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32 Vberlaufltzer Helmalzettung Nr. 3 erbitten wollen, junge Frauen und Mädchen, um Gnade für ihr mütterliches Amt flehend. In langen Reihen baumeln große und kleine gelbe Kerzen an den Buden und die Zahl der anderen kleinen Jesus- und Muttergottes-Andenken ist schier unübersehbar. Magisch beleuchtet und verklärt, schaut so manches Porzellan-Kruzifix in die flackernde Kerze, über der sich die Budenfrau die etsigkalten Hände reibt, ständig den Strom der Fremden beobachtend und lockend: „Andenken gefällig?" Man scheint den Glauben hier am Gesicht zu erkennen, denn manchen Einheimischen läßt sie unbeachtet vorbei. Die Kerzen verbrennen, doch der Winterhimmel zündet neue an. Und während fromme Pilger bei Gebet und Beichte unab- lässig die ganze Nacht im warmen Gotteshaus um ihr Seelen heil ringen, füllen sich drüben die Gast- und Kaffeehäuser mit frierenden und hungrigen und durstigen Fremden, die beim Ver löschen der letzten Kerzen wieder der Grenze zuschreite». Ein jeder aber trägt im Herzen ein Stück Heimat mit in seine Hütte, welches ihm die Tage der Arbeit erhellt, und das ist auch ein großer Segen des Scheins der Kerzen von Filippsdorf. Nachtwanderung Blsichjilberwsisssr Mondenjchsin schwebt durch des Waldes Dunkel Und durch der Tannen Mpselschar dringt schwaches Sterngesunkel. Ganz leise durch dis Kronen wallt des Windhauchs mildes Wehen, Der Wildbach fern im Abgrund rauscht, ich kann ihn heut verstehen: Ls ist ein ewig trautes Lied voll tiefer Melodien, Lin Mahnen der Unendlichkeit, durch die dis Weiten ziehen. — Tiefernstes Schweigen überall im Hochgebirge droben; Das Her; wird weit, dis Seele voll, der Geist emxorgehoben. löm Wanderjchritt knirscht Sand und Stein, bald dämpst ihn weiches Lin Friede durch das ganze webt, ein Sehnen uferlos! — fMoos: Das Käuzchen in der Ferns ruft, im Gsten dämmsrts leise, Gcanitns Blöcke zeigen sich, der Tau tropst seine Weiss. Der Kuckuck ruft und Heller wird's, die Vöglein zwitschern munter. Schon Knieholz säumt den schmalen Weg; der Mond geht eben unter. Dlutgoldig zucken erste Strahlen von serne durch das Firmament — Und immer größer wächst dis Sonne: Morgenrot ins Her; auch brennt. Du stehst bereits am Aiejsnkamms, dis Gesls voll sich trinkt. Durch leichte Nebelschleier dort Schneekopps das Nugs zwingt. Verwachsen möchtest Du mit ihr, jetzt und in alle Seit. Erinnerung an Wsihsjtunden, dis bleibt für Ewigkeit. L. K. Das Urnenfeld von Weinböhla Von O. Wehner, Weinböhla Motto: Friedhöfe sind die Tafeln der Menschheitsgeschichte. Inmitten der sonnigen Elbaue, die sich an Sachsens Haupt strom von Kötzschenbroda bis zur Markgrafenstadl Meißen er- streckt, liegt an sanft ansteigender Berglehne gleich einer lieb lichen Gartenstadt, umsäumt von Wiesen, Feldern und dvnklen Waldstreifen der auslaufenden Lößnitzer Höhen, d er Luftkurort Weinböhla. Geschützt vor den rauhen Nord-und Ostwinden, erfreut er sich eines überaus milden Klimas, das selbst den strengen Winter zwingt, hier mit schonender Hand sein Regi ment zu führen. Was Wunder daher, wenn sich auf diesem lieblichen Fleckchen Erde angesiedelt hat, wer reine, würzige Landluft liebt und die Reize einer unverfälschten Natur zu schätzen weiß, ohne die Nähe der Großstadt entbehren zu müssen! Was Wunder auch, wenn sich das ehedem kleine Bauern dörfchen mit Behagen dehnte und weitete, immer neue schmucke Landhäuser mit wohlgepflegten Gärten hervorzauberte und seine Einwohnerzahl im Laufe von 30 Jahren trotz aller schmerzlichen Kriegsnachwehen sich vervierfachte! Ob sich wohl dieser gesegnete Landstreifen in grauer Dor- zeit derselben klimatischen Vorzüge erfreuen durfte? Fast sollte man es glauben. Denn als sich die jüngere Steinzeit um 2200 o. Eh. ihrem Ende zuneigte und um 1700 o. CH. die mittlere Bronzezeit in unserer Heimat einsetzte, Wohnte am Südrande des Dorfes in primitiven Wohngruben, -von plum- pen Hütten überdacht, in dichter Siedlung das „Volk der großen Urnenfelder". Nicht waren es die Sorben, nicht die Germanen, wie gemeinhin angenommen wird, sondern nach neuer wissenschaftlicher Forschung die noch heute in den Alba nesen sortlebenden Illyrier. Sie bildeten hier die Nord westmark gegen Kelten und Germanen, die westlich der Saale bez. im mittleren Norddeutschland sich niedergelassen hatten. Ein Zufall hat urplötzlich das Augenmerk ÄZeinböhlas und der Wissenschaft auf die graue Vorzeit des friedlichen Dörf. chens gelenkt und seinen Namen mit einem Schlage durch alle deutschen Gaue getragen. Nachdem vor Jahrzehnten bereits einmal der zu jener Zeit hier amtierende Lehrer Gustav Adolf Wünschittel aus eigenem Interesse an vorgeschichtlichen Funden den Boden durchforscht hatte, ohne damit die Anteilnahme weiterer Kreise erwecken zu können, und — korribiie 6ictu — zufällig ge fundene drettausendjährige Tonkrüge von ihren Findern als Wasserkrüge im Haushalte verwendet wurden, brachte neuer- dings ein Schulknabe eine schöne, große Urne, mit Resten von Menschenknochen augefüllt, zur Schule. Sein Vater hatte sie beim Bestellen seines Feldes gefunden und wollte sie in löb- licher Gesinnung der Schule stiften. Diese setzte sofort das Museum für Mineralogie und vorgeschichtliche Funde zu Dresden in Kenntnis, woraus Herr Dr. Georg Bi er bäum, eine Autorität auf dem Gebiete prähistorischer Forschung, mit Unter- stützung der Gemeindeverwaltung sofort umfangreiche Aus- grabungen vornahm. In rastloser, überaus gewissenhafter und geduldiger Arbeit hat der Gelehrte in den Monaten Oktober und November 1925, vom Wetter besonders begünstigt, weit über 40 Gräber freigelegt, ohne damit seine Arbeit abschließen zu können. Die Grabstätten gehören der sogenannten Lausitzer Kultur an. Es sind Brandgräber ohne sichtbare Hügel, etwa 20 bis 25 Zentimeter unter dem Erdboden gelegen und zu einem weit ausgedehnten Urnenfelde vereinigt, das sich am Südrande des Dorfes in einem langen Streifen inmitten von Feldern von West nach Ost hinzieht. Es kennzeichnet eine Periode dichter Besiedlung dieser Gegend und einer zweifellos volkreichen Dorfstätte, die lange Zeit hindurch bewohnt war und ihre Toten immer auf demselben Friedhof begrub. Unter der aufgefundenen, überaus zahlreichen lederbraunen Keramik mit geglätteter Oberfläche sind neben dickbauchigen und doppel- konischen Urnen breite Schüsseln, weitmundige Taffen, Henkel- und henkellose Krüge und zierliches Kleingeschirr zu nennen. Die Profilierung aller dieser Gesäße weist im Gegensatz zur Keramik der älteren Bronzezeit eine weiche, gerundete Form auf. Die Metallsunde waren bisher gering. Sie beschränkten sich aus einige Ringe und Bronzenadeln. Wer zum ersten Male solchen Ausgrabungen zuschaut, er- lebt im gewissen Sinne eine Enttäuschung. Sicherlich hat er sie sich ganz anders vorgestellt. Mit flachen Schaufeln wird zu nächst die Ackerkrume abgehoben. Dann wird mit einem kleinen, spachtelartigen Handspaten das Erdreich vorsichtig, oft stunden- lang abgeschabt, bis sich — sofern einem das Glück hold ist — allmählich der obere Rand einer Urne zeigt, oder bis man auf eine „Steinsetzung" stößt. Nun werden Urnen, Beigefötze, Mal- steine, Scherben, Knochenreste u. a. m. mit Wurzeldürsten sorg fältig vom Erdreich gesäubert, bis das ganze Grab in seiner ursprünglichen Gestalt bloßgelegt worden ist und gemessen, skizziert, gebucht und photographiert werden kann. Also nichts Besonderes! Nichts Welterschütterndes! Wer aber in den Urnen mehr sieht als bloße Tongefäße, im Leichenbrand mehr als bloße Reste menschlicher Knochen, in den Bronzenadeln und Ringen und in den amulettartigen Anhängern mehr als bloße Schmuckstücke, dem tut sich im Geiste eine neue Welt mit einer mehrere tausend Jahre alten Kultur auf, und in Ehrfurcht empfindet er, daß der Boden, aus dem er steht, ein heiliges Land ist. Seine Phantasie ist leicht geneigt, in kühnem Fluge über die Nüchternheit der wissenschaftlichen Forschung empor- zusteigen und sich ein Bild vorzuzaubern von dem Leben und Treiben jener Naturmenschen, die als Weinböhlas Ureinwohner anzusehen sind.