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haben die Könige in Böhmen, die Römischen Kayser, auch noch itzund die Churfürsten zu Sachsen, so wohl bey unruhigen Zeiten und gefährlichen Seuchen, alls auch bey andrer Gelegen heit offtermahls gar geräumlich auff demselben logiret. Ordent lich hat der Herr Land-Boigt seine Residenz auff demselben. (S. 20.) An dieser Stadt, außerhalb des Gerber-Thores, liegt an der Sprew die so genanndte Seydau, welche ziemlich volck- reich ist. Die Inwohner sind als Land-Borgtheilige Unterthanen zum Schloße, und die unter dem Schloße wohnen, zur Churfl. Landes-Hauptmannschaft geschlagen. (S. 21.) Es gibet auch allhier eine schöne und hohe Wasser- Kunst, wodurch das Wasser aus der im tiefen Thale fliessen- den Sprew in die Stadt geleitet wird, und welche die Reisen den mit Verwunderung anschauen. Wie Volkreich und nahr haft dieser Ort sonsten sey, Kan man etlicher Maßen daraus abnehmen, weil allhier vier Mahl-Miihlen, darunter eine Sech- zehn Gänge hat, zwei Walck-Mühlen, eine Dreth-Miihle, eine Loh-Mühle, ein Kupffer-Hammer, und eine Pappier-Mühle vorhanden sind. — Es ist schade, daß der Bodengestaltung des Landes, den Gebirgen und Bergen desselben, kein besonderer Abschnitt ge widmet ist, nur „die Landes-Crone" und „der Oybin" werden im Anschluß an die Beschreibung von Görlitz und Zittau einer kurzen Betrachtung unterzogen. Kapitel VII berichtet über die „Standes Herrschaften" und die Städte, nach denen sie benannt sind. „Ts sind vier Standes Herrschaften, welche ihre Sessiones und Bota bey dem Land-Tage haben." In dem „Budißtnischen Kreyse" werden behandelt „I. Hoyerswerda" und „II. Königs brück, insgemein Künsbrig" und in dem „Görlitzischen Kreyse" „I. Moßkau" und „II. Seydenberg". Die Frage zu Kapitel VIII lautet „Welches sind die Jung- fräulichen Klöster?" In der Beantwortung derselben heißt es zunächst „Es sind zwey wohl habende Papistische Nonnen- Klöster, als „l. Marien-Stern" und „II. Marienthal". Bei der Besprechung des ersteren finden sich Angaben über den Wahlsahrtsort „Rosenthal" und die untertänigen Städtchen „Wittichenau" und „Bernstädtel" vor, bei letzteren über das „Städtlein Ostritz". Abschnitt IX enthält Mitteilungen über die „Land-Städtgen" der Oberlausttz. Wir begnügen uns mit der Aufzählung ihrer Namen. „Derer sind, über die bey jeder Herrschafft angeführte Städt- gen, Neune. 1. Marglißa — 2. Weißenberg — 3. Reichenbach — 4. Ru- land — 5. Puißnitz — 6. Elster — 7. Rottenburg — 8. Schön- berg — 9. Hirschfelde." Nachdem noch in Abschnitt X die Frage „Was ist in Ober- Lausitz vor eine Landes-Regierung" eine klare und erschöpfende Beantwortung erfahren hat, befassen sich die Kapitel XI bis XVIII mit der Niederlausitz (S. 56—89). Auf diese soll hier nicht näher eingegangen werden. Wenn wir das gesamte Merkchen nochmals überblicken und dabei in Betracht ziehen, daß dem ungenannten Verfasser, der jedenfalls ein Görlitzer war und dem Gelehrtenstande angehörte, nur wenig und dazu unzuverlässige Vorarbeiten zur Verfügung standen, so müssen wir das Buch mit seinem durchaus fach- gemäßen Inhalt als eine in jeder Beziehung anerkennenswerte Leistung bezeichnen, die es verdient, heute nach 230 Jahren wieder der Vergessenheit entzogen zu werden. Hetrnatklünge Von O. Walter Beinkold-Zwickau Slockentöne, traut und innig Ballen tiek in meiner Brust, Und sie zittern durck die Seele Wie ein Lraum von Zugendlust. Bll die klänge kör ick wieder, klänge der Erinnerung, Zeder Laut in dieser Spracke Lockt vertraut mit küknem Sckwung. Mag die §reude tausend §reuden, Viele Beize bieten mir — Bck, mein Berz wird sick stets seknen, Beimatspracke, nur nack dir! Kirmes! der Wind über die Stoppeln weht, heben die Kirmsen an. Das ist eine alte Bauernregel und hat Geltung ebenso wie die anderen alle, die von Welter und Wind, von guten und bösen Zetten reden. Die Arbeit ist getan, der Erntesegen in der Scheune geborgen, nun geht für den Bauer die stille Zeit an. Nun kann er sich endlich auch einmal den Freuden des Festes hingeben, denn vorher hatte er keine Zeit zum Feiern. Mochten aus der Stadt die Spiele noch so laut und lockend zu ihm ins Dorf dringen, er ging der Arbeit auf dem Felde nach, gleich, viel, ob nun Sonntag oder Werktag war. Nun aber hat er's geschafft, und alle Freude über getane Arbeit findet ihren Aus druck in einem Fest: der Kirmes. Wir Städter wissen ja garnicht, was es um s» eine Kirmes für Bewandtnis hat. Weihnachten, Ostern, Pfingsten sind gewiß schöne Feste, aber sie sind allen gemein. Kirmes hat jedes Dorf die ihre. Bon der Kirmes redet man auf dem Dorfe das ganze Jahr über. Nach ihr teilt man seine Verrichtungen ein, und sie spielt eine ähnliche Rolle im Kreislauf des dörfischen Lebens, wie die Sonne in der Zeitteilung des Jahres. Verlobungen, Hochzeiten und Kindtaufen macht man von ihr abhängig. Wenn man sich sonst das ganz« Jahr über kein neues Stück geleistet hat, zur Kirmes muß das neue Kleid fertig sein. Die armen Dorfschneiderinnen sitzen um diese Zett halbe Nächte über der Nadel, um all die Sachen, die halbfertig auf den Haken hängen, zu Ende zu bringen. Zur Kirmes wird das Haus gescheuert, vom Keller bis zum Boden hinauf, da bleibt kein Winkel un berührt. O wie proper solch ein Kirmeshaus dreinschaut! Da funkelt und leuchtet es frischwaschen von der schneeigen Decke über dem altmodischen Tisch bis zum Schwellftein vor der Haus türe hinaus, und die Fenster schauen mit blanken Augen über die Dorfgasse hin, ob denn die Ktrmesqäste nicht bald kommen wollen. Ja, die Gäste! Zwar der Himmel macht kein sonderlich freundliches Gesicht. Wenn schon! Denn wer da glaubt, zur Kirmes gehöre Sonnenschein und Himmelsbläue, der kennt den rechten Sinn der Bauernkirmes nicht. Ein feister Braten, ein saftiger Kuchen und ein kräftiger Schluck — das gehört zur Kirmes. Und das schmeckt, auch wenn es draußen Bindfäden regnet. Ja, dann erst recht. Dann sitzt stch's doppelt behäbig in solch behaglicher Bauernstube. Was tut man denn anders als sitzen zur Kirmes. Man sitzt von einer Mahlzeit zur andern und muß sich wundern, wie es kommt, daß man immer wieder essen kann. Auf der Dorskirmes wird man's erst gewahr, wie aus gehungert wir Städter sind. Und Städler sind es in der Haupt sache, die zur Kirmes aufs Dorf gehen. Wenn man seine Ver wandten auf dem Lande das ganze Jahr über nicht besucht hätte, zur Kirmes pilgert man hinaus, das ist Ehrensache. Die Dorf- leute würden cs einem übel ankreiden, wenn man ausbleiben wollte. In dieser Sache verstehen sie keinen Spaß, da lassen sie keine wie immer geartete Entschuldigung gelten. Jeder ist Herz- lich willkommen, und sür alle ist reichlich gesorgt. Freilich, der Kirmeszug aufs Dorf hinaus ist heute längst nicht mehr so stark wie vordem in den bösen Kriegszeiten. Da pflegten sich Gäste in den Bauernstuben einzustellen, die der brave Bauer sein Lebtag noch nicht gesehen hatte, und es bedurfte einer umständlichen Beweisführung ihrerseits,noch einenBerwandtschaftsgrad heraus- zukonstruieren. Sie haben ihren Ktrmesgang schon längst wieder eingestellt. Aber eine gewisse „Stammkundschaft" ist geblieben, sie pflegt sich alljährlich regelmäßig einzustellen mit Kind und Kegel. Regelmäßig einzustellen pflegen sich auch diejenigen, die