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Die Umgebung Weißenbergs ist nicht ohne Reize. Frei lich von dem, was de^Durchschnittsmensch oder der Landschafts tiger gemeiniglich Naturschönheit nennt, ist um Weißenberg wenig zu finden. Aber wessen Augen für die landschaftlichen Reize einer Gegend geschärft sind, der findet gar bald heraus, daß Weißenberg einem Veilchen gleicht, das im Verborgenen blüht. Eine Perle wahrer landschaftlicher Schönheit ist die Weißenberg« Skala, ein Teil des Löbauer Wassers, das an Weißenberg in vielfachen Krümmungen vorbeifließt und nach Gröditz zu romantische Felspartien bespült, die von den Um- wohnern als die „Skalen" bezeichnet werden. Die bewaldeten Hügel, deren Gestein mitunter zutage tritt, bilden, indem sie dem Bache sich nähern, eine verhältnismäßig tief eingeschnittene Talmulde, die nach und nach in ein breiteres Wiesental über geht. Der Weg, der am linken Hügelhange hinführt, gewährt einen lieblichen Blick in das stille Tal hinab und hinüber aus die waldgrünen Höhen. Hier wird auch derjenige, der nur für reizvollere Naturschönheiten ein Interesse hat, sich freuen an der lieblichen Anmut des Tales, an dem grünen Schmuck seiner Wände, an dem glänzenden Silber des Bäch leins. Derjenige aber, der auch für die stillere Anmut der Gotteswelt ein empfängliches Herz besitzt, wird wahre Herzens freude empfinden. Eine halbe Stunde im Süden von der Stadt erhebt sich der sagenreiche Stromberg. Ihn muß jeder, der nach Weißen berg kommt und daselbst Aufenthalt nimmt, besuchen. Er bildet die höchste Erhebung in dem sich allmählich verflachen- den Wellenlande und gewährt daher einen freien, fast un begrenzten Blick auf die Heide hin, die im Norden der Stadt sich dehnt, weit, unendlich weit, bis sie sich in dem eigenartigen Dämmer der Ferne verliert und in den Himmel überzugehen scheint. Da liegen sie vor uns in lieblichem Wechsel der Acker und Triften, die Kiefernwälder und die niederen Gehölzstreifen, die Dörfer und Teiche. Das Auge gleitet darüber hin, sich freuend an der stillen Schönheit, an den schüchternen Reizen der Heide. — 3a, das ist ein Ausblick vom Stromberge, der auch den bewegen muß, der sonst wohl ein Herz von Stein in seiner Brust trägt und wenig empfänglich ist für die intime Schönheit einer Landschaft. Ich kann nie am Stromberge vorübergehen, ohne ihn zu besuchen. — Aber der Stromberg bietet noch mehr als eine prachtvolle Rundsicht. Wer ihn be steigt, betritt, wie der ehemalige Rektor Rudolph Richter von Weißenberg sich ausdrückte, „altklassischen Boden". Und er hat recht; denn der Stromberg ist in geologischer und archäo- logischer Beziehung ein hochinteressanter Berg, der den frühe- ren Bewohnern der Weißenberg« Gegend als Kultusstätte und Versammlungsort diente, ganz wahrscheinlich auch als Wohnplatz und zwar, nach den gemachten Funden schließend, der slawischen Bevölkerung, wie Herr Lehrer Hermann Schmidt- Löbau, ein bedeutender Archäologe, schreibt, der fleißig For schungen auf dem Stromberge unternahm und 1900 im „Gebirgsfreund", Nr. 7—9, eine lehrreiche Abhandlung oer- öffentlichte: „Die Schlackenwälle auf dem Stromberge und auf dem Löbauer Berge". Er sagt da u. a.. Der aus Basalt auf- gebaute Stromberg bei Weißenberg zog unzweifelhaft wegen seiner freien Lage und kegelförmig sich erhebenden Gestalt und weiten Aussicht bereits die Blicke der ersten Bewohner der Gegend auf sich und wurde deshalb wohl zeitig zu ihren Zwecken benutzt. Der Name Stromberg ist jedenfalls slawi- schen Stammes und kommt her von Strmagora, d. i. steiler Berg, was er auch in Wirklichkeit ist. Der Stromberg besitzt zwei Kuppen, von denen die südliche die Gestalt eines von Nord nach Süd sich erstreckenden, 62 m langen und 32 m breiten Ovales hat. Auf dieser Kuppe befindet sich der Schlackenwall, der das Oval im Süden, Westen und Norden abschließt. Jedenfalls sollte der Schlackenwall der als Wohn platz benutzten Kuppe des Stromberges zum Schutze gegen wilde Tiere und gegen feindliche Angriffe dienen. Die Über lieferung will wissen, daß einst auf dem Stromberge auch eine Burg gestanden habe. Große Schätze wären hier oben zu finden. Nach Meinung der Geologen sei der Stromberg einst ein Vulkan gewesen; eine große, trichterförmige Vertiefung wird für den ehemaligen Krater gehalten. Viele der bei For- schlingen gemachten Funde sind dem Löbauer Stadtmuseum einverleibt worden. Die Anwohner wissen so manches oom Stromberge zu erzählen, was sich hier oben zugetragen haben soll. Furchtsame meiden den Berg, in dessen Innern zeitweilig donnerartige Geräusche zu hören sind. Die Skala und der Stromberg sind aber nicht die einzi gen intereffanten Punkte, die von Weißenberg aus besucht werden sollten. Der Naturfreund, der sich hier einmal länger aufhalten sollte, wird gar bald noch andere reizvolle Fleckchen entdecken, wie z. B. Gröditz mit seinem stattlichen Schlöffe, Kötitz mit seiner malerisch gelegenen Kirche u. a. m. Uber Weißenberg sind so manche schwere Schicksale gekommen. Trotz seiner Lage abseits von den großen Verkehrsstraßen des Landes hat es in Kriegszeiten viel leiden müssen. 1643 wurde die Stadt von den im nahen Malschwitz einquartierten Schweden in Brand gesteckt, und es blieben damals nur die Kirche und etliche Häuser erhalten. Zur Erinnerung daran wurde lange Zeit in Weißenberg alljährlich vor Ostern ein Brandfest gefeiert. 3m Nordischen Kriege nahmen schwedische Dragoner einige Tage Quartier in Weißenberg. 3m 7 jährigen Kriege stand im Oktober 1758 das Korps des preußischen Generals Retzow in und bei Weißenberg. Während des Bayrischen Erbfolgekrieges brandschatzten 1778 die Kaiserlichen die Stadt. 1813 wurde Weißenberg wiederholt geplündert. Man schätzt die Zahl der Krieger, die 1813 im Lause der Zeit durch Weißenberg zogen und z. T. auch hier einquartiert waren, auf rund 250000 Mann. Ein Schreckenstag für Weißenberg war der 4. Juli 1787. Früh um 1 Uhr brach in dem Wohnhause von Schulzke durch Verwahrlosung Feuer aus, dem in kurzer Zett 62 Wohn gebäude, fast der ganze obere Teil der Stadt, zum Opfer fielen. Erhalten blieben aber die Kirche, das Pfarrhaus und die Schule. ' Das Rathaus jedoch wurde ein Raub der Flammen und da bei gingen die alten Akten und Archive mit verloren, die uns über die Geschichte Weißenbergs so manchen Ausschluß hätten geben können. Die Not war groß, hatten doch die meisten Bewohner nur wenig oder auch gar nichts retten können. Aber von allen Seilen flössen den Abgebrannten milde Gaben zu. An barem Gelbe allein wurden 2738 Tlr. 9 Gr. 4 Pfg. gesammelt, eine Summe, die in damaliger Zeit groß war. Bei jenem furchtbaren Schadenfeuer verbrannte ein junger Mensch, Gottlob Schulzke, der die vorhergehende Nacht vom 2. zum 3. Juli wenig geschlafen hatte, und nun in der Nacht des Schreckens so fest schlief, daß ihn auch der Feuerlärm nicht aufgeweckt hatte. Als man an ihn dachte, war es be reits zu spät.**) *) Dr. G. Oertel: „Bilder sächs. Städte", Leipziger Ztg. 1889. **) Dgl. „Sächs. Ktrchengalertr" 1838. Bd. „Dir Oderlausitz" S. 163. Wandervögel Zm s-g-nsatz hierzu erscheint in der joigenden Ausgabe da» Gedicht „Wandersiegel- Frank und frei, mit frischem Mut zieh'n sie in die Weits, Burschen, Mädels, junges Mut, Sang ist ihr Geleite. Hell, am blauen Himmelszelt strahlt die Morgenjonne, Wandern in die Gotteswelt, welche Lust und Wonne I Mit dem Duckjack angetan, schlicht im Wanderklside, wenig Geld, — bergab, bergan, gehts durch Wald und Heide.