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komme schon noch zurecht, jetzt habe sie keine Zeit mehr. Da lief sie auch schon zum Hofe hinaus. Ruth aber ging im Hause ihrer Arbeit nach. Eine Weile blieb der Hof leer, als plötzlich ein Paar erschien, dessen einer Teil garnicht freiwillig vor wärts wollte. Die Kraut-Lenore mußte ihren Toni vor sich herschieben wie der Fleischer ein Kälbchen, das zur Schlachtbank soll. „Komm ock, komm!" ermunterte sie ihn, „'s ös zo denn Besin. Wörscht mersch no dankn." Toni aber sträubte sich mit Händen und Füßen, indem er sich in den Boden einstemmte und so dem Borwärtsdrange der Mutter einen Dämpfer aufzusetzen bemüht war. Mit den Händen gestikulierte er in der Luft umher, ohne hier allerdings einen festen Halt zu finden. Ängstlich stotterte er: „Iech hoa a—aber goar Ke —keen Lost. Ond de — de Ruth will miech oh goarne." „Riäd nö söchn Onsönn! Diech ond nö hoan wolln. Wan sell sö denn danno hoan wolln?" Der Mutter Stimme klang ungeduldig und ärgerlich. Daß der Junge doch auch gar keine Spur von Selbstvertrauen besaß! Das war wohl das Erbteil seines Vaters. Tonl war es gelungen, den Transport zum Still stand zu bringen. „Wan se hoan will, weeß iech oh nö," entgegnete er pomadig. „Na siste! Ommer komm! Du finst keen zweete wie de Ruth. Ond die koan oh lang suchn, eb sö en find wie Diech." „Iech weeß ömmer no nö, woas'ch miter riädn soll." „E, doas kömmt vo alleen." „Denkst?" „Nu freich, brauchst ock druf woartn. Do gibts goar kee grüß Iberliän. Os emo leit's of dr Zung." Zwar immer noch ungläubig, aber doch etwas ge tröstet, sagte Tonl, daß er es versuchen wolle, ob es bei ihm auch auf der Zunge liegen werde. Lenore streichelte ihm die Wangen. Endlich hatte sie ihn auf gutem Wege, wo sie ihn haben wollte. „Ond nöwuhr, doas versprichst mer oh! Om de Ruth giehst a bößl su dröm röm, dosse merkt, woas D' wöllst." „Euja," versprach Tonl, ohne zu wissen, was die Mutter da von ihm verlangte. Und Lenore gab ihm nun noch verschiedene Rat schläge, wie zum Beispiel, daß er ein bißl „porforsch" sein müsse, nicht „mahrn" dürfe, sondern daß es gut sei, resolut an den Speck heranzugehen. Er brauche doch nur bedenken, daß er Krautbauers Einziger sei, das werde ihm die nötige Schneid geben. Während sie auf diese Weise in ihren hoffnungs vollen Sprößling hineinredete, schaute Ruth aus der Haustüre. Hui, zog die ein Gesicht, als sie das Paar im Hofe stehen sah. Sollte denn kein Sonntag mehr vergehen, ohne daß die ihr die Laune verdarben! Da sah sie sich schon von der Kraut-Lenore entdeckt, eben, als sie schnell den Kopf hatte zurückziehen wollen. Nun mußte sie schon standhalten. Die Nachbarin empfing sie mit einem lauten Wort schwall, konnte nicht genug Worte der Freude finden, sie * zu Hause zu finden, habe sie doch geglaubt, sie sei in Lipsdorf zur Kirmes. Da konnte Ruth nicht anders, als ihr entgegenzugehen. Während sie der Nachbarin zu frostigem Willkommen gruße die Hand reichte, mußte sie aber unwillkürlich dem sonderbaren Gebühren Tonls zusehen. Dieser machte einen großen Bogen um sie und strebte der Haustür zu. Erstaunt sah Ruth die Krautbäuerin an und fragte, was denn mit dem da los sei. Die Gefragte schüttelte den Kopf, war ebenso er staunt und rief: „Nee, woas Hot a ock amo wieder? Komm doach amo har!" Der Bursche kam denn auch zurück, beschrieb aber dabei denselben großen Bogen um Ruth wie erst. Das Mädchen biß sich in die Lippen, um nicht hell auflachen zu müssen. „Du tust ju groad, oas wenn 'ch a toller Hund wär," rief sie ihm zu. Tonl aber stotterte verlegen: „Nu nu nee. Aber de Mo—Motter Hot abn gsoit ..." Lenore ahnte, daß ihr Söhnleiti daran sei, aus der Schule zu plaudern, weswegen sie schnell einfiel: „Nee, woas D' ock amo wieder wörscht verstann hoan." „Nu freich host vurtn gsoit . . .", ließ sich Tonl nicht abbringen. „Nischt, nischt hoa'ch gsoit. Tu nö su oartlich. Host no nö amo „Gun Tagg" gsoit." „Gun Tagg!" erklang es mechanisch von des Bur schen Munde. Dann aber versteifte er sich sofort wieder: „Aber freich host vurtn gsoit ...." „Nu ja doach, do loß doach nu sein!" schrie ihn die Mutter erbost an, damit er mit seiner unbesonnenen Art nicht alles voraus verdürbe. Aber da stand schon Ruth dicht bei ihm und flüsterte ihm zutraulich in das Ohr: „Woas hottn de Motter gsoit." Und ehe es Lenore verhüten konnte, war auch schon Tonls Antwort heraus. „Die Motter Hot abn gsoit, iech sell a bößl öm Dch röm giehn." Daß es jetzt Ruth nicht mehr gelang, ernst zu bleiben, war wohl kein Wunder. Nachdem sie sich gefaßt hatte und ihr Lachen verklungen war, meinte sie zur Nachbarin, sie sei wohl bemüht, ihren Sohn anzubringen. Na, dazu wünsche sie viel Glück. Das klang so spöttisch, daß der Lenore der Arger hoch stieg. Doch wollte sie es mit dem Mädchen auf keinen Fall verderben und sagte daher er staunt: „Iech weeß nö, woas dar muß verstann hoan. Nu ja, 's stömmt schonn, su woas Ahnlches hoa'ch wuh gsoit. Iech wolltn a brinkl zorickhaln, doß as nö su sahn sell lossn, wie a verschossen e Diech ös. Aber iech war ötz ad Stub neigiehn. Bleibt ock a bößl benanner!" Sie ging in das Haus und war froh, den Blicken der Riegertochter entronnen zu sein, denn die hatten mit einem Ausdrucke auf ihr geruht, den Lenore beim besten Willen nicht anders als niederträchtig bezeichnen konnte. Da flogen ihr auch noch höhnische Worte des Mädchens nach. „Bleibt ock nö zo lang! Mär wörd schonn himml- angst ver Euern Sühn, wenns mit dann su weit ös, doß dein nömie derbändgn könnt." Dem Burschen tat das Mädchen leid, aus dessen Rede er ersehen zu müssen glaubte, daß es Angst vor seiner impulsiven Männlichkeit habe. Um es zu be schwichtigen, erklärte er, so schlimm sei das nicht mit ihm, die Mutter habe das bloß so hergeredet. Ironisch drohte ihm Ruth mit dem Zeigefinger. „Na, na, na!" „Nee, nee, 's ös wuhr. Ver mär brauchst keen Angst hoan," beteuerte Tonl noch einmal treuherzig. Fortsetzung folgt.