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lich behandelt worden, da man damals noch kein großes Ge- wicht auf diese Urkunden legte, oder aus Geldmangel ihre Bearbeitung örtlicher Prioatarbeit überließ. Im 30-jährigen Krieg, im 7-jährigen Krieg und den Stürmen des Befreiungskrieges sind so viele Pfarrarchive ein Raub der Flammen geworden, daß gerade die Denkmal inschriften eine willkommene Ergänzung schmerzlich empfundener Lücken für den Heimatforscher sind. Möchten namentlich die Schulen sich um die Hebung dieser Inschriftenschätze kümmern. In Verbindung mit dem Skizzier- und Zeichenunterricht und kunstgeschichtlichen Studien wird hier manche Heimaterkenntnis erarbeitet werden können. Bor dem Kriege brachte ein für Kunstgewerbe und Bauschulen ausgeschriebener Wettbewerb jährlich reiche Beute an versteckten und vergessenen Schätzen der Grabmalkunst. Sollte dieser edle Wettkampf, der das Heranwachsende Geschlecht auf den Wert und die Notwendigkeit des Heimatschutzes und der Denkmalpflege hinwies, ganz ein geschlafen sein? Selbst wenn schon alle Denkmäler aufgemessen, gezeichnet und im Lichtbild festgehallen wären, die Überreste astheimischer Kultur müssen immer wieder neu erarbeitet werden, Heimatliebe und Heimatfreude stets neu errungen werden. Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen! Laßt uns also die steinernen Urkunden, die uns unsere Vorfahren als Heimatbücher hinterlassen haben, schützen wie die Heimat selbst! In fast jeder alten Friedhofsmauer stecken »och Steine, die uns vom Leben eines unserer Vorfahren erzählen können. Ein römisches oder lateinisches Sprichwort sagt: Die Steine reden. Aber sie erzählen nur dem etwas, der sich um ihre Sprache bemüht. Darum: Friedhofswanderer, stehe still und lies aus diesen alten, verwitterten Urkundenbüchern. Aber denk auch daran, daß die, die nach Dir kommen, diese Freude und Belehrung haben sollen: Hilf also, die alten Grabdenk mäler der Nachwelt zu erhalten! Herbstgedanken Karl Sude, Weika Oer Berbftvvind stöknt, und scbüttelt mit Bexvatt die letzten, welken Blätter von den Bäumen, einst lsbenstrok, und jetzt so stumm und kalt, weckt sie der Bord aus ikren Sommerträumen. O scköner, wonnetrunkner Mai, du kamst und gingst so scknell vorbei. Wo jüngst nocb wogt ein golden Bkrenmeer, La träumen müd' die nackten Bckerscbollen, darüber graut der Bimmel, regenscbwer, und weint dem Sommer nacb, dem freudevollen. Wokin ist deins Blütenprackt? Verwelkt in einer scbwarzen Nackt. — Linst klang im Strauck ein Keller Vogellaut, die Backstelz' Küpite über Wies' und Sraben, die Lercks stieg so Kock der Bimmel blaut, jetzt kräckzen in dem öden Srau dis Naben. Vie Blumen gekn, der Sänger ziekt, ibn lockt der blütenreicbe Süd. vis Wiese träumt in der Novembernackt von glücklicken, versonnten Sommerstunden, von Nnemonen, Maienglöckcksnprackt, vom Berz, das sick im Blütendust gefunden. Wo trauerst du, o sütze Maid, du goldnes Lieb, du goldns Zett? In einem dunklen Winkel, wett entrückt, da träumt mein Lieb und siebt den Bimmel offen, sie träumt vom Kutz, der sie im Mai beglückt, sie läckett mild und sprickt vom §rüklingkokfen. O koste; denn nack Wintsrnackt sckeint Sonne und lockt vlütenprackt. tzeidewanderung! Beim Klang dieses Wortes drängt sich jedem ab- EMG gehetzten Zeiimenschen das Bild friedlicher Ruhe, un- endlicher Einsamkeit auf. Auch mich lockte ihre herbe Schönheit, ohne daß ich lange Zeit Gelegenheit fand, sie zu durchwandern. Endlich sollte meinem Sehnen Erfüllung werden. Nicht die bekannte und vielleicht noch packendere Lüneburger Heide ließ mich in ihre Geheimnisse eindringen, nein, die ganz in der Nähe liegende Kohlfurter Heide war das Ziel meiner Nachmittagswanderung. Drohende Gewitter wolken versuchten mich in meinem Vorhaben wankend zu machen. Doch das lockende Unbekannte war mächtiger. Mein Ausharren wurde denn auch belohnt. Einige Regenschauer löschten den Staub, einige dunkle Wolken erhöhten den Reiz der düstern Landschaft. In einstündigem Marsch passierte ich das Dorf Kohlfurt, ging an einsamen Häuschen vorbei, ließ schnatternde Gänse lange Hälse machen, gaffende Kinder un beachtet und erreichte endlich sandige Heidewege. Mir zur Seite, ich darf es wohl verraten, ein lieber Freund, der den Fremdling führte, ihm die Heimat erschließen wollte. Voller Staunen nimmt das Auge die mächtigen Kiesern wahr, folgt dem tändelnden Spiel der die Straße einsäumenden Birken, schweift über grünende Wiesen und Raine, liebkost die in Millionen blühende Erika. Wie fein und zierlich sind diese Blümchen, welche Pracht entfalten sie auch! Wie sonnige Kinder kauern sie zu den Füßen der ernsten Waldriesen, schmeicheln und schmiegen sich ins dichte weiche Bett des Mooses und lugen hier gleich neckischen Kobolden zu uns Wanderern herüber. Zu unser Wanderung gesellte sich alsbald eine nette Gesellschafterin. Unsere Be gleiterin brach mir dustenden Rosmarin, ohne die tiefe Be deutung dieses Heidebewohners, die ihr der Boldsmund bei legt, zu kennen. Heißt es doch, daß dies das Zeichen sei, daß der Liebe zweier Menschenkinder kein Hindernis mehr im Wege stehe. Auch mir ward erst später Künde dieser Bolksmeinung. Ein braunes Zigeunermädchen kreuzt unfern Pfad; präch tiges Schwarzhaar fällt in losen Strähnen über die Stirn, wird mit kurzem Ruck zurückgestrichen. Wunderbar harmoniert ihre Erscheinung mit der sie umgebenden Landschaft. Funkelnde Augen, schneeweiße Zähne erinnern an die gleißende Sonnen- Pracht, die über Feld und Flur flutet, d>e all die leuchtenden Blumenköpfchen in goldig-rotem Schimmer verklärt. Ihr durchlöchertes, nur teilweise geflicktes Kleidchen könnte mit so manchen, vom Sturm geknickten verstümmelten Baum riesen Schritt hasten, wie ihr stolzer freier Gang die ganze Majestät der Heide zum Ausdruck bringt. Nicht weit von unfern Treffen lagert ihre Truppe in der Sorglosigkeit ihrer Rasse. Ein kleiner Dreikäsehoch kommt mit einem riesigen Schlachtmesser auf uns zu, vielleicht um seine „Mammi" zu schützen. Gehorsam folgt er ihrem Zurückrufen, starrt uns ganz verblüffend nach, daß wir so surchtlos an ihm vorübergingen. Vagantenblut! Pulst nicht auch in unfern Adern jenes heiße Sehnen in die Ferne? Sind wir nicht nur zu feige, dem Ruf zu folgen, die ganze künstlich aufgebaute Ordnung unseres Seins zu durchbrechen? Zu träge, wohlbestelste Futtertröge zu verlassen? Bald sehen wir durch die Stämme der Bäume Wasser flächen blinken. Die ersten Seen! Bon niedrigem Gebüsck, Ginster, Binsen und Farnkräutern umsäumt, stehen an ihren Rändern gleich stutzigen Wächtern, einzelne knorrige Kiesern, Wildenten beleben das sonst nur Ruhe atmende Bild. Leuch tende Ebereschen bannen unseren Blick, unser Auge sieht bis her kaum vermißte Vertreter der engeren Heimat, Ulmen, Linden, Kastanien, die sich zusammendrängen, wie in fremder Welt Stehende. So sehr uns dies Bild auch fesselt, die uns auch hier verfolgende Zettsklaverei treibt uns vorwärts, weiter. Abseits vom Wege finden wir ein Jahrhunderte altes, sich breit ausdchnendes Bauernhaus, das allen Neuerungen ge-