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Jetzt aber schien das Faß zum Überlaufen voll zu sein. Die Stirnadern des Rieger-Bauern waren so bedrohlich angeschwollen, daß jeder andre als seine Tochter kalten Graus davor bekommen hätte. Er hob die Rechte wie zum Schlage und trat dicht an Ruth heran. Seine Stimme schrie nicht mehr. Sie zischte in heiserer Wut: „Otz is gnung. 's Maul halst! Sonst war'ch groob." Das Mädchen trat keinen Schritt zurück, blitzte den Bauer stahlhart an und sagte spöttisch: „Oas wenn'er doas nö schon» ömmer gwast wärd!" Der Rieger-Bauer vergaß vor lauter Staunen seinen Zorn. Zwar hatte man ihm hin und wieder den Borwurf gemacht, daß er nicht eben der Sanftmütigste sei, aber daß ihm da sein eigen Fleisch und Blut Grobheit vorwerfen konnte, begriff er nicht. Seiner Meinung nach halten sie > zwar soeben eine etwas geharnischte Unterhaltung, aber Grobheit wäre es doch sicher nur gewesen, wenn er ihr die Faust auf das Auge gesetzt hätte. Darum erwiderte er mit Staunen: „Nu hörrt mer aber oalls uf. Zech ond groob? Wie reimt'ch denn doas zosoamm? Ond suwoas soist Du mer, Du, wu Du doach wojgn denner Gusch su verschrien böst, doß'ch kee Karl oa Diech roagtraut?" Bei Ruth bewirkte dies allerdings nur das Gegenteil. Wütend stampfte sie auf den Erdboden. „Doas Hot mer no Kees gsoit," schrie sie. Ihre Mienen entstellten sich fast im Grimme. „Otz Hot Der'sch Dei Boater gsoit," war die trockene Antwort. Der Orkan hatte ausgetobt. Auch Ruths Stimme sank auf mehrere Grad abwärts. Das Weinen schien dem Mäd chen nage zu sein, als sie erwiderte: „Os doas an Oart, senner eegn Toachter su Schänd ond Brand oazohäng?" Aber den Riegerbaver rührte das wenig. Er war nur froh, daß er jetzt Oberwasser hatte und sagte: „Ond ös doas an Oart, sen eegn Boater uszospieln? Heiroat doach Du oh, doß'd of an Rand kömmst!" Da begann das Mädchen wiederum heftig zu werden. „Doas kennt Euch su poossn, daß Jähr danno freie Hand hält. Fech war miech bdankn ser dan Moansvelkern, wenn se oall su sein wie Jähr." Jetzt zog der Bauer ein anderes Register. Spöttisch meinte er: „Do nim dr ock 'n Krautbauer sen Tonl! Dar ös amend annersch." „Doas ös iberhaupt kee Moan. Doas ös a Majdlding e Hosn." Ruth schürzte verächtlich die Lippen. Wie man nur überhaupt von diesem Iammermenschen reden konnte! Der Vater aber hatte gleich wieder die einzig richtige Entgegnung auf der Zunge, indem er spöttisch lachend erklärte: „Wos böstn Du annersch oas a Karl onncr an Rock" „Miär tutts schon» lang leed, doß'ch kee Jong gwurn bien", war die schnelle Erwiderung. Allmählich kamen die Beiden wieder in stürmisches Fahrwass.r. Der Spott halte wieder hineingeblosen. „Du böst su schonn miher wie drei Jong", rief Rieger- „Ond wenn'd ern meenst, der Krautbauer Tonl wär ser Diech'nö gutt gnung, do koanch dr ock soin, doß'd örschtns nö glei su a Gutt wössn wörscht wie senn Boater seis ös, ond doß zweetns Kenner su fer Diech poatzn tät wie dr Tonl, denn dar brett wingstns s Maul nö uf. Ond su en brauchst Du." Dem Mädchen schoß das Blut wieder heiß in den Kopf. „A schie Boater, dar sein enzg Toachter oa su an Poapp- stiefl hängn will. Dr Krauttonl ös a Ioammerlooppn." August Rieger lachte kurz auf. „Doas weß'ch oh. Ond en Arnst welltchn oh nö zon Schwiegersohn hoan. Nee, jedn annern lieber oas dann. Iher no 'n Adam-Leo, n äimstnTeifl." Der Leo Adam war als Waisenkind von der Ge meinde aufgezogen worden. Jetzt war er ein schmucker, zwanzigjähriger Bursche, der als Zimmermann sein karges Brot verdiente und gerade in diesen Tagen draußen auf der Lehnwiese des Riegergutes eine Feldscheune baute. Er war als ein kraftstrotzender Bursche bekannt und ge fürchtet als einer, der nicht mit sich spaßen ließ. Er gehörte ja zu denen, die von früher Kindheit auf gewöhnt sind, sich selbst Platz mit den Ellenbogen schaffen zu müssen, wenn sie nicht an die Wand gediückt werden wollen. Und dem Adam-Leo brauchte man nur in die blitzenden, schwarzen Augen zu schauen, um zu wissen, daß er das nicht wollte. Als sein Name genannt worden war, glühten die Wangen Ruths noch dunkelröter auf. Gar die Stirn ward von der verräterischen Röte bedeckt. Dies zu ver bergen, drehte sich das Mädchen schnell um. Aber die Stimme klang etwas unsicher, als sie sich bemühte, mög lichst gleichgültig zu fragen: „Wie kommter denn groad uf dann?" Und da der Bauer auch kein Heuriger war, hörte er den unsicheren Ton sehr gut heraus. Er schmunzelte listig und erwiderte: „Oach su stiehn de Akzchn. Jähr sedd doch ne ern schonn eenz minanner, Du ond dr Leo?" Nun, sie waren es wirklich nicht. Wenn auch Ruth den schmucken Menschen gern sah, so gestand sie sich das nicht einmal selbst gern ein. Und Leo Adam, der arme Schlucker, der nichts sein nannte als die Kraft seiner Wme, dachte natürlich gar nicht daran, sich an die reiche Bauerntochter zu wagen, mochte sein Herz auch schneller schlagen, wenn sie ihm zu Gesicht kam. Und da fing nun der Pater auch noch an mit solcher Fopperei. Heftig und ollzuschnell, sodaß man hörte, daß dem Mädchen viel daran gelegen sei, des Paters Meinung zunichte zu machen, erwiderte Ruth: „Fech hoa no nö zahn Wärtr mit'n gredt." Und etwas leiser setzte sie hinzu: „Su a Hungerleider gtrautch doach nö oa d Rstgertoachter." Aus diesem Zusätze klang es wie heimliches Bedauern. Diesmal hörte es der Bauer nicht heraus. Er ent gegnete mit spitzer Stimme: „Wenn Du's soist, ös oh wuhr. Aber schoad ös, denn doas wär dr Eenzge, dardch amend kuriern kennt." Die Tochter schaute dem Vater zornig in das Gesicht. „Ond suoill soich, groad weil Jähr of dan Adam-Leo derpicht sedd, guckchn nömie oa. Ond wenn Jähr hei- roatn tutt, heiroat iech oh, ond groad Euch zon Possn dan Krauttonl." Da schüttelte der Bater den Kopf, schrie als Schluß, punkt: „Su ein Trutsch! Mit där ös emo kee Aus- komm nö," und ging kopfschüttelnd in das Haus. Jetzt war es mit Ruths Fassung vorbei. Sie ließ sich wieder aus die Bank fallen und brach in leises Schluchzen aus. Fn alles mußte sich auch der Vater mengen. Sie gestand sich jetzt im Stillen ja ein, daß ihr der Ädam-Leo nicht gleichgültig sei. Aber soviel stand bei ihr fest, sie beachtete ihn nun mit keinem Blicke mehr. (Fortsetzung folgte