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Umsomehr fürchtete sich dafür die „Moartlis"' und redete närrisches Zeug von einem gelben Schein, der ihr die Augen fast blind gemacht hätte. Auch die Bäuerin ging im Fin stern keinen Schritt allein. Gab es abends etwas zu be sorgen, schickte sie den Kühjungen. Der war tapfer. Er holte sich aus der elterlichen Wohnung, dem kleinen Haus dicht unter dem Gut, seine zwei Brüder dazu und dann sangen sie kräftig. Das vertrieb unnütze Gedanken und Gefahren. „Där ward schonnt o no amo a Licht ufgiehn," sagte, voll Doppelsinn, die Hausfrau zum Bauer, „ond danno wörscht's hoann!" „Ahltweiberzeug!" lachte der. „Su, ös amend ons' stbbznjährch Majdl a ahles Weibsn? Ond onserees braucht'ch o no nö derrzu zo rechn. Aber su oill soi'ch derr: derr Husar läßt'ch ne spottn, dar hott'ch oack zon Noarrn. Ich ferrt mich schonn derfür, wenn a D'ch amo kriegn wörd; mit sücht'n wie Där spielt a danno am meestn uf!" „Na, doas warn merr ja sahn! Bis ötz holt a'ch vo mär g'forrt, ond doaswill'ch'nog'roatn hoann; ich bi mit annern oas Geistern fert'ch g'wurrn. Ond nu hiel's Maul ond breng d' Sopp rei — 'ch hoa Hunger!" Und wenn der Magister (Pfarrer) gekommen wäre, um noch längere Reden als der Scholzhoanlieb, der so seine Erfahrungen machte, zu halten, den Traugott hätten sie nicht bekehrt. Er glaubte nicht an den Husaren und sah keine Spur von ihm. Da war dann so ein Abend um die Adventszeit, da die Bäuerin noch spät beim Federschleißen saß. Das junge Volk hockte beim Nachbarn zusammen; sie hatte auch den Burschen und Mädeln freigegeben. Nur der Hansel, der Hütejung, klebte am Gesindetisch und war über dem müh- seligen Studium eines Buches sanft entschlummert. Ge mächlich ging der „Seeger", die alte Schwarzwälderuhr: hin her, her hin, Tuchmötzen, Soamtmötzen. Fragend suchte der Hausfrau Blick auf ihm: gleich elf; daß es nur der Bauer heut gar so spät werden ließ! Da hätte sie sich doch den Karl und die Lisel dabehalten sollen: zum „Ferrt- oertreiben". Aber der Zeiger rückte weiter, weiter, weiter, einviertel, halb, dreioiertel zwölf. Wenn wenigstens die Moartlis' käme! Na, um zwölfe mußte ja alles daheim sein, sie würden doch daran denken? Langsam begann sie zu sammenzuräumen. Da —Schritte, hastige, unruhige — wer? Aber ehe sie die Türe erreichte, wurde geöffnet: der Bauer. Endlich! Doch — mein Gott! — war das wirklich ihr ruhiger, gelassener, selbstzufriedener Mann? Seine Hände, die den Pelz aufknöpfen wollten, zitterten wie Espenlaub, kreideweiß schien sein Gesicht, und als er die Mütze abriß, sah sie seine schwarzen Haare klitschnaß vor Schweiß am Kopfe kleben. „Herrjeses nee, Traugott, woas ös denn där poassiert? Räd ock a Wurt!" Erschreckt und besorgt wollte sie sich um ihn zu tun machen. Aber da wandte er sich auf dem Fuße, ohne auch nur den Mund aufzutun, und polterte die Treppe hinauf in die Kammer. Ratlos sah ihm die Frau nach, bis es ihr aus einmal wie Schuppen von den Augen fiel. Ein überlegenes Lächeln stieg um ihren Mund, um aber schnell von dem gehörigen Gruseln, das ihren Körper zu schütteln begann, fortgenommen zu werden. Eine Erlösung, daß sich draußen mit Lachen und Schwatzen gerade der junge Schwarm meldete. Aber am Morgen bei der Frllhsuppe: „Traugott, Du host doa 'n Husaren gsahn!" „Doas gieht doa Diech nischt oa!" „Aber gsahn hoast'n atm doa!" Der Traugott war kein Freund von überflüssigen Reden. Und in dem Falle schon garnicht. Aber mit der Zeit brachte man's doch aus ihm heraus: Wie er so frohgemut, denn er hatte im Spiel einen schönen Gewinn gemacht, von seines Bruders Klause heimwärts schritt. Hinter dem Dorfe den Weg herauf. Und daran dachte, daß man 's wegen dem Schwein wohl schon morgen dem Fleischer sagen möchte. Und an der Nase eine empfindliche Kälte spürte, und in die Lust schnupperte, in der es roch, als gäbe es endlich den er sehnten Weihnachtsschnee. Der Erdboden war fest gefroren; Traugott hörte ganz deutlich den Tritt seiner Füße und das Klappern von Pferdehufen. Das Klavpern von Pferde hufen? Nanu! Es schien nicht weit hinter ihm zu sein, und doch konnte auf dem schmalen Pfädlein kein Wagen fahren. Und ein Reiter in solch später Stunde? Der mußte doch eine ganz besondere Botschaft zu bringen haben. Traugott blieb lauschend stehen und wandte sich um, aber vergebens mühte er sich, die Nacht zu durchspähen, die wie ein Bahr tuch aus schwarzem Samt über den Feldern hing. Und alles still; der Reiter schien gleich ihm zu rasten, oder am Ziel zu sein. Der Bauer setzte sich wieder in Schritt, seinen weit ausgreifenden, steten, sichern Schritt. Aber kaum hatte er's getan, da klangen auch schon wieder die Husschläge hinter ihm: klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack. Zum Kuckuck: was hieß das? Wieder blieb er stehen; wieder alles still; kein Laut als das leise Knacken des Frostes im Holz der Linde, bei der er zufällig stand. Da griff der Traugott in seine Tasche, und umspannte mit seiner Linken fest den Hirschhorngriff seines braven, frischgeschliffenen Messers; die Rechte schwang den dicken Knotenstock: „Wenn Du's auf mich abgesehen hast, geheim nisvoller Reiter, so sollst Du mich gelüstet finden." Und so, ohne sich weiter umzusehen, marschierte er weiter, sofort wieder begleitet von dem Klack klack klack klack der Pferde hufe, das einmal eigentümlich laut, als hätte ihn der Reiter eingeholt, dann wieder seltsam fern, bald einmal rechts, bald deutlich links erklang. Noch nie war ihm das Stück Weg vom Niederdorfe herauf so lang erschienen. Aber nun hatte er's gleich geschafft; noch fünf Minuten und er drückte seine Türklinke nieder. Da — er war gerade bei dem Teiche ober halb der Kirche — wurde das Trappeln lauter und lauter, es sauste wie ein scharfer Wind, und plötzlich galoppierte etwas an ihm vorbei: ein Reiter — ein Husar — nein, ein riesengroßes Licht! Und er konnte keinen Schritt mehr tun, so sehr er sich auch plagte, und um ihn flog's in wildem Kreis, immer rundum, daß ihm Sehen und Hören verging: der Reiter mit dem Kopf unter dem Arm, nein, das heiße flatternde Licht — der Husar! Wie lange es so gegangen ist? Das konnte er nicht genau sagen, aber eine Stunde min destens, die ihm freilich viel länger oorkam. Er wußte nur noch, daß er zuletzt die Mütze abgenommen hatte, er, der stolze Bauer vor dem Spuk! Aber das mußte gerade das Rechte gewesen sein, denn plötzlich war er frei und alles ver schwunden wie ein böser Traum. Nur das Zittern seiner Glieder, nur der Schweiß, der ihm über die Stirn rann, nur das Schwindelgefühl im Kopfe, das ihn den Weg kaum finden ließ, kündeten ihm deutlich genug, daß es keiner war. Er hat den Husaren auch nie mehr für einen Traum gehalten. Ein fingerbreiter weißer Streifen zog sich durch sein schwar zes Haar: Zur Erinnerung.