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GberlauflherHelmatzettmrg Är. -rs Nicht allgemein ist es bekannt, daß in Pulsnitz auch die Wiege dreier bedeutender Söhne unseres Volkes gestanden hat. Der größte von ihnen ist Ernst Rie 1 schel, der Schöpfer des Wormser Lutherdenkmals und des Schiller- und Goethe- Standbildes in Weimar. Noch steht sein Geburtshaus (es ist heute eine Pfefferküchlerei darin — wie könnt es anders sein in Pulsnitz!). Eine Tafel mit schlichter Inschrift erinnert an die ehrwürdige Stätte. Köstlich ist es, seine Jugend erinnerungen zu lesen, die uns das Leben und Treiben in Pulsnitz vor 100 Jahren vor Augen führen. Wieviel Freuden, aber auch wieviel Not und Entbehrungen wurden ihm hier! Wie strahlte der Achtjährige, wenn der Vater, der BeuUermeister Friedrich Ehregott Rietschel, ihm vom Dres- denerMarkte zwei, dretNürnbergerKupserstiche milbrachte! Ging der Handel gut, dann brachte er ihm ein Stück rote Karminfarbe mit, und der Knabe war aller Seligkeit voll. Wenn aber das Weihnachtssest kam, dann lag er mit ihm über alten Bücherverzeichnissen, und wo bei einem Tiiel stand: „mit illustrierten Kupfern", da sagte er zu seinem Jungen: „Sieh, Ernst, wenn wir das kaufen könnten!" Dazu langte das Geld in dem kleinen Häuslein aus der Badergasse freilich nicht. Dom achten Lebensjahre an muß ten die regelmäßigen Weihnachtsbescheiungen eingestellt werden; das kennzeichnet wohl deutlich die A-mut in Riet- schels Vaterhaus, in dem die Eltern „wenig Freuden und viel Leid erlebt." Draußen aus dem Friedhof ruhen sie. Der große Sohn hat ihnen in Dankbarkeit ihr Bilonis in Stein daraus gesetzt, darunter steht sinnig der sromme Spruch: „Sie waren alle veibe fromm vor Gott und gingen in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig." Auf dem Markte, dicht beim Rathaus mit dem alten Portal und dem wuchtigen Netzgewölbe dahinter, steht sein Bildnis, em Werk des Dresdner Meitzers Kietz, und den Aliarplatz in der Stadtkirche schmückt ein Abguß seiner Pieta. Der andere ist Bartholomäus Ziegenbalg, der Schöpfer der Heidenmission in Indien, der nachher das Neue Testament ins Tamulische übersetzte. Eine Tafel an seinem Geburlshause aus dem Neumarkle preist seinen Namen. Ein Denkmal hat ihm die Stadt noch nicht gesetzt, aber sein Werk ist in den Herzen der Pulsnitzer lebendig; denn noch heute zeigen sie regen Sinn für die Mission. Und der dritte im Gestirn ist Julius Kühn, der Bahn brecher sür die sächsische Landwirtschaft. Sein Geburtshaus ist die Naumannsche Schmiede am Bismarckplatz. Dort wurde er an seinem 80. Geburtstag, am 23. Oktober 1905, mit Ehrungen überhäuft wie sonst wohl selten noch ein Mensch. Was anders noch die Stadt zu zeigen weiß? Da ist die alte Meilensäule aus Augusts des Starken Zeiten. Die alten Wappen darauf und die umständlichen Zeichen und Zahlen im Stein: es dünkt einem, die Postkutsche aus Urgroßvaters Zeiten müßte um die Ecke geholpert kommen. Da sind ver witterte Grabsteine zwischen den Strebepfeilern der Kirche mit frommen, weisen Sprüchen und Namen aus altem, säch sischen Adel: von Bünar, von Hoymv (ja, ja, die schöne Frau des Kammerherrn von Hoymd rrn nahen Ober lichtenau, sie wurde eine Gräfin Cosel!), von Miltitz, von Einsiedel, von Carlowitz, von Schönberg. Und ausjuhrlich dabei steht ihres Lebens Lauf: „Hier ruhet in Golt seelig die Weyland Wohlgeborene Frau Sie hatte das Ver ¬ gnügen, eine Mutter zweyer junger Herren und 3 Fräulein zu werden ... Sie war eine Dame von aechter Frömmig keit, Gütigkeit und Gelassenheit." Der alte Friedhof ist nicht mehr, er war ein „Standesfrtedhof", denn um 1669 hatte Serenissimus zu befehlen geruht, daß dort „nur Geist liche, Schullehrer und Ratsherren und wem es die Herrschaft sonst noch gestatten wollte" begraben werden durften. Denk es waren mächtige Herren, die oben auf dem Schlosse saßen, Friedrich der Große, Zar Alexander von Rußland und Friedrich Wilhelm III. von Preußen waren bei ihnen zu Gaste. Und ihr „Gerücht" hat die Stadt auch. Natürlich, sonst wäre es ja auch keine rechte Kleinstadt. Da hängt im Rat hause ein seltsamer Leuchter: Hirschgeweihe und darüber ein bärtiges Männerbrustbild aus Holz, im Volke „der alte Schlieben" geheißen. Seit Jahrhunderten hängt er schon am selben Ort, niemand wagt daran zu rühren. Denn es geht die Sage, daß es „scheechen" soll, wenn man ihn ent fernen wollte. Das ist die Pfeffefferkuchenstadt. In der Geschichte hat sie sich nicht sonderlich heroorgedrängt. Still, friedlich liegt sie hinten im Lausitzer Land, dort wo es schon in die preu ßische Heide hineingeht, voll Kleinstadtbeschaulichkeit lebte sie ihre Tage und buk — seit Jahrhunderten schon — ihre Pfefferkuchen. Nur uin die Weihnachtszeit, da ist ihr Name wieder in aller Munde. Einst fuhren die Pulsnitzer mit schweren Frachtwagen, voll beladen mit süßer Last, auf die Märkte im Lande. Jetzt rollen die leckeren Kisten mir der Bahn davon. Männer und Frauen kommen in vorweihnacht lichen Tagen von fernher und holen in Kiepen und Körben das Feinste aus der Kuchenküche. Und ein süßes Duften zieht hinter ihnen drein, folgt ihnen in den Wagen des rat ternden Zuges, umdreitet sie, wo sie am Christmarkt die knusprigen Sachen feilhalten, und erfüllt am Weihnachts abend mitTannenduftundLichterglanz dastraulicheZimmer: ein Dust von Honig und Mandeln, wie einst in Kinder tagen .... Weiknacbt Bustav Wolf, Weika Nun ist sie wieder da, die eine frobe Stunde, Vie Karte Männer jung und scbmerzerkakrns Frauen Nils zu Kindern macbt und Nackt vertreibt und Brauen. Nun dringt sie tiek ins Berz, die eine kroke Kunde. Und scbiägi an jedes Okr und gebt von Mund zu Munde: „Lkrist ist geboren beut!" — O kommet, ibn zu scbauen Mit Zosepk und Marie, der reinsten aller Trauen, O kommt und kniet bin und seid getreu dem Bunde! Folgt seinem Kellen Stern, bringt Weibrauck und bringt M^rrken, Bringt euer goldnes Berz und laßt eucb nickt beirren Von eitler Loren Spott! §rok tretet bin zur Krippen. Und mit der Bngel Bkor laßt sprecken eure Lippen: „Frieds auf Lrden weit, Friede den Menscken allen, Frieden der ganzen Welt, Frieden und Woklgskallen!" Nus der Gbsrlausitz Weicha bei Weißenberg. Dem Bautzner Stadtmuseum ist eine bemerkenswerte Stiftung zugefallen. Frau Ritterguts besitzer o. Heynitz auf Weicha bei Weißenberg überwies dem Museum die sogenannte Napoleons st iftung ihres ver storbenen Sohnes, die etwa 600 Gegenstände umfaßt. Sie besteht aus Gemälden, Miniaturen, graphischen Blättern Skulpturen usw. Die Zuwendung erfolgte unter der Voraus- setzung, daß die Stiftung unter dem Namen des Kammerherrn von Heynitz auf Weicha in einem besonderen Zimmer des Museums untergebracht wird, daß die Stadt die notwendigen Tische und Vitrinen zur Verfügung stellt und daß sie auch die Transportkosten sowie die Schenkungssteuer übernimmt. Die städtischen Körperschaften stimmten unter Dank der Annahme dieser Stiftung zu.