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Der Heiratsteufel Ein lustiger Roman aus der Oberlausitz von Richard Blasius 3s (Fortsetzung) Sie war nun einmal der verkörperte Widerspruchsgeist. Hätte der Vater geflucht und gewettert, daß der Adam ihm ein Greuel sei, wäre es anders gewesen. Dann hätte sie sicher dem Burschen gezeigt, daß er ihr angenehm sei. Aber so biß sie sich fest ein in einen vermeintlichen Groll gegen den Adam. Und sie sagte sich, ein so forscher Kerl sei er auch gar nicht, wie man überall in der Umgegend annehme. Er hätte sie sonst längst beim Schopf genommen und gesagt, daß er nur sie und keine andere wolle. Was machte er stets große Bogen um sie und starrte sie doch auch wieder an, wenn er meinte, sie gewahre es nicht? Ruth schlug die Faust krachend auf den Tisch. „Woas koan iech drfir, doß'ch'n retchn Riegerbauer sein Eenzge bien," brummte sie vor sich hin, „iech hoa mer be dr Boadmotter 'n Riegerhof ne bstahlt." Dann sah sie wieder in Gedanken versunken vor sich hin, zuckte ober plötzlich zusammen. Ihre vorigen Worte kamen ihr wieder zum Bewußtsein. Herr des Himmels, was hatte sie denn da in ihrer Wut wieder einmal hinausgeplärrt? Wenn jetzt der Vater wirklich heiratete, mußte sie ja die alte Krautscheuche, den Toni, heiraten. Sie hatte es gesagt. Und gesagt war gesagt. Ihr Starr sinn hätte es nie gelitten, das einmal Gesagte zu wider rufen. Ihre Eitelkeit wäre auf das Empfindlichste ver letzt gewesen, wenn sie feige zurückgewichen wäre, nach dem sie erst den großen Mund gehabt hatte. Aber eins nahm sie sich vor, heiratete der Vater, sodaß sie also den Toni nehmen mußte, so wollte sie wenigstens auch eine Genugtuung haben. Und die sollte darin bestehen, daß dem Krautbauer-Tonl die Ehe zur Hölle werden würde. 3. Kapitel. Bon einem bösen Drachen, der auf das Riegergut losgelassen werden soll. kamen langsame Schritte über die Steinfliesen vor dem Hause und bogen zur Hofmitte hinüber. Ein weißhaariger Alter, dessen Rücken schon etwas krumm gezogen war, trat zu Ruth. Die Schritte waren unsicher und schlürfend. Der Kopf schüttelte immer leise hin und her. Eine Nervenkrankheit hastete dem Manne schon seit seiner frühen Jugend an. Die gleichgültige Grausamkeit der Dörfler hatte ihm den Namen „Schüttelkopf" gegeben. Es war August Riegers älterer Bruder Eduard, der sein Ausgedinge auf dem Gute hatte und infolge seiner schwächlichen Körperlichkeit und seiner Krankheit nicht zu der Arbeit des Landmannes taugte. Er machte sich allerdings mit einiger Bastelei in Haus und Hof nützlich und gehörte eben zum lebenden Inventar des Gutes. Die Brüder vertrugen sich gut, denn das Riegergut hätte mehr als einem Kostgänger das Gnadenbrot gewähren können, ohne daß man es gemerkt hätte. Jetzt sah Eduard seine Bruderslochter sitzen und näherte sich leise. Erst als er ihr die Hand aus den Rücken legte und sie zusammenzuckte, wurde sie ihn gewahr. Er hüstelte leise, wie es immer seine Art war, und fragte mit zittriger Stimme: „Nu, Majdl, soi mr ock, woas össn heute amo wieder be ons lus. Dr Auaust zoigt an Störn wie a ahler Koapphoahn. Ond Du sötzt do ond nootschst?" Ruth fuhr sich schnell über die geröteten Augen. „Iech noatschn?" rief sie schnell und zwang sich zu einem Lachen. „Dreck ös mr ed Augn komm." „Iasu, jasu," erwiderte der Onkel mit ungläubigen Mienen. Er hatte doch ganz deutlich gesehen, wie sie der Bock gestoben hatte. Umständlich nahm er neben dem Mädchen Platz. Ruth legte ihm den Arm um die Schulter. „Edward, Jähr mißt mer halfn. Jähr sedd ju dr Enzqe, zo dan'ch Zutraun hoa." Eduard brummle verwundert: „Nu ja, nu nee, woas össn lus?" „Dr Boater will heiroatn", kam es schwer von des Mädchens Lippen. Eduard trommelte mit den Fingernägeln auf die Tischplatte. Sein Kopf begann stärker zu schütteln. Gleichmütig meinte er: „Wetzt doas heut orschr. Do giehts schonn lang dröm." Ruth maß ihn mit erstaunten Blicken. „Ond do hoatter mär nischt gsoit?" „Su woas derfährt ees ömmer no zeitg gnung, ond wenns orscht zon Polterobd wär. Aber woaröm soll a nö heiroatn? A ös no röstg ond koan no gutt an Manl Iuhr labn." Ruth biß sich auf die Lippen. „Jähr sedd oh of senner Seit?" Der Alte wußte nicht recht, was er sagen sollte. „Nu ja, nu nee," sagte er verlegen, „iech meen ock su." „Edward, a doarf ne heiroatn", begehrte das Mädchen herrisch auf. „A wörd ock kenn Mentschn örscht froin", erwiderte Eduard. „En Mentschn wörd a wu froin missn." „Wan ock?" Ruth antwortete schnippisch: „Die a'ch nahm will." Aber sofort erhielt ihre Stimme einen herzlichen, bitten den Klang, als sie fortfuhr: „Aber iech soi, a doarf nö. Ond Jähr mißt mr halfn, doß nischt draus wörd." Der alte Oheim zog ein Gesicht, als habe man von ihm etwas verlangt, von dem er genau wußte, daß es über seine Kräfte ging. Er kratzte sich verlegen hinter den Ohren und sagte endlich beschwichtigend: „Nu ja, nu nee, woaröm böstn goar su sehr dergegn? 's Gutt bleibt doach dein, wenn glei a paar kleen Wörglch oa- komm selltn. Ömmer lossn dan Spoaß." Da rückte das Mädchen näher an den Alten und zeigte, daß ihr trotz aller Kratzbürstigkeit auch das Erbteil aller Evastöchter nicht fehlte, die Gabe liebkosender Schmeichelei. Sie lehnte ihren Blondkopf an des Oheims Schulter und sagte flüsternd: „Edward, hoa iech Euch schonn amol a dieses Wurt gsoit? De Leut sprechn, iech hält a dieses Maul. Aber die oalberne Band weeß ju goar nö, woas se ustöschn soll. Oaffn seins oallminanner. Edward, könnt Iährch iber miech bschwern?"