Volltext Seite (XML)
Eine wesentliche Wandlung im Schaffen des Dichters trat ein, als er am 1. April >906 nach Zittau versetzt wurde und dort den Posten eines Telegraphen-Direktors erhielt. Seine dramatlsche Betätigung war so gut wie abgeschlossen, er wandte sich völlig journalistischen Arbeiten zu. Die Zersplitterung seiner Kräfte, die eine solche Beschäftigung mit sich brachte, ließ ihm nur noch zu zwei Werken Muse, zu dem Oybiner Schauspiel „Pater Hilarius", welches trotz guten Publikum- erfolges bei der Zittauer Kritik keinen Anklang sand, und das Schauspiel „Eonnenkinder", welches drei Tage vor der Ur aufführung einer Theaterintrige zum Opfer fiel und wieder abgesetzt werden mußte. Wollte man bis zu diesem Zeitpunkte die „Summe seines Lebens" ziehen, so würde man eine Zahl von 8 abendfüllenden Schauspielen, annähernd 40 Einaktern, 3 Romanen, größeren Abhandlungen und Gedichtsammlungen feststellen können. Ein neues Werk „Zittauer Zeitgenossen", für das bereits ein Verleger gewonnen Ist, befindet sich noch in der Vorbereitung. Im April 1924 teilte Bruno Reichard das Schicksal vieler älterer Beamter, indem er vorzeitig und zwar mit knapp 55 Jahren „abgebaut" wurde. Er fühlt sich seitdem durchaus nicht unglücklich und manche stimmungsvolle Musestunde im herrlichen Oybin, auf dem majestätischen Töpfer und all den anderen Zittauer Bergen hat ihre Eindrücke in schriftstellerischer Form hinterlassen. In manchem Sammelwerk, aber auch in den verschiedensten Zeitungen und Zeitschriften hat Bruno Reichard seine zweite Heimat mit genauester Kenntnis ge schildert. Der Zittauer „Globus", jener große Gebirgsverein, der im Verbände „Lusatia" an führender Stelle steht, erblickte in Bruno Reichard lange Jahre hindurch nicht nur ein reg- sames Vorstandsmitglied, sondern auch einen sachkundigen Führer, dem Weg und Steg, aber auch die vielgestaltige Flora des Lausitzer Landes sehr bekannt sind. Die letzteren Jahre sahen Bruno Reichard vor allem als Theaterkritiker und zwar als einen, der nicht nur auf Grund seines Wissens stets „im Bilde" war, sondern der auch immer über ein gesundes Urteil verfügte, das er nie scheute, frei herauszusprechen. Hierzu mag ihm auch seine Dresdener Zeit viel Wertvolles mit auf den Weg gegeben haben, denn da mals zählten zu seinen Bekannten und Freunden Ernst v. Wildenbruch, Edmund Kretschmar, Albert Becker, Rubin stein, Dräseke, Franz Lurti und der Maler August Leonhardt. Bei der Chemnitzer Landsmannschaft der Lausitzer fand er Achtung und Ehrung als Heimatschrtststeller. Am 3l. Oktober 1925 verlieh ihm die Landsmannschaft zugleich mit August Matthes (Bthms - Korle), Wilhelm Friedrich, Oskar Schwär und Rudolf Gärtner dir Ehrenmilgliedschaft. Mit besonderem Schmerz erfüllte es ihn, als am 4. Sep tember 1918 der Tod den ältesten seiner drei Söhne in Frank- reich bei Esmery-Halon dahtnrafste. Auch sonst ließen ihn Krankheitssorgen in seiner Familie lange Zeit nicht los und oft konnte er nur mit Mühe seiner Muse huldigen. Ein großes Verdienst hat sich Bruno Reichard um die Ent- stehung des Oybiner Waldtheaters erworben, dessen geistiger Vater er ist. Als er nach Zittau versetzt wurde, war es bald sein ernstes Bestreben, dort etwas ähnliches zu schaffen wie die Freilichtbühne in der Dresdener Heide. In Oybin kam ihm die Natur mit dem herrlichen Hausgrund dabei weit mehr entgegen. Er sand auch einen Kreis verständnisvoller und unternehmungslustiger Männer wie den späteren Annaberger Oberstudiendirektor Dr. Alfred Neumann, den Oberlehrer Hermann Quack, den damaligen Schriftleiter der Zittauer Nachrichten und späteren Besitzer der Waldbühne, Ferdinand Hesse, den Postverwalter Friedrich Gutsche (Oybin), den jetzigen Zittauer Intendanten Fritz Klötzel und den Ober- sorstmeister Korsett. So wurde Bruno Reichard der Träger des Waldtheatergedankens, den dann finanzkräftige Leute zur Durchführung brachten. Und heute ist die Oybiner Waldbühne eine der größten und für viele ihrer Nachfolgerinnen ein Vor bild geworden. An Bruno Reichard denken aber dabet nur noch die wenigsten. Vielleicht hat er der Heimat damit einen weit größeren und dauernden Wert schaffen helfen als mancher, der es damit genügen läßt, dieses heilige Wort recht oft in den Mund zu nehmen. In rastloser, unermüdlicher Tätigkeit hat Bruno Reichard somit mehr geschaffen als mancher ahnen mag. Wenn ihm dabei auch kein Arger erspart wurde, die Erfolge blieben nicht aus. Immer und immer wieder greift man gern wieder auf ihn zurück, um sein Urteil zu hören, sein Wissen zu nutznießen, wenn er auch kein Mann der Bügelfalte ist und oft seine An sicht in derbem, nicht mißzuverstehendem Deutsch zum Ausdruck bringt. Seinen goldenen Humor hat er allezeit behalten, der Hilst ihm, gegen dis- Spötter und Philister anzukämpfen. Mag er ihn noch recht lange behalten. Heimkehr Non Theodor Schütz«, Hamitz Dis Berge schicken mir iHv blauestes Lächeln entgegen. Dis Tore der Sonne sind freudevoll ausgetan, jauchzende Strahlen flattern nieder zu meinen Füssen. Silbsrgezierte Molkenwagon reisen vor mir her, durchqueren sriedsam alle Bezirke des Himmels; weiche Schattenspuren gleiten über Haupt mir und Hände. Non allen Höhen steigen die zarten Schemen der Knabenerinnerung; vergessene Freuden blühen wieder auf und leuchten selig aus Wäldern. Dis Tale der Jugend öffnen mir weit ihre liebenden Arme. Schwalben der Heimat schwirren ihre Kreise um mich, rasche, flugseligs Schwünge zu meinem Willkommen. Mit zärtlichen Lippen forme ich dich, o süssestes Wort: Heimat . . .1 Wie der „Husar" kam'' Alte Geschichten, nacherzählt von S. S., Reichenau IV. große, hagere, selbstbewußte Bauer, der früher, noch lange vor Kunack, aus dem jetzigen Leupold- scheu Gut gesessen hat, das ist auch einer von den Ungläubigen gewesen. Er war ein aufgeweckter, heffer Kopf und hatte seine Wirtschaft gar muster haft im Stand. Da gab's keinen Knecht, der Maulaffen feilhielt, und kein Mädel, das zu lange am Kopftuche band. Der Acker war zur rechten Zeit bestellt und keinen Tag später, als sein konnte, war die Ernte herein. Kein Hälm chen, keine Kartoffel faulte unnötig im Regen. In peinlich sauber gehaltenen Ställen gedieh das Vieh, eifrig und dank- bar legten gut genährte Hühner viele Eier, gaben blüten- weiße Gänse pünktlich aller acht Wochen prächtige Federn. Da sprang denn Taler um Taler in den Strumpf, und um die bildhübsche Einzige, die „Moartlts"' (Maria-Elisabeth) schwenkten Tag um Tag mehr Freier. Da soll dann einer, der alles sich, seinem Fleiße, seiner Umsicht, seinem Ver stände verdankt, an Spuk, an Gespenster glauben! Er konnte auch gut die anderen auslachen und sich über legen mit der langen Hand das bartlose, kräftig vorstehende Kinn streichen — es war, als empfände ihn auch der Spuk als Herrn und wiche ihm aus. Ob er im Dunkeln über seine Felder schritt, weil ihm schien, als habe jemand geern tet, wo er nicht gesät, ob er in später Stunde von einem Geschäftsgang heimwärts wanderte, ob er seinen regelmäßi- gen Gang auf dem Feldweg hinter dem Dorf hinunter zu seinem Bruder tat, immer schlief die Stelle schwarz und harmlos, wo am Tage derHardtbusch zu ihm herübergrüßte. *) Siehe Nr. 10, Jahrgang 1926.