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«onranttk von G. Walter Reinhold-Awickau Nom Mondgold glitzern die Kastanienbäume, Das Marmorjchloß aus der Rokokozeit — Die Spieluhr plaudert schöne Märchen-Träums . . . Nom stillen Gluck der Weltzufrisdsnhsit. Im Schiostteich paddeln dis verträumten Schwäne Durchs Wasjsrgold -7- dicht vor dem Schlostportal Rauscht feierlich die kleine Parßsontäne . . . And Eilborstaub spritzt aus dem Marmorgral. Nm Parktor klingt des Käutzchsns düst'ce Klage Aum Mond empor, zue schwarzbswölkten Nacht. Phantastisch leuchten Meiste Sarkophags Vor jener Gruft — der einst gewes'nsn Pracht. And auf der Stsinbank, vor dec Dronze-Nrne, Sitzt gramverzehrt des Schlosses letzter Sohn, Sein Vlick hängt bang am leuchtenden Saturn« — Die Spieluhr plaudert im Lsgendenton . . . Fern hall'n des Posthorns letzte Melodien . . . Dec Erbe lauscht mit traumverlor'nem Vlick - Romantik, Welt der schönsten Phantasten: Wann kehrst du wieder, langersehntes Glück? Im Galgengehege Von Oskar Schwär ^Mraue Wolken jagen am Himmel hin. Graue Wolken UÜßM ziehen über den Spiegel der „Engländer Teiche". Das unschuldig-heitere Geschwätz des Bächleins wird über- tönt vom düsteren Rauschen des hochragenden Fichten waldes, ein mächtiger Heerbann, der über de» breiten Rücken des Hutbergcs nicdersieigt bis ans Wasser. Die Eichen im Gehege neigen ihre finsteren Häupter. Ihre Haare flattern wild im Winde. „Wie heute! Wie heute! Grausam war's! Grausam!" heulen sie. Ich will fort, aber kann nicht aufstehen. Die Eichen greife» mit ihren Armen nach meinen Schultern und drücken mich nieder. Die dürren Kiefern drüben schlagen gegeneinander. „Hörst du's knacken? Wie damals! Wie damals der Galgen!" Sie schütteln sich. Da knackt und quarrt es wieder in den Kiefern. Mich schauerts, aber ich kann nicht fort. Ein Galgen ragt mitten im Hag. Boni Querbalken baumelt das Seil, springt, schlängelt sich wie Gewürm in Todesschmerz. Die Wolken stieben drüber hin. Krächzend umkreisen Raben den Galgen. Plötzlich flattern sie über den Hain und suchen die Wipfel der Eichen. Auf den Asten hocken die schwarzen Vögel mit schiefgehaltenen Köpfen und lauern. Denn sie kommen. Die Straße von Dorrenheinersdorf her bewegt sich eine eigenartige Prozession. Ein Junge mit dem hohen Kruzifix schreitet voran. Auf einem schweren, von Ochsen gezogenen Rollwagen sitzen hinter dem Fuhrknecht ein Schwarzer und ein Grauer. Aus einem zweiten Wagen fahren zwei steife Herren vom Gericht, dazwischen gehen zwei Fron boten mit offener Wehr. Es folgt dem zweiten Wagen die Menge der Männer, Weiber, Kinder. Es ist unheimlich still, wie ein Leichenzuq, wenn die Schule nicht singt: und auf den Gesichtern der Weiber und Kinder steht die blaffe Angst. Die Männer beißen die Zähne zusammen, daß sie knirschen wie die Wagenräder auf steiniger Straße. Kein Zetergeschrei gellt l übers Tal. Aber das Zähneknirschen, die Fackeln der Augen, ° die geballten Fäuste vermelden ein Geschrei, dcks in der Brust der Männer wütet, das nur mit Mühe sich zurückhalten läßt. Der Schwarze auf dem ersten Wagen macht runde Augen und ein spitzes Maul. Er spricht vom lebendigen, gerechten Gotte, der die Taten der Gerechten lohnt und die Sünden der Bösen bestraft. Der Graue sitzt unbeweglich wie aus Stein. Die Prozession lenkt ins Gehege. Die gierigen Vögel auf den Asten treten ungeduldig von einem Bein aufs andre, schlagen mit den Flügeln, stoßen heisere Scheie aus. Sie hatten. Die Menge stellt sich breit am Straßenrand«! auf, während die Fronboten den Delinquenten, gefolgt vom Schwarzen und den steifen Herren! vom Gericht, am Kruzifix vorbei zum Galgen führen. Der Schwarze steht mit gefalteten Händen und betet laut zum gerechten Gott im Himmel. Aber der Himmel mag die Greuel nicht sehen, Wolke», Wolken schickt er, daß sie ihm die Gerchtigkeit der Welt verhüllen. Stürme läßt er durch den Bergwald brausen, durch den Hag heulen und den Gottes mann niederschreien. Da stieben die Raben aus den Eichen, da gellt ein Schrei des Schreckens durch den Sturm. Die Menge des Volkes ist auscinandergesprengt wie durch einen Donnerschlag. Greisinnen sinken hin, Kinder klammern sich an ihre Mütter. Entsetzen starrt aus aller Augen. Denn es ist geschehen! Unheimlich knackt und quarrt der Galgen. Sturmhände packen den Gehängten und wollen ihn befreien, schlagen ihn hin und her. Aber die Fronboten haben ihre Arbeit gut gemacht und steigen ruhig, wie Handwerker vom Bau, die Leiter herab. Und ein Zorn ist losgebrochen, wie eine Feuersäule emporgestoßen aus dem Volk, wie das Wüten der Elemente, ein Zetergeschrei gegen Gericht und Herrn. Gegen den Herrn, der einen Dieb hängen ließ, nicht weil der sich ein Schaf von der Herde genommen, sondern weil der sein junges Weib in der ersten Nacht nicht dem Herr» überlassen, weil der die Stirn gehabt hatte zu sagen: „Für mich hab ich sie genommen! Aber da meinen Engel, meine Heilige opfere ich nicht!" Da hat der edle Herr, um sein grinsendes Recht gebracht, ihm Rache geschworen. Und als der junge Ehemann eines kleinen Diebstahls wegen auf die Gerichtsbank kam, da funkelten des Herr» Augen: es gab ein hohes notpeinliches Halsgericht, Rache gab es. Die Ehemänner des Dorfes und die Iungmänner brachten dem Verklagten ihre ersparten Taler ins Haus, auf daß er sich loskaufen sollte:, aber das Gericht gewährte ihm keinen Abtrag, der Herr versagte dem Diebe den Abtrag, den er dem Mörder wohl gewährte, denn Rache ist süß. Dies schreien die Männer hinaus: „König David, der den Urias tötet! Ehebrecher! Mörder! Fluch über den Herrn und sei» Haus! Ihm soll Gott ein Halsgericht halten und alle Höllenpein bereiten! Fluch über den Herrn!" Immer von neuem stürzt die Flut der Empörung über die Richter, die steif und stumm dastehen, und den Schwarzen, der mit gefalteten Händen die Gerechtigkeit Gottes lobpreist. Bis die Fronboten mit blitzender Waffe gegen das Volk Vorgehen. Da zieht es sich zurück. Eine Wolke krächzender schwarzer Vögel kreist über dem Platze, als der Gehängte abgenommen und verscharrt wird. Dann steigen die Büttel auf den einen, die Gerichtsherren mit dem Geistlichen auf den andern Wagen und fahren zurück, um dem ritterlichen Herrn zu Dorrenheinersdorf zu verkündigen, daß der von einem ordentlichen Gericht zum Tode Verurteilte nach Gebrauch und Ordnung hingerichtet sei, wie recht. * * Knack — knack. Aufgefahren bin ich. Knackte der Galgen? Furchtsam wende ich mich utn. Er steht nicht mehr. Dennoch leidet's mich nicht länger an diesem Orte. Meine Füße sind schwer, aber ich strenge mich an und eile dem Dorfe zu, bis das Galgengehege hinter mir liegt und — die gute alte Zeit. Aus: „Im Bann der Scholle" von Oskar Schwär, Verlag von Kommerslädt L Echodloch, Dresdrn-Wachwitz.