konnte er doch bald wieder verzeihen. Die schönste und seelenvollste Charakter-Eigenschaft fand man bei ihm in dem trauten Verhältnisse seines von inniger Liebe durchzogenen Fami lienlebens. Er hat zwar schwer zu kämpfen gehabt, aber dabei den Mut nicht verlören. Sechs Kinder waren seiner ersten Ehe entsprossen. Seine zweite Ehe war kinderlos, aber sehr glücklich. Der Leser wird fragen: Wo amtierte denn dieser brave, längst verstorbene Forstmann? Nicht unweit von Reichenau, dort wo sich „Hvhenwald" und „Gickelsberg" freundlich begrüßen und einander die Hände schütteln, in dem friedlich stillen Gebirgsdörfchen Lichtenberg, war Christian Benjamin Ender (geb. am 12. September 182S in Althörnitz bei Zittau) Unterförster in den Jahren 1853—1861. Sein ihm anvertrautes Forstrevier, das der Stadt Zittau gehörte, erstreckte sich über die oben ge nannten Höhen an der böhmischen Grenze entlang. Von hier wurde er im Jahre 1861 in das Oybiner Revier ver setzt und erhielt seinen Wohnsitz in dem idyllisch gelegenen Dörfchen Oybin. Als Nevierförster hat er daselbst bis zum Jahre 1893 geschaltet und gewaltet. Nach 40 jähriger treuer Dienstzeit trat er in den wohlverdienten Ruhestand, den er in Zittau bis zum Jahre 1904 verlebte. Ein schweres innerliches Leiden brachte ihm den Tod. Seine irdische Hülle ruht ans dem Frauenkirchhof zu Zittau. Soweit die kurze Lebensbeschreibung Christian Benjamin Enders. Was den Verfasser dieser Zeilen veranlaßt, über den Genannten ein „Memoire" zu schreiben, das sind seine Dichtungen, die er der Nachwelt in einem über 500 Seiten starken, geschriebenen Bande, mit Goldschrift verziert, hinterlassen hat. Eine Abschrift von diesem Bande schlum mert in der Zittauer Stadtbibliothek. Er nennt sein Werk: „Urwüchsige Reimungen". Damit hat er wohl nicht den richtigen Titel seinem Buche gegeben. „Ernste und heitere Dichtungen aus dem Leben eines Forst mannes" dürfte besser sein. Er zählt zwar seine gereimten Verse nicht unter Gedichte, sondern nennt sie Reime. Er bekennt frei und offen, daß er die Regeln der Dichtkunst nicht gelernt habe. Er spricht dies in einigen Zeilen aus: Wenn ich der wahren Dichter Werke lese, Muß ich mich schämen meiner Reime. Weiter: Ein Dichter zu sein, fällt mir nicht ein. Doch ein Reimeschmied glaub ich zu sein. Das ist die rechte oberlausitzer Wahrheit, die aus die se» Worten spricht. Wir gönnen ihm ein Plätzchen unter den Freunden heimatlicher Dichtkunst und wenn es in der trauten Ecke derer ist, die sich Reimeschmiede oder Verse- macher nennen. Da sitzt sich's oft am gemütlichsten. Aus allen seinen Versen lernen wir seine geistigen Gaben, seine Innerlichkeit, seine Gemtttstiefe, seine Offenherzigkeit, seine Willens- und Glaubensstärke, seine Freude an der Natur und seine Liebe zur Heimat schätzen und ehren. Er soll der Heimat erhalten bleiben in seinem mit viel Arbeit und Mühe geschriebenen Werke. Einige Proben seiner Neimkunst mögen folgen: Frühlings-Erwachen im Walde Wer wollte sich nicht freuen auf Frühlings Auferstehen? Ja, einen echten Forstmann, das muß ich zugestehen, Dem schwillt das Herz auf's neue, weil nun die „Balz" sbeginnt. Wenn Auerhahn und Birkhahn auf Liebeslieder sinnt. Wer ihren Balz nicht kennet und noch nicht Zeuge war, Dem wünsch ich, dies zu hören, es klingt so wunderbar. Im Walde Im Walde, dem grünen, da lebt sich's so traut. Da möcht ich mein Liebchen geschmückt sehn als Braut. Dort könnt uns der Priester den Segen verleih'n, Der Vögel Sang würde das Orgelspiel sein. Der Wald als Freund Kennst du den Freund, der sich in Schweigen hüllet. Dem du vertraust, was schwer dein Herz bedrückt? Kennst dn ihn nicht, der deine Pulse stillet, Wenn dir Vernichtung droht, durch Mißgeschick? Ich kenne ihn, da ich ihm lang genug gedienst. Ich Habs ihn gepflegt, bis ich ward alt. Wie sich's für einen treuen Diener ziemet. Ich lieb und ehre ihn. „Es ist der Wald!" Unzertrennlich Ein Forstmann muß auch Weidmann jein, Das ist stets so gewesen; Denn ist er Forstmann nur allein, Ist er ein halbes Wesen. Die Jagd erheitert das Gemüt Und würzt des Daseins Sorgen, Oft hätt er sich nicht raus bemüht Wie jetzt am früh'sten Morgen. Mein Glaube Ein jeder Mensch hat seinen Glauben, Doch, welcher wohl der rechte ist? — Ich mag kein Urteil mir erlauben, Ich bin kein Freund von Meinungszwist. Es kann ein jeder tun und machen, Wie er sich will der Gottheit nah'n, Und gibt's vom Tode ein Erwachen, Wird mancher fühlen seinen Wahn. Ich halte für den besten Glauben, Wie Christus ihn hat uns gelehrt. Mög uns niemand die Liebe rauben Und daß das Herz bleibt unversehrt. Es soll der Mensch den Menschen ehre«.