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Urausführung im Reichenauer Waldtheater Wilhelm rilttttiÄr „Vie Sliiaerdöfe". Reichenau, den 10. August. Der vergangene Sonntag bedeutete für unfern Heimat dichter Wilhelm Friedrich, seine getreue „Thalia" und ihre reizvolle Naturbühne im Tschauwalde einen großen Tag aller erster Ordnung, dessen Signum die Uraufführung des allseitig mit lebhafter Spannung erwarteten neuesten dramatischen Werkes „Die Brüderhöfe" bildete. Der Wettergott hatte dazu seine freundlichste Miene aufgezogen, obwohl die Aus sichten vormittags alles andere als vertrauenerweckend waren. Als es aber dann ums Ganze ging, strahlte der Himmel in ungetrübtem Azur, und wohlige Wärme schmälte über den Das Glück der kleinen Leute Von Max Zeibig-Bautzen fordern nicht viel vom Leben. Ein bescheidenes Auskommen nur. Nahrung und Kleidung. Und etwas Glück. Sie hungern nicht nach üppigen Gelagen und sind nicht lüstern nach Gold und edlen Steinen. Str pfeifen auf Fox und Shimmy und lasten sich nicht vom Talmiglanz moderner Vergnügungen locken. Sie wandern, wenn sie ihre Arbeit hinter sich und einen großen freien Tag haben, zu dem geliebten Stück Erde, das sie Heimat nennen. Etwas Sonne nur im Alltag, das ist's, was sie suchen. Am Abend sind sie in ihren kleinen Gärten, draußen vor der Stadt. Das ist ihr Glück; denn es ist ein Stück wertvolles Eigentum. Da bauen, pflanzen, säen, gießen und jäten sie. Und wenn ihnen nur eine spärliche Ernte an Früchten und Gemüsen reift, es ist doch aus dem eigenen Garten, ist selbst erarbeitet, selbst gezogen auf eigener Scholle. Die ganze Familie hat teil an diesem Glück. Hier ist sie verbunden mit gleichem Hoffen und Wünschen, hier genießt sie gemeinsam die stille Freude, die aus Sorg und Mühe erwächst. Jedes Korn, das keimt und grünt, im Halm emporschießt, wird de- obachtet. Jede Blume, die aufblüht, wird mit Liebe um schmeichelt. Und um die Erntezeit ist der Garten eine einzige Erfüllung brennender Liebe. Da wuchert es von Phlox, Ver benen und Balsaminen, da prahlen Malven an hohen Schäften über Georginen, Dahlien und bunten Asterbeeten, da neigen sich gutmütige Sonnenblumen in das grüne Gerank der Bohnen, und die Winden und Wicken klettern blaß und verblühend an braunen Zäunen in die süße Spätsommerfreude. Zum Erntefest bekommt die Laube eine ganz frische Farbe und die Wege werden mit frischem Sand bestreut. Lustige Fahnen Wimpeln über leuchtende Lampions. Freunde kommen zur Feier. Lebensharte Menschen neigen zu Zärtlichkeit und empfinden tiefe Sommerwonnen, wenn die Ziehharmonika alte Volksweisen schwärmt. Und wenn der Glanz der Abendsonne Türme und Giebel der Stadt vergoldet, trägt er sein Licht und seinen Frieden auch in die zufriedene Welt der kleinen Leute und segnet die Menschen, die wohl ein bescheidenes, mühevolles, aber ein Kern haftes Dasein führen, Menschen, die mit jedem Tag in ihrem eigenen Werte wachsen. Das Glück der kleinen Leute kann einmal das Tor zu einer besseren deutschen Zukunft werden. Denn es ist eine Keimzelle alles Guten. Es bricht aus der Kraft der eigenen Scholle und trägt empor, was tiefstes deutsches Wesen ist. Hier gibt es keinen Parieihaß und kein Gezänk. Hier ist nur Liebe und Sorge um ein eigenes Stück deuischer Erde. Hier blüht die Freude, die aus rüstigem Schaffen wächst. Land ist vielen deutschen Menschen noch Sehnsucht. Gebt ihr Erfüllung! Gebt ihnen Erde, Heimat, und ihr vermehrt damit das Glück der kleinen Leute! duftigen Wiesen. Lange vor Beginn der Vorstellung wimmelte es auf den weithin übersehbaren Zugangswegen von bunten Menschenmassen, die in fröhlicher Feiertagsstimmung der be- kannten grün-weißen Flagge zustrebten. Die Mannen an der Kasse und die Ordner im Zuschauerraum hatten schweren Dienst, und es dauerte nicht lange, bis der letzte verfügbare Sitzplatz besetzt war. Eine Anzahl Besucher hatten sich vorsichtshalber Hocker und andere Sitzgelegenheiten mitgebracht, und außer dem umrahmten Hunderte von richtiggehenden Stehplatzinhabern in dichten Kolonnen die Bankreihen. Die Bühnenausstattung mit ihrer ungemein geschickten und geschmackvollen Anordnung der vier verschiedenen Schauplätze, dem hübschen Ziehbrunnen und dem reizenden Taubenschlag nebst seinen leibhaftigen Be wohnern erhöhten die Spannung auf die kommenden Dinge. Der Stoff des jüngsten Sprosses der Friedrichschen Muse ist, wie wir hörten, der Weigsdorfer Dorfchronik entlehnt, aber vom Dichter wohl berechtigtermaßen mit poetischer Freiheit ausgestaltet. „Die Brüderhöfe" sind dank der straffen Kon zentrierung der Szenenführung vielleicht das beste und bühnen wirksamste Werk, das uns der Verfasser bisher beschert hat. Der Hintergrund der Geschehnisse ist nicht so tragisch wie etwa „Hennerch - Lobels Feuer", „Im Strohkranz" oder „Aus der Franzosenzeit", aber doch ziemlich ernster Natur. Immerhin wird das Ganze mit dem kostbaren versöhnlichen Humor über goldet, der uns unfern Wilhelm Friedrich so liebenswert macht. Und wiederum verdanken wir seiner außerordentlichen Beob achtungsgabe eine Menge von Einzelzügen, die seine drama tischen Schöpfungen zu Spiegelbildern des wirklichen Lebens machen und für die Oberlausitzer Volkskunde in sprachlicher und kultureller Hinsicht von so unschätzbarem Wert sind. Das neue Heimatspiel führt uns in die Zeit vor 1860. Die Riegerbauern hatten vor ein paar Menschenaltern ihr großes Anwesen anläßlich einer Erbschaftsregulierung in zwei Höfe aufgeteilt, deren Besitzer sich schon in der nächsten oder übernächsten Generation befehdeten wie weiland dieMontecchi und Eapuletti. Auf dem einen Gute sitzt, als das Spiel an hebt, der Bauer Eduard Rieger, ein widerborstiger Kerl, mit seiner zweiten Gattin Frida und seiner aus erster Ehe stam menden Tochter Martha, die ebenfalls einen Schutz Zwider- wurzn in sich hat, aber ein kreuzbraves Lausitzer Mädel ist/ In dem anderen Hofe hat den Besitzer vor geraumer Zeit das Zeitliche gesegnet. Da ein Testament nicht aufzufinden war, der ältere Sohn Ernst aber ausgewandert und verschollen war, weil seine Iugendgeliebte, eben jene Frida, ihn um den schnöden Mammon willen verraten und seinem Vetter Eduard die Hand gereicht hatte, so sind die Eigentumsverhältnisse hier ungeklärt. Der jüngere Sohn Hermann, der mit seiner Mutter Christiane das Gut bewirtschaftet, ohne zu wissen, ob er es für seine eigene Zukunft zu tun berechtigt ist, fühlt sich durch diese Ungewißheit schwer bedrückt. Außerdem hat er sich in seiner Unerfahrenheit mit dem Makler Goldstein in Wechselgeschäste eingelassen, die er am Fälligkeitstage nicht abstoßen kann. Eduard, der mit allen Mitteln danach trachtet, die beiden Höfe wieder in seiner Hand zu vereinigen, bekommt dadurch eine gefährliche Waffe gegen seinen Vetter. Aus einem widerrechtlich geöffneten Briefe, den er dem Postboten abgeschwatzt hat, er fährt er, daß der verschollene Ernst, von Heimweh getrieben, aber mittellos demnächst wieder daheim eintreffen wird, und verdoppelt nunmehr seine Anstrengungen, mit Hilfe des in seiner Hand befindlichen Wechsels sein Ziel zu erreichen und die Nachbarsleute von Haus und Hof zu vertreiben. Von der aufgekeimten Neigung zwischen seiner Tochter Martha und Hermann, die trotz ergötzlicher Katzbalgereien zum Durchbruch kommt, will er natürlich unter keinen Umständen etwas wissen. Ernst kehrt wirklich heim. Da flammt in Frida Rieger, die unbeschadet der unbegrenzten Fürsorge des Gatten in ihrer Ehe nicht das erhoffte Glück gefunden hat, die alte Leidenschaft zu dem Iugendgeliebten wieder auf. Sie bestürmt Eduard, sie freizugeben und sucht, als sie dabei auf entschiedenen Wider stand stößt, Ernst zur gemeinsamen Flucht zu überreden.