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Des Alten so schon weiches Gemiit zerfloß wie Butter an heißer Sonne. „Nu nee, wörklch nö." „Ond ötze wollter miech en Stich lossn?" „Nu aber, nee nee. Iech weeß ock nö, woarömds goar su ängstlich host." Da stieg wieder ein trockenes Schluchzen aus des Mädchens Kehle. „Weilch sonst 'n Krauttonl heiroatn muß." Ob ihr jetzt etwa wieder ein Batzen Dreck in die Augen gekommen sei, dachte der Oheim und erwiderte: „Nu ja, nu nee, iech war sahn, woss ch machn koan." Aber Ruth schüttelte den Kopf. „Nee, su giehts nö. Mit Euern gutn Wölln alleen ös mr ne gdient. Hot a denn schonn een ofn Gicker?" Der Alte räusperte sich umständlich. Wie fatal ihm doch diese Frage war. Er wußte, der Bruder wollte nicht, daß man von seinen Absichten voraus sprach. Aber das Mädel wollte doch nun einmal eine Antwort haben. Daß man ja auch Ausflüchte machen, lügen könne, fiel dem guten, ehrlichen Manne nicht ein. „Ommer raus miter Wuhrheet!" drängte Ruth. Da gestand Eduard, was er wußte. „A Hot amo woas verlautn lossn vo dr Zickl-Witfrau e Hennerschdorf." Ruth überlegte eine Weile. Mit der Zickl-Witfrau war die verwitwete Frau Zickler gemeint, die auf einem schönen Gutshofe saß. „Kennt a sö denn?" fragte sie dann. Eduards Kopf schüttelte stärker als je, eine Folge seiner inneren Aufregung. Wenn doch das Mädchen bald aufgehört hätte zu fragen! Er saß wie auf Nadeln. Wenn auch der Bruder August keine mitteilsame Natur war, so hatte er ihm doch gesprächsweise hin und wieder einen kleinen Einblick in sein Vorhaben tun lassen. Und jetzt sollte er nun zum Judas werden. Das kam ihm schwer an. Doch er hatte A gesagt und mußte darum auch B sagen. „Sie nö, abersch Gutt", erklärte er der aufmerksamen Hörerin. „A hotch's schonn amo oagsahn, wie se nö dr- heem woar." Dem Mädchen war eine Idee gekommen. „Du, dan missn wer an ganz annere ofn Hoals hetzn," fuhr sie plötzlich auf, „an rajcht ahln biesn Drachn." Eduard mußte lachen. Was für Dinge so ein Mädchen kopf doch ersann! Und noch immer lachend sagte er: „Nee, iber Diech ober oh! Do muß'ch glei oa die ahl Foasldn e Diemdorf denkn." Ruth schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch, daß der Alte erschrocken zusammenfuhr. Dann sprang sie aus und rief ganz begeistert: „Ötz hoammersch. Die ahl Foasldn muß har." „Nu ja, nu nee," erwiderte Eduard und wiegte be dächtig den Kopf, daß er die schlingernde Bewegung eines Schiffes bekam, „wie sölln mer denn doas oadriähn?" „Doas wammer schonn sahn." Ruth wollte getröstet mit dieser Aussicht dem Hause zugehen, als sie plötzlich den Kllhjungen gewahrte, der neugierig um die hohe Holzfeime in der Hofecke lugte. Einen, zwei, drei Sprünge, und sie hatte ihn beim Kragen. „Mußt Du iberoal Dein dreckche Gusch neihäng? Iech war Dr glei Been machn." Der Junge hätte ja viel zu gern Gebrauch von seinen Beinen gemacht, wenn ihn nicht die starke Hand des Mädchens hin- und hergebeutelt hätte, daß ihm Hören und Sehen verging. „Iech hoa ju goar nischt verstann", heulte er ängst lich auf. Endlich war der ausqleichenden Gerechtigkeit Genüge geschehen, und Ruth verschwand im Hause, während Fritz hinter ihr drein die Zunge heraussteckte und sich schleu nigst wieder aus dem Hofe trollte. 4. Kapitel. Von einem, der sich die Finger nicht verbren nen will, es aber doch tut,und zwei Gespräche, in denen Menschenkinder mit allerhand Ge tier verwechselt werden. Am Nachmittage des gleichen Tages war es. Der Mittag war bei wortkarger Stimmung vergangen. Das Gesinde hatte ja auch schon heute reichlich erfahren, daß Gewitterneigung vorhanden war und blieb still und ein silbig während des Mahles. Dem Bauer war das aber auch nicht recht gewesen Darum hatte er die Faust auf den Tisch geschlagen und geschrien, ob das eine Leichenmahlzeit sei. Und der vor witzige Kllhjunge hatte gemeint, freilich wäre sie das, denn das Schwein, von dem sie soeben äßen, sei schon vor Wochen eines gewaltsamen Todes gestorben. Da war ein Gekicher um den Tisch gegangen. Der Vor witzige aber hätte sicher sofort wieder eine Ohrfeige weg gehabt, wenn ihn nicht die ganze Breite des Tisches ge schützt hätte. Ein Diskur wurde aber nicht ausgenommen. Nach der Mahlzeit machte August Rieger wie immer am Sonntag sein Mittagsschläfchen. Da war nun wieder etwas wie Frohsinn eingekehrt, wenigstens unter dem Gesinde, dem es vorläufig noch gleichgültig sein konnte, ob der Bauer heiratete oder nicht. Es war ein heißer Nachmittag. In den Stuben des Riegergutes schwirrten die Fliegen. Der Bauer lies in der guten Stube im Oberstock mit der Fliegenklatsche umher und glaubte, sie mit Stumpf und Stiel ausrotten zu können. Aber bald gab er es auf. Mochte der Teufel wissen, wo sie herkamen? Die Fenster hatte er alle geschlossen, sodaß eine drückende Schwüle in dem Raume lagerte. Da näherte sich dem Gute ein ungleiches Paar. Quer über die Felder kam es auf einem schmalen Raine daher. Ein Mann von fünfzig Jahren, hoch und hager, und an seiner Seite eine kleine Kugel von gewaltigem Umfange, eine Frau. Es war der Krautbauer mit seiner Ehehälfte, besser gesagt und rechnerisch richtiger ausgedrückt, mit seinem Ehedreiviertel. Der Bauer hatte bei aller Hagerkeit ein phlegmati sches Gesicht, dem man es ansah, daß er nicht aus der Ruhe zu bringen war. Die Tabakspfeife hing ihm im Munde. Die Hände trug er auf dem Rücken ineinander gelegt. Seine Haltung war etwas gebückt. Das kam daher, daß seiner hochgewachscnen Gestalt die Handhaben des Pfluges zu niedrig waren und von ihm verlangten, daß er sich bet seiner Arbeit mehr bücke als sonst einer. Das hatte die Haltung seines Körpers allmählich beein flußt. Aus seinem faltigen, glattrasierten Gesichte schau- ten ein paar gleichgültige Äugen, über die gewöhnlich die Lider halb gesenkt waren. (F.risrtzuna solgt.)