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Da finger quer über den ganzen Saal, und seine Hanka kommt ihm strahlend entgegen. „Herrn Adolph Wigand von Pentzig erneuerter Erb. und Lehnbrief über Schmochtitz d. 6. Marty 168l. Des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrns, Herrn Johann Georgens des Dritten, Herzogens zu Sachsen, Jülich, Eleve und Berg, des Heiligen Römischen Reichs Ertzmarschalls und Churfürstens, Land-Grafens in Thüringen, Markgrafens zu Meißen, auch Ober- und Nieder-Lausitz, Burggrafens zu Magde burg, Besüistetcn Grafens zu Henneberg, Grafens zu der Margk, Ravensberg und Barby, Herrns zu Ravenstein, bestälter Rath und des Marggraffthumbs Oberlausitz Ober- amtsoerwalter : Johann Gottlob Ehrenreich von Gersdorff auf Kauppa und Bolbritz urkunde und bekenne hiermit: Demnach Höchstgedachter, Ihre Lhurfürstliche Durchlaucht zu Sachsen, Mein Gnädigster Churfürst und Herr heute unter ciuto, auf dero Churfürstlichen Schloß allhier, von denen ge- sambten Ständen, dieses Ihres Marggraffthumbs Ober-Lausitz, von Land und Städten, die Erb- und Landes-Huldigung Persönlich eingenommen, darbey dann, als Ein Landsaß, der Edle, Ehren-Veste, Wiegand Adolph von Pentzig, auf Schmochtitz, gehorsambst in Person erschienen, und zufolge der neuen Lehns- Ordnung, anno 1653, erbenst (erbend) und mit der Erb- Pflicht zugleich die Lehns-Pflicht abgeleget, auch daraus Ihm einen neuen Erb-Brief über sein Erb-Guth Schmochtitz und pertinentien', sambt einen Lehen-Bauer daselbst, ausferttigen zu laßen, mich Ambtsgehorsamlich angelanget: (Und dis sein bitten, Borerwehnter neuen Lehens- Ordnung nicht ungemäs.) Deß habe im Nahmen und anstadt obhöchstermelter Ihrer Chursürstlichen Durchlaucht zu Sachßen, und aus Macht der von Seiner Chursürstlichen Durchlaucht mir aufgetragenen Oberambtsverwaltung, Ich solchen, des von Pentzig, petito stekeriret^, und Ihme hiermit sein Guth Schmochtitz mit denen darzu gehörigen Gebäuden, an Wohnhauß, Scheunen, Ställen, Obst-Gärthen, Häldern, Forwerge, Ackern, Wiesen und Wiesen wachs, Holtzungen, Bergen, Viehzuchten, Schäsereyen, Trifften, Hutlungen, Sträuchern, Püschen, Unterthanen, als vier Huff- ganz ermessen, was echtes, treubewahrtes, gesundes Volkstum ist. Das läßt sich garnicht beschreiben. Das muß man praktisch erprobt haben. Dann fühlt man auch, nach ganz natürlicher anfänglicher Zurückhaltung, wendische Gastfreundschaft. Man wird immerzu genötigt. (Mit einem guten Freund, der Förster ist, war ich einmal zu einem Hochzeitskaffee in Radibor. Mein Freund, der wendisch spricht, unterhielt sich immer, ließ mit der Linken die Kaffeekanne kaum los und langte mit der Rechten unaufhörlich nach Kuchen und legte auch mir auf. Er sprach, trank und aß — ich zähste heimlich — achtzehn Stück Kuchen, und die wendischen Kuchenstücke sind nicht klein. Ich brachte es leider nur auf neun.) Schon ein kleiner Sonntagsausflug in die Wende! belohnt den, der dieses Völkchen der Wenden kennenlernen will. Am schönsten sieht man die Trachten dann beim Kirchgang. Aber auch abends macht es Vergnügen. Da kommen die Burschen und Mädel zum Tanz. An manchen Orten spielt gar noch eine echt wendische Kapelle mit Huslje (dreisaitige Geige) und Dudel sack auf. Keine modernen Tänze, aber richtige Volksmusik, derb und fröhlich. Und lustig lockt die Polka: „Sah einen Topp mit Bohnen stehn Und einen Topp mit Brühe: Laß ich den Topp mit Bohnen stehn Und geh' zu meiner Marie." winkt wohl dann noch der Iuryg mit gebogenem Zeige- Fünf Lehnsbriefe aus dem Schloßarchiv zu Schmochtitz Herausgegeben von Erwin Ritter Wendische Volksbilder in und um Bautzen Von Max Zeibig autzen wird gern das „Sächsische Nürnberg" genannt, wie man die Lößnitz auch das „Sächsische Nizza" taufte. Solche Vergleiche sind im Grunde armselig, unglücklich und gehen am Kern der Sache vorbei. Ist Bautzen tatsächlich das „Sächsische Nürnberg", weil es zufällig hier und dort — entfernte, ganz äußerliche — Ähnlich keit mit der Stadt hat? Ist Nürnberg nicht für uns eine durchaus deutsche Stadt, bei deren Namen wir an Hans Sachs, Peter Vischer, Dürer und die Meistersinger denken? Jauchzt es da nicht in uns: „Wacht auf, es nahet gen den Tag! . . ." Aber Bautzen! . . . Freilich, es hat auch seine Festwiese vor der Stadt, und zwar, wenn am ersten Ostertag das Eier schieben auf dem Proilschenberge bunte Kinderlust tausendfach lebendig macht; eigentlich weist aber auch dieses Fest schon auf jene Zweiheit, die im Evangelisch-Katholischen und Deutsch, Wendischen charakteristisch für diese Stadt ist, und aus der heraus ein reiches, vielgestaltiges Leben und originelles Volks tum wuchs, dem der Fremde heute noch immer begegnen kann. Da gibt es eine Wendische Straße, ein Wendisches Haus (gleich bei der Kronprinzenbrücke) mit einem Wendischen Museum. In der Michaeliskirche wird wendisch gepredigt (wie aus den Dörfern der Umgebung, wo auch der Unterricht zum Teil noch von wendischen Lehrern erteilt wird), und auf dem Katholischen Friedhof (dem wunderschönen in der vielbeschrie benen Nikolairuine) sagen Grabsteine ihren Toten das letzte liebe Wort auch in wendischer Sprache. Eine wendische Zeitung ist in Stadt und Land verbreitet, wendische Vereine sorgen für das Erhalten von Sprache, Sitte und Brauch. Wendische Lieder werden gesungen, wendische Trachten, die das Straßenbild reiz- voll beleben, getragen. Vornehmlich ist es die kleidsame Tracht der katholischen Wenden, die einem in der charakteristischen Flügelhaube oft begegnet, und ihre Trägerinnen genießen weit hin den Ruf als schmucke, sittsame und fleißige Frauen. (Die echten Wendinnen tragen noch keinen Bubikopf!) Aber auch die Tracht der evangelischen Wenden aus dem Hoyerswerdaer Kreis ist noch ost genug zu sehen, etwa, wenn die Frauen zu Markte kommen, oder wenn sie ihren Flachs in die Industrie- dörser der Lausitz schaffen. Wendische Laute hört man ost aus dem Markt, oder sonst, wenn Frauen beieinander stehen. Die Deutschen der Lausitz freuen sich mit ihren Brüdern in der Heimat dieses Volkstums, das sich immer bunt und frei entfalten und entwickeln konnte, singen ihre Melodien mit, wandern in ihre Dörser und besuchen ihre Feste, und auch die Liebe macht zwischen beiden nicht Halt; Deutsche heiraten schöne Wendinnen, und ein schmucker wendischer Bursch ist schließlich auch einer Deutschen nicht abhold. Wie immer dort, wo ein Volk am Hergebrachten festhält, eignet der Landschaft etwas Gesundes. So auch hier. Am schönsten mag man wendisches Volkstum um Ostern beobachten, wenn man im Kloster Marienstern, Radibor oder Wittichenau das Osterreiieu besucht. Tausende pilgern da in das Helle Früh- lingsland und sehen der feierlichen Prozession zu. Unvergessen bleibt das Bild der Reiter auf geichmückten Rossen, der wehen den Kirchensahnen über den Feldern, unvergessen der Klang der frommen Gesänge. Neben den Reitern ziehen Bistgänger wall fahrend durch die Fluren, und am Abend kann man hier und dort eine wendische Bauernfrau sehen, die, den Rosenkranz in der Hand haltend, betend durch ihr ausblüyendes Feld schreitet. Im Mai errichten Dorsburschen den Maibaum zum Maitanz, und von einem Sonntag zum andern muß er nächtens bewacht werden, daß ihn die Burschen des Nachbardorfes nicht stehlen. Manchmal radelt auch ein Hochzeitsbitter im schwarzen Rock, hohem Hut und bunter Bandschleife am Arm durch die Stadt. Wer dann zur Dorshochzeit will, bringe dreierlei mit: Fröhlichen Mut, gesegneten Hunger und einen ganz guten Magen! Denn bei einer wendischen Hochzeit kann man einmal