Volltext Seite (XML)
Der Hohnsteiner Bärengarten Von Siegfried Störzner, Dresden Wer vom Polenztale durch den Schindergraben an der Götzingertafel vorüber nach Hohnstein htnansteigt, den führt der Weg an einigen hohen Mauerresten vorbei, den Überbleibseln des einst in ganz Deutschland bekannten Bärengartens. Durch die vom Schloßberg, dem Rtttersitz und dem Großkäsfelsen eingeschlossene Schlucht leitet der Pfad im Zwinger hinan zu dem malerischen Fachwerkbau des Hohnsteiner Rathauses. Um stets Gelegenheit zur Jagd auf den immer selte ner werdenden Meister Braun zu haben, ließ der Landes herr Anno 1609 durch den Amtsschösser Moritz Scandel den Hohnsteiner Bärengarten anlegen. Die Bewohner der umliegenden Amtsdörfer mußten für ihn monatelang Spann- und Handdtenste leisten. Dazu wurden an verschie denen Stellen in der Wald- und Felsenwildnis des Meiß ner Hochlandes Värenfänge angelegt, an die uns noch heute Flurnamen und Überreste erinnern. So führt an dem Saupsdorfer Weg, der vom Zeughaus ins Kirnitzsch- tal hinableitet, ein Felsloch die Bezeichnung Bärfang. Nicht weit davon gibt's am Drei-Stegen-Steig eine Wolfs grube. Spuren eines Bärfanges lassen sich auch am Kleinen Kuhstall erkennen, einem seinen Namen nach der auffäl ligen Form führenden Felsbaue unweit des Roßsteiges, der Zeughaus und Großen Winterberg verbindet. Dieser Bärfang ist noch heute bei Waldarbeitern und Bergsteigern in lauen Sommernächten als Freilager beliebt. Die unter diesem Tore sich hinziehenden Felsriffe erhielten nach der Fangstelle den Namen Bärfangwände. Erinnert sei hier noch an das Bärenhohl bei Hohn stein, Abteilung 49-52 des Staatsforstreviers. Nördlich unterm Galgenberge gelegen, wird es durch eine tiefe Schlucht zerschnitten, durch die das Bärenhohlflüßchen rie selt, um bei der Russigmühle die Polenz zu verstärken. Die Bärfäage waren entweder in einer natürlichen Felsschlucht angelegt, oder man hatte eigentümliche schmale Bauten errichtet. An ihren beiden kurzen Seiten waren in Rinnen Falltüren und ein Trog für die Lockspeise an gebracht. Auf der einen Sette war eine verschließbare -Öff nung, durch die man den gefangenen Petz in einen Käfig trieb. War ein Bär in die Falle gegangen, so gab das weit hin dröhnende Zuschlägen der Tür davon Kenntnis. Die Spürknechte meldeten es ihrem Förster, und nun wurde von Hohnstein der mit Eisengittern versehene Zwinger wagen geholt. Bauern mußten den Petz mit in den Wagen laden helfen und nach Hohnstein fahren zum dortigen Zwinger — eine wenig beliebte Fronarbeit, bei der es selten ohne gefährliche Kratz- und Bißwunden abging. Außer Wölfen und Bären verirrte sich auch manchmal harmloses Wild in diese Bärfänge. Einmal fand man darin sogar eine ganz seltsame Bente, zwei Mönche, die hier Schutz vor einem Unwetter gesucht und dabei versehent lich die Falltüre ausgelöst hatten. Wollte der Kurfürst in irgend einem seiner Schloß höfe oder auf dem Marktplatze einer Stadt eine Bären jagd zur Ergötzlichkeit seiner Gäste und des Volkes ver anstalten, so wurden zu diesem Zwecke ein Paar Petze vom Hohnsteiner Bärengarten nach Schloß Sedlitz, Moritz burg oder Dresden geschafft. So wurde 1617 auf dem Dresdner Altmarkte eine große Tierhetze und Jagd ver anstaltet, bei der 58 Stück Wild, darunter auch acht Hohn steiner Bären, zur Strecke gebracht wurden. Hundert Jahre später, am 26. September 1719 wurde anläßlich der Ver mählung des Kurprinzen August mit der Prinzessin Maria Josepha eine große Hetze am Plauenschen Grunde abge halten, bei der auch ein armer Petz so getrieben wurde, daß er von den Klippen des Hohen Steines vor den Augen der fürstlichen Jagdgesellschaft zur Weißeritz hinunter springen mußte, wobei er einen jämmerlichen Tod fand. Wo Heute der obere Halbenweg das Wässerchen des Schindergrabens im Hohnsteiner Bärengarten kreuzt, be fanden sich in einer Mauer besondere „Beeren-Fänge" Auf dem im Jahre 1719 vom Jngenieur-Capitain Christian Erndt entworfenen Grundriß des Schlosses Hohnstein, dessen Original sich im Hauptstaatsarchiv zu Dresden be findet, sind diese Fangstellen nebst dem „Beeren Garden" genau eingetragen. Ebenso ist auf diesem Plane die Grenze des sehr ausgedehnten Zwingers angegeben. Er reichte vom Schloßberge hin zu den Felswänden des Hantzschel- hornes, an dessen Fuße sich der Weg nach dem Kalten Loche und der Gautschgrotte dahinschlängelt. Der Höhenrand war abgesperrt, ebenso alle Schluchten und Durchlässe. Dieser wilde, enge, tiefe, von sonderbar gestalteten, zum Teil überhängenden Felsblöcken eingefaßte Grund mit seinen kleinen Höhlen, Zacken und Türmchen war schon von Natur wie geschaffen zur Anlage eines „Behren Garttens", wie man ihn einst schrieb. Man brauchte ihn nur unten und oben durch Mauern abzusperren. An der unteren Sette befand sich ein Eisengttter, das durch ein ,Räderwerk geschlossen und geöffnet werben konnte. Die eigentlichen Ein- und Auslaßstellen waren an dem bereits oben beschriebenen Platze angebracht. Das possierliche Treiben der Gefangenen konnte mau vom Schlosse aus, von den Fenstern, Gärten, Balkonen und Türmen gut beobachten — ein Vergnügen der fürst lichen Gäste des Landesherrn. Oder man ging hinab zur Ausfalltüre und -treppe, die ins Himmelreich führte, wo einst das alte, kleine Vorwerk Hohnstein stand. Von hier aus haben die Kurfürsten wiederholt Bären im Zwinger geschossen. Noch vor einem Menschenalter zeigte man den Besuchern des Schlosses das Fenster, von dem aus August der Starke wenig weidmännisch seine Schüsse abgab. Unter den zahlreichen Hohnsteiner Petzen befand sich auch der Liebltngsbär Augusts des Starken. Der Herrscher hatte ihn als ganz junges Tier aus Polen mit nach Dres den gebracht und ihn daselbst aufziehen lassen. Petz war hier so zahm, daß er ungehindert im Schloßhofe umher tappte und oft seinen fürstlichen Herrn in die Zimmer begleitete, wo er von August dem Starken gefüttert wurde. Als ihn hier jedoch eines Tages der Kurfürst fortgesetzt neckte und immer und immer wieder den Bissen vorm Maule wegnahm, erwachte in dem Tier die angeborene Wildheit, und hochaufgerichtet ging es auf den Fürsten los, um ihn mit seiner gewaltigen Tatze zu Boden zu schlagen. Trotz seiner großen Körperkräfte konnte sich der Fürst nur mit Mühe der Angriffe des ausgewachsenen Bären erwehren, bis endlich Hilfe herbeieilte. Da August dem Starken die Gesellschaft dieses pol nischen Bären doch zu gefährlich geworden war, mußte Petz sein feudales Quartier mit dem Hohnsteiner Felsen zwinger vertauschen. Die Chronisten berichten, er habe aber den König immer sofort wtedererkannt, wenn sich die ser bei einem Jagdaufenthalte in Hohnstein am Bären zwinger blicken ließ und ihn lockte. Sein Ende fand der polnische Bär auf einem einst zu Schloß Sedlitz veranstalteten Tterkampfe, wo man ihm einen Landsmann gegenüberstellte, einen aus der Ukraine hierher gebrachten Auerochsen. Diesem war Petz nicht ge wachsen. Vom Auerochsen aufgespießt, endete er sein Leben in der Sandbahn der Arena .... Hoch überm Hohnsteiner Bärengarten thront auf schroffen Felsen die alte Burg, einst eines der berüchtigt sten Staatsgefäugnisse. Verschiedene Gefangene sind bei abenteuerlichen Fluchtversuchen aus den schaurigen Ker kern eine Beute der allzeit hungrigen Bären geworden, wenn der oft aus den primitivsten Hilfsmitteln in monate langer heimlicher Arbeit hergestellte Strick riß oder die Unglücklichen beim Klettern über die Felsen ausrutschten