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Offizier zu erschießen. Sie mußte aber doch nachgeben und nach Dresden zurückkehren. Die Rückreise des Königs im Dezember 1713 nach Dresden sollte auf Wunsch der Feinde der Gräfin in Be gleitung ihrer Nebenbuhlerinnen geschehen. Um eine Be gegnung mit ihr zu vermeiden, befahl Friedrich August, daß sie Dresden verlassen und sich nach Pillnitz zurückziehen sollte. Den Befehl des Königs getraute sich niemand zu überbringen, bis endlich der Graf Flemming und Herr o. Haxthausen, ein aufrichtiger und treuer Freund der Gräfin Cosel, sich dazu entschloß. Bald darauf traf auch ein Be- fehl aus Warschau ein, die Ehrenwache vor dem Palais der Gräfin einzuziehen, den Pagendienst einzustellen und den Gang von dem Palais nach dem Schlosse schleunigst abzubrechen. Hierauf entschloß sich die Gräfin endlich, das Palais am Taschenberg zu verlassen und das ihr gehörige (Meinholdsche) Haus auf der Moritzstraße in Dresden zu beziehen; aber auch aus diesem Hause wurde sie unter Ge waltandrohung verdrängt, und als der König von Warschau zurückkehrte, begab sie sich am 23. Dezember 1713 auf ihr Gut Pillnitz. Als im Sommer 1714 aus des Königs Wunsch ihre Nebenbuhlerin, die Gräfin o. Dönhoff, nach Dresden kam, wurde der Gräfin Coiel der Befehl zuteil, daß sie ohne ausdrückliche Erlaubnis des Königs Pillnitz nicht verlassen und keinesfalls nach Dresden kommen dürfe. Ihr brief licher Verkehr wurde überwacht: das Oberpostamt in Dres den hatte Anweisung, alle an sie, ihren Kammerdiener Bitt- ger oder ihren Bankier James Mayer gerichteten Schrift stücke zu öffnen und darüber zu berichten. Gegen ihre Verbannung sträubte sich die Gräfin mit der ihr eigenen Energie und Beharrlichkeit und verlangte, um sich verteidigen zu können, gerichtliche Untersuchung Ihrer Angelegenheit, Mitteilung ihrer angeblichen Vergehen und Namhaftmachung ihrer Feinde; sie forderte, „wie eine jede arme Bettelfrau leben zu können, wo sie wolle". Für den Fall, daß man in der Hätte gegen sie zu weit ginge, drohte sie mit der Enthüllung unliebsamer Sachen. Auf höheren Befehl blieben jedoch alle ihre Beschwerden unbe antwortet, und nur durch Mittelspersonen wurde mit ihr verhandelt. Mit diesem Auftrage war zuerst der Geheime Rat v. Watzdorf betraut, dann der Obrist Detlev o. Thiemer und ihr immer bewährter Freund, Herr v. Haxthausen. Nach langen, bis zum Jahre 1716 dauernden Verhand lungen gelang es diesen dreien auch, die Gräfin zu be stimmen, ihre Dresdner Grundstücke an die kurfürstliche Kammer zu übergeben; einen Ring mit dem Bildnis des Königs wünschte sie als teueres Andenken zu behalten, aber trotz all ihrer Bitten mußte sie ihn zurückgeben, und der König verschenkte ihn weiter an die Gräfin v. Dönhoff. Mit Revers vom 6. Juli 1715 nahm die Gräfin Cosel vom Könige freiwillig zärtlich Abschied, blieb jedoch gleich falls ohne Antwort; nur erhielt sie die Zusicherung auf eine Pension von 15000 Talern. Den Wunsch des Königs, daß sie auch Pillnitz verlassen und sich Schloß Bautzen als Wohnung nehmen sollte, lehnte sie jedoch entschieden ab; sie tat vielmehr den für sie verhängnisvollen Schritt, daß sie sich am 12. Dezember 1715 heimlich von Pillnitz ent fernte und nach Berlin flüchtete. Vorher hatte sie in 16 Kisten den größten Teil ihrer Kostbarkeiten dem Hoffaktor Mayer in Dresden und dem ihr befreundeten Juden Pörlhöffter in Teplitz übermittelt. Infolge der großen Bestürzung im Kreise der Gräfin wurde sofort ein Kurier nach Warschau abgesandt, um dem Könige ihre Flucht mitzuteilen. In Berlin lebte sie anfänglich zurückgezogen und ein- fach, später aber gab und besuchte sie größere Gesellschaften. Als die Hofgesellschaft in Dresden sie aus Furcht davor, daß sie am preußischen Hofe mit dem Eheversprechen des Königs Mißbrauch treiben könne, um Herausgabe dieses Dokumentes bat, wies sie alle diese Aufforderungen unter den schärfsten Drohungen zurück. Man versuchte nun dip lomatisch mehr zu erzielen: durch den kurfürstlichen Ge sandten in Berlin, den Grafen v. Manteuffel, wurde im August 1716 dem Könige Friedrich Wilhelm von Preußen eine Denkschrift überreicht, in der die Gräfin Cosel als eine gemeingefährliche Person geschildert wurde, die verhaftet und nach Sachsen ausgeliefert werden müßte. Der König von Preußen erkundigte sich jedoch nach den Verhältnissen und dem gesellschaftlichen Verkehr der in Berlin weilenden Gräfin und antwortete in seiner drastischen Art nach Sach- sen: „in solche Hurengeschichten menge er sich nicht". Im Oktober 1716 begab sich die Gräfin Cosel nach Leipzig zur Messe und wohnte in Halle. Der von ihren Feinden aufgestachelte König Friedrich August schrieb eigen händig an den König von Preußen wegen Auslieferung der Gräfin, und dieser verstand sich schließlich „aus freundnach barlichen Verhältnissen" auch dazu, sie in Halle verhaften zu lassen. Dies geschah am 13. Oktober 1716 durch den Obristen v. Winterfeld. Ihre sämtlichen in Halle und Berlin befindlichen Wertpapiere wurden beschlagnahmt und unter sucht, allein das schriftliche Eheversprechen des Kurfürsten von Sachsen befand sich nicht unter den Dokumenten. Die Gräfin Cosel wurde nun von dem preußischen Obristen v. Winterfeld an der sächsischen Grenze bei Merse burg dem sächsischen Obristen v. Diemar übergeben, der sie mit einem Kommando von 30 Husaren über Leipzig zu nächst nach Nossen brachte. Hier erkrankte die Gräfin be denklich. Nach ihrer Genesung wurde sie von einem starken Kommando am 24. Dezember 1716 von Schloß Nossen nach der Festung Stolpen gebracht, wo sie spät abends ein traf. Hiermit schließt das öffentliche Leben der einst so ein flußreichen Gräfin Cosel ab; eine arme, hilflose Frau, hat sie das ihr zugewiesene Gefängnis vom Heiligen Abend des Jahres 1716, außer zu wenigen kurzen Spaziergängen in die nächste Umgebung, bis zu ihrem Tode nicht wieder verlassen. Auf Schloß Stolpen geistig und körperlich krank ein getroffen, war der Gräfin Cosel sehnlichstes Verlangen, daß ihr treuer Kammerdiener Zalinka, ein junger Pole, ihr als letzte Wohltat eine starke Dosis Gift geben möge, ein Wunsch, der ihr jedoch nicht erfüllt wurde. Ihr Gefolge bestand aus 5 Bediensteten; ihre wenigen mitgebrachten Habseligkeiten ließ sie sich von ihrem Gute Pillnitz bald ergänzen. Ihre Wohnung bestand aus dem ersten und zweiten Obergeschoß des Fürstenhauses mit je fünf ge räumigen Zimmern. Im Erdgeschoß befanden sich Vor- ' ratsräume und die Garnison-Wachtstube. Den Garten am Fuße des Iohannisturmes überließ ihr der Kommandant zur Benutzung. Einen Tag vor dem Eintreffen der Gräfin Cosel war der Hauptmann Heinecken mit der Meldung in Stolpen angekommen, daß er beauftragt sei, die Gräfin besonders zu beaufsichtigen. Er brachte hierfür eine vom Könige selbst aufgesetzte ausführliche Instruktion mit, die der Gefangenen schwere Bedingungen auferlegte. Der Kommandant^der Festung war damals jder Major Johannes Friedrich'von Wehlen, ein aufrichtiger Tröster der armen Frau. Leider