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setzen, im Schütter lungernd, beginnt hoffnungslosen Wett lauf mit dem stählernen Neuner, tanzt rasend nebenher, überschlägt sich ungezählte Male, legt sich ermattet dürrem .Heidekraut in die grauen Ärmchen. Menschen sitzen, hocken, stehen im Zuge, Dutzende sicher, vielleicht Hunderte. Manche überdenken Gewesenes, Verlassenes, sinnen nenem Ziele entgegen. Andere starren einander ins Gesicht, mustern neidisch oder Höhnisch die Kleidungen, sprechen gleichgültig tausendfach gesagte Dinge aus. Gelangweilte ächzen,' junges Volk schäkert,' Krämer seelen feilschen. Etliche lehnen sich aus den Fenstern, fin den, die Landschaft sei anmutig und schön. Der Zug fährt. Eintönig keucht die Lokomotive,' in gleichem Rhythmus schlittern und rattern die Wagen. Hell bestrahlt sie Sonnenschein,' gespenfterhaft gleiten schiefe Schatten nebenher. Keusche Birken stellen sich links und rechts, an schwanken Zweigen unzählbare sehnsüchtige Knospen. Ernsthafte Fichten treten dazu! in Waldesdnft und Waldesdunkel sinken die Rauchwölkchen zögernd ein. Getöse dröhnt durch den Forst wie wildes Schnauben eines vorzeitlichen Lindwurms. Erschreckt flattern kleine Vögel auf,' die Amsel schmettert laut sich selbst Mut zu. Hoch in den Wipfeln hängt Sonnenlicht,- rundum lagert feuchte Kühle. Langsamer fährt der Zug. Funken und Ruß entstieben der Lokomotive. Wie ein Hund ist sie, der demütig mit dampfendem Atem und lechzender Zunge dem strengen Herrn zu Füßen kriecht. Heiserem Gebelle gleich schlägt ihr kurzes, schweres Keuchen gegen die Baumstämme. Hündisch und lauernd schleicht sie auf gewundener Fährte bergan. Ungeduldige sitzen im Zuge, die wünschen verwünschend sich raschere Fahrt. Alle grauen Seelen nehmen Ärgernis. Gelangweilte gähnen, müßiger Gespräche müde. Schwer werden manchem die Lider,' sorgenvolle Häupter neigen sich tiefer,' tändelnde Finger verkrampfen sich. Ans billigen Zigarren mengt übler Qualm sich mit heißer, stickiger Lust. Unbekümmert plauschen Verliebte. Unberührt träumen ewige Träumer zum Fenster hinaus, finden es seltsam, verwunderlich, in den Eingeweide« eines Riesenwurmes durch den Märchenwald getragen zu werden. Freier drehen sich die Räder und erlöster. Wie eine ge fangene Bestie aus ihrem Käfig, so springt durch des Waldes geöffnete Pforte der Zug heraus. Golden, lachend flutet überall Sonuenglanz. Schneller huschen die Bahn hänschen vorüber mit den dienstbaren, ernsten Wächtern. Braune Ackerbreiten atmen schweigend und stark zum Him mel. Betriebsame Leute pflügen, hacken, graben, pflanzen alte Hoffnungen auf neue Ernten. Wieder trillern Lerchen, klettern in weiche Lüfte, jubeln die Sonne an und die zar ten Schäfchen, die friedcsam hoch droben wandern über seidiges Blau. Eine Landstraße schlingt sich nm die Höhen, sinkt in ferne Täler hinab. Stare sonnen sich in knospenden Straßenbünmen,' Schwalben verkünden auf wiegenden Drähten das Wunder ihrer Wiederkunft. Schneller fährt der Zug, reißt seine Gäste unaufhaltsam mit durch das Gefilde. Über eine breite Brücke donnert er, hoch über ein Tal gewölbt. Smaragdene Teppiche, so liegen frische Wiesen drunten, bestreut mit schüchternen Busch windröschen und fröhlichen Himmelschlüsseln. Ein Bäch lein windet sich munter hindurch. Kinder spielen, über springen jauchzend das Wässerchen, genießen die Wonnen ersten Barfußlaufens. Talab schimmert eine Mühle. Aus dem Zug winkt ein Tüchlein ziellos in die Weiten. Wie von Dämonen gehetzt, jagt der Zug dahin. Ein Dorf taucht empor) über rote und blaue Dächer spießt ein Kirchturm. In wohlumzäunten Gärten schafft ein emsiges Völkchen. Kinöerlärm flattert vorüber. Ein gelber Falter gaukelt über den Dorfweg, den Geleisen zu. Ihm nach auf flinken Beinchen ein Dreijähriges, vergnügt krähend, keine Gefahr wähnend. Hilf Himmel: der Zug! Das Kind! . . . Der Zug rast herbei. Entsetzten Auges blickt das Kind ihn an, den glotzäugigen Teufel, wendet sich zum Fliehen. Die kleinen Füßchen straucheln über die Schienen,' nieder stürzt das Kind. Da ist der Zug! Ein armer Aufschrei, ein einziger nur, erstickt durch das eiserne Gebrüll des schwarzen Ungeheuers. Fühllose Räder malmen über weiche, zuckende Glieder hinweg,' aus geborstenen Äderchen spritzt warmes Blut anklagend her vor. Eine Mutter ward um ihr Kind ärmer! Haltet ihn an, den entsetzlichen Mörder! Es knirschen die Räder im ohnmächtigen Zorn des Ertappten- wütend kreischen die Bremsen. Halt! Neugierig fahren Köpfe ans allen Fenstern- Stumpfe werden wach und lüstern nach seltsamer Botschaft. Schaffner rennen mit roten Köpfen, ziehen kleine, zerstückelte Glieder unter den Nädern her vor. Frauen fallen in blasse Ohnmacht- Männer betrachten scheu rote Blutströpfchen auf rußigem, fettigem Eisen. Welche Mutter ward um ein Kind ärmer? Unermeßlicher Lerchenjubel wogt über grünenden Feldern. Kleine Lerchen, habt ihr kein Herz? Goldenes Sonnenlicht flutet über Acker, Dorf und Zug. Sonne, kennst dn kein Mitleid? Durch Lcnzgefilöe rast der Zug, einem Mörder gleich, den schlechtes Gewissen jagt. — Feuerbrenner und Feuerfühler in der Lausitz Das Feuer war die Naturgewalt, die in den eng- gebauten Städten und stroh- oder schinöelgedeckten Häu sern der Dörfer unsrer Ureltern oft vernichtend wütete. Die zahlreichen verhängnisvollen Brandkatastrophen, die ganze Städte und, Dörfer in Asche legten, sind bekannt. Angst und Furcht vor Feuersgefahr waren stets in den Gemütern wach. Diese Furcht machten sich die Zigeuner zu Nutze. Die Zigeuner übten allein schon durch ihre fremdartige Erschei nung großen Einfluß ans das Denken des Volkes aus. Ihr tiefes Verstricktsein in abergläubischen Anschauungen, die auch im Volke noch, wenn auch schwächer, lebendig waren, steigerte die Schen vor ihnen. Die Zigeuner verstanden es, sich in den Ruf machtbegabter Leute zu bringen, deren Zau ber und Fluch unfehlbar sei. Im ganzen Sachsen- und Schlesierlande gelten die Zigeuner als besondere Meister im Aussprechen des Feuer segens. In Bautzen an der alten Mönchskirche und in Zwickau gibt es Häuser, die vor Feuersnot durch den Segen einer Zigeunerin geschützt sind. Viele Feuersegen, die heute noch auf vergilbtem Papier in den Truhen lie gen und von denen Herr Pech-Lomnitz eine ganze Anzahl mitgeteilt hat jaus der Westlausitz), geben sich, um ihren Glaubensanspruch zu erhöhen, als Zigeunersprüche aus. Einst hatte in Liebau in Schlesien eine Zigeunerbande bei einem Bäckermeister Unterkunft gefunden. In dessen Bodenkammer machten sie ein großes Feuer. Die Meiste rin merkte es und sagte es ihrem Manne. Der ging hinauf und verbot es seinen Gästen. Da beruhigte ein alter, weiß bärtiger Zigeuner den Meister: „Dein Haus wird nicht abbrennen, obgleich die Stadt zweimal vom Feuer zerstört werden wird/" Und was der Zigeuner gesagt hatte, traf ein. Neben den Zigeunern treten die Rittergutsherren als Feuerbanner auf. Die Herren von Arnim auf Planitz bei Zwickau kounten das Feuer segnen. Wenn irgendwo viele Meilen in der Runde eine Feuersbrunst war, holte man ihn oder er eilte selbst hin, ritt um das brennende Haus, sprach seinen Segen und augenblicklich verlöschte die Brunst. Andere Feuerbanner reiten nach ihrer Beschwörung über ein fließendes Wasser. Tun sie das nicht, kommt ihnen bas Feuer nach und verbrennt sie. Auf eine eigenartige Erscheinung macht der Lausitzer Schriftsteller Ernst Willkomm aufmerksam. Er hat eine Frau gekannt, die fühlte das Feuer. Es war eine hoch bejahrte, aber noch rüstige Botenfrau, in einem Lausitzer