Volltext Seite (XML)
Wenigkeit beteiligt. Wir Zittauer haben es sehr bedauert, daß der letzte Autobus bereits 11,30 Uhr unwiderruflich abging, als gerade die „Fidelitas" beginnen sollte. Für den dritten und letzten Tag war früh je ein Fest- goilesdienst für Erwachsene und für Kinder angesetzt; nach mittags wurde das Heimatfestspiel von Pfarrer Brussig wiederholt. Der recht große Festsaal erwies sich aber wieder um als viel zu klein, sodaß eine dritte Aufführung nachbewilligt werden mußte. Das Gesamturteil über das schöne Doppelfest lauter dahin: die Niederoderwitzer, die die ganze Vorbereitung restlos und (mit Ausnahme der Solisten) auch die Ausführung ausschließlich mit eigenen Kräften bestritten haben, dürfen in jeder Beziehung auf das Geleistete stolz sein! Bruno Reichard. Das Heimatmuseum in Niederoderwitz (Nachklänge zur 200 Iahrfeier) igentlich ist die Überschrift nicht ganz zutreffend; sie müßte lauten: das zukünftige Heimatmuseum. Denn die Zeugen von ehedem, die währenddes Heimat- festes in drei Zimmern des Pfarrhauses ausgestellt waren, und die im Saale des „Deutschen Hauses" gezeigten Aquarelle und Zeichnungen stellen nur den Grundstock des künftigen Museums dar, dessen Einrichtung aber fest ins Auge gefaßt ist. Außerdem waren viele der zum Teil höchst kostbaren Ausstellungsobjekte vorläufig nur als Leih stücke anzusehen; es besteht indessen die begründete Hoffnung, daß die Mehrzahl der letzteren in dieser oder jener Form endgültig dem Museum zugeführt und damit der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird. Sie erfüllen damit ihren Zweck besser, als wenn sie in irgend einem verborgenen Winkel verkümmern oder schließlich gar einmal spurlos aus der Heimat verschwinden. Während der Festtage herrschte in den beiden Ausstellungen ein derartiges Menschengewühl, daß es schlechterdings unmög lich war, auch uur einzelne der teilweise höchst wertvollen Gegen stände mit Muße zu betrachten. Wir nahmen daher mit größter Freude die willkommene Gelegenheit zu einer späteren Sonder- besichtigung wahr, die uns der einstweilige Kustos, Herr Lehrer Hüttig, in liebenswürdiger Weise nebst seiner Führung an bot. Der genannte Herr hat sich übrigens auch um die Auf- stöberung der im ganzen Orte verstreut vorgefundenen Schätze stark bemüht. Die guten Malereien und Zeichnungen, die im „Deutschen Hause" ausgestellt waren, lasten anerkennenswerten guten Willen erkennen, enthalten aber viel Mittelgut, Unfertiges und Un gleichwertiges. Jedoch hat auch von dieser Gattung manches bedingten Museumswert, indem es sich bemüht, ortsgeschichttich bedeutungsvolle Geschehnisse oder den ursprünglichen Zustand gewisser Baulichkeiten und Landschaften, die sich im Laufe der Zeiten stark verändert haben, bildlich festzuhalten. Am besten gefielen uns die auch quantitativ am stärksten vertretenen Ar« beiten von Max Langer, der nebenbei eine bemerkenswerte Vielseitigkeit bekundet. Besonders eindrucksvoll sind die beiden Federzeichnungen „Judas" und „Walküren". Von seinen schalk haften Skizzen seien die als „Komödie", „Ich suche Menschen" und „Manager" bezeichneten beispielsweise genannt. Auch die farbigen karikierten Dorftypen fesseln unsere Aufmerksamkeit. Die kleinen Bilder von Wied em uth, einem schlichten Mann aus dem Volke, haben überwiegend sicher dokumentarischen Wert. Sie bieten zahlreiche Aquarellskizzen aus dem Weltkrieg und früheren Zeiten, darunter sogar recht bemerkenswerte Leistungen. Von Hellmut Großer und Hermann Christoph wird vielleicht ebenfalls einiges für Museumszwecke verwend bar sein. Frau Pfarrer Brussig hat auch drei farbige Arbeiten ausgestellt, die als starke Talentprobe» anzusprecken sind. Zwei davon, die anscheinend die Kirche und das Pfarrhaus zu Ober- seifersdorf darslellen, dürsten früheren Ursprungs sein. Das dritte, ein Blick auf den Zittauer Iohannislurm, erscheint uns als eine besonders reife und wertvolle Leistung. In der Pfarre war die orts-, Kultur- und verkehrsgeschicht- liche Abteilung uittergebracht, die bereits einen recht umfassen- den Überblick über alles Wissenswerte gestattet und den Ein- druck erfreulicher Vollständigkeit macht. Besonders reichhaltig sind alte Drucke vertreten, unter denen die geistliche Literatur eine bevorzugte Stellung einnimmt. Wir finden da mächtig umfangreiche Bibeln von 1692, 1703, 1754, die teils Nürn berger, teils Regensburger Ursprungs sind. Sie enthalten be merkenswerte Stiche; die eine zeichnet sich durch sehr schöne Beschläge aus. Hierzu tritt eine reiche Sammlung von Gesang büchern, Katechismen und sonstigen Erbauungsschriften aus den verschiedensten Perioden in zum Teil selten gewordenen Aus- gaben. Aber auch die Profan-Literatur ist gut vertreten. Sie umfaßt die wichtigsten Wissensgebiete einschließlich der schön- geistigen Betätigung und kann wertvolle Aufschlüsse über den Stand der Wissenschaft und ihre Entwickelungsphasen geben. Namentlich lehrreich in dieser Hinsicht ist ein sehr umfangreicher Atlas von sehr hohem Alter. Die einzelnen Blätter sind offen- bar zu verschiedenen Zeiten entstanden. Eins trägt die Jahres zahl 1703; andere müssen aber aus dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts stammen, denn Straßburg und das Elsaß sind noch als deutsches Gebiet bezeichnet. Hochinteressant ist der die ersten Seilen füllende „Stadt-Zeiger", der in höchst kunstvoller graphischerDarstellung die wechselseitige Entfernung vergrößeren Städte Europas angibt. Eigenartig mutet uns auch die falsche Projektion der Erdteile auf den Karten an. Als Kuriosum krassen Aberglaubens sei das sehr alte Buch „Hauß-und Land- opotheke", ein medizinisches Vademccum, das noch mit Hunde kot und ähnlichen Delikatesten arbeitet, erwähnt. Die Samm- lung der Druckwerke wird durch eine Anzahl vergilbter Ka lender und uralter Zeitungsnummern, darunter auch solche der jetzigen „Zittauer Nachrichten", vervollständigt. Wir finden auch eine Reihe handschriftlicher Aufzeichnungen größeren Umfangs, die unser Interesse erwecken. Da ist von 1831 eine kleine Sammlung naiver, aber formell nicht übler Gedichte von Jo hann Gottlieb Steudtner, die sich „Gedanken am Grabe des ermordeten Johann Christoph Glathe" betitelt. Ein „Brand- weinbüchel" von 1796 enthält eine Menge Schnapsrezepte; eine andere Sammlung „Rezepte zu Kuren der Pferde und Menschen" von 1801 verursacht den Zeitgenossen von 1926 be hagliches Schmunzeln. Eine unschätzbare Quelle für die Orts geschichte bilden das alle Kirchenbuch von 1721 und die bis auf eins vollständig vorhandenen Schöppenbücher. (Das fehlende soll sich im Zittauer Museum befinden.) In diesem Zusammen hang seien noch die mannigfachen Urkunden aller Art erwähnt. In der kunstgewerblichen Abteilung nimmt die kirchliche Kunst ebenfalls einen sehr hervorragenden Platz ein. Ins Auge fallen besonders die schönen Abendmahlsgeräte. Sehr wertvoll dürfte der aus dem Jahre 1608 stammende Kelch in schöner getriebener Arbeit sein. In der Ausführung ähnlich ist ein anderer Kelch von 1704. Bon kunstfertiger Hand sind auch die beiden Hostienkapseln aus dem Jahre 1725. Fräulein Luise von Kyau stiftete 1888 für die Kapseln 2 Teller sowie einen weiteren Kelch. Sehr gut ist eine alte Holzschnitzerei, eine Apostelgestalt, die vom Altäre des ersten Niederoderwitzer Gottes hauses stammen dürfte. In diese Gruppe gehören ferner zwei Turmuhrzeiger, zwei Brautstühle, eine (wahrscheinlich ehedem auf der Kanzel angebrachte) Sanduhr, zwei künstlerisch her- gestellte Brautkränze, alles aus alter Zeit. Von den Kirchen fahnen war eine handgemalte entrollt, die an einem besonderen Resormationsgedenktage geweiht wurde. Die übrigen kunst gewerblichen Dinge waren auf verschiedenen Stellen des zweiten Zimmers verteilt. Besonders in die Augen fiel ein Entwurf zu einem Iacquardhandtuch, der von Adalbert Gärtner stammt und als Erinnerungsgabe an die 200. Iubelkirchweih gedacht ist. Es ist eine sehr tüchtige Arbeit unserer Zeit, und das da- mals ausgestellte fertige Probestück zeugt ehrenvoll für die Leistungsfähigkeit unserer Textilindustrie. Auch eine veraltete Jacquardmaschine wird hier gezeigt. Anheimelnd ist eine auf- gebaute Weihnachtsbescherung von anno dazumal mit dreh-