Volltext Seite (XML)
Da sind z. B. die Orchideen so empfindliche Pflänzchen, daß sie mit wenigen Ausnahmen (etwa die häufige Orckis maculata oder auch L-cktera ovata) durch Wiesendüngung oder Dränage vertrieben worden sind. Die feineren „Kuckucks, blumen", wie die Gattung Orchis bei uns genannt wird, sind im Verschwinden begriffen, so O. 8ambucina oder O. Norio. Ebenso geht es dem Hohlzüngel (Loeioglossum viricie), der Drehwurz (Spirantkes spiralis), der Stendelwurz (k^latantlioia cklorantka) und anderen. Zwar ist das Pflücken solcher selte ner Gewächse bei uns jetzt durch Gesetz verboten: allein so lobenswert diese Maßnahme ist, so bezweifle ich doch, daß sie noch zeitig genug getroffen worden ist. Und wollte man solche dem Untergang geweihte Pflanzen doch noch retten, so müßte man ja auch anordnen, daß die Bauern ihre Wiesen sogleich vernachlässigen sollten, damit sie sich wieder zurückentwickeln könnten, ihrem Urzustände entgegen. Das Seltenwerden einiger Arten ist auch darauf zurück zuführen, daß die Kräuterweiber Jahrhunderte hindurch hinter ihnen herwaren und sie oft mit Stumpf und Stiel aus dem Boden kratzten und verwerteten. Nur drei will ich nennen, deren Heilkraft auch von der Wissenschaft anerkannt ist: den Baldrian (Valeriana okficinalck), das Tausendgüldenkraut (kir^tkraea Lentaurium) und den Wohlverleih (Arnica Mon tana). Alle drei sind in unserer Gegend jetzt sehr spärlich zu finden. Jeder Pflanzenfreund weiß, wie unvernünftig leider so viele Ausflügler sich seltenen Pflanzen gegenüber benehmen. Die Gleichgültigen unter ihnen, die ihre Kinder draufzu große Sträuße zusammenrupfen lassen, sind ebenso schlimm wie die Eifrigen, die sich selbst auf jede schöne unbekannte Blume, die am Wegesrand blüht, erbarmungslos stürzen. Auf Feldrainen und an Waldrändern in der Umgebung meines Heimatortes prangt allsommerlich eine wundervolle große Glockenblume (Eampanula porsicikolia). Pflückt man sie etwas ungestüm, so entreißt man nur zu leicht die ganze Pflanze dem nähren den Boden; denn das Wurzelwerk liegt sehr oberflächlich und ist überhaupt ziemlich spärlich. Überall an den Wegen und Pfaden, die häufig von Czornebohwanderern begangen werden, ist die schöne Blume so gut wie ausgerottet: nur an heim licheren Stellen hält sie sich noch. Nicht viel anders hat sich auch das Schicksal des gelben Fingerhutes (Digitalis ambigna) in meiner Heimat gestaltet. Als Feind der Waldpflanzen wäre auch die sogenannte rationelle Forstwirtschaft zu nennen, jene bedauernswerte Ver irrung, die vielen unserer lieben Lausitzer Berge den eintönigen, nüchternen Fichtenforst beschert hat. Wie grausam tötet be- sonders die junge Fichte alles Unterholz, alle Waldboden gewächse! Nur ein Beispiel: vor einigen Jahren entdeckte ich an einem Zulisonntag auf einer Schonung im Czornebohgebiet eine verschollene Pflanze wieder, die schlanke, feine Siegwurz (Oladioius imbricatus), und zwar in erfreulicher Anzahl. 3m vorigen Jahr kehrte ich einmal wieder dahin zurück. Nichts mehr, nicht eine einzige Spur trotz ausführlichen Suchens! Dafür waren die jungen Fichten hochgeschossen und hatten ihr Erstickungswerk begonnen. Muß man in diesem Falle jegliche Hoffnung aufgeben? 3ch weiß es nicht, aber es gibt ja Bei spiele, daß Pflanzen nach jahrelanger Abwesenheit plötzlich an gleichem Ort wiedererscheinen. Eine Orchidee, die Sitter (Lpipactck latikoiis), tauchte z. B. vor zwei 3ahren im Drohmbergwalde an einer Stelle, die seit 1920 meiner Beob achtung leicht zugänglich ist, in überraschender Zahl plötzlich auf. Es ist wohl nicht anders denkbar, als daß ihre Wurzeln seit 3ahren in diesem Boden geschlummert haben, bis nun die Lebensbedingungen einmal wieder so günstig wurden, daß sich die Pflanze an die Oberfläche wagen konnte. Zum Schluß möchte ich nun noch von einer der seltensten Pflanzen Sachsens sprechen, die leider auch dem Untergang geweiht zu sein scheint. 3ch meine das Moorveilchen (Viola uli8ino8g). 3n der Wünscheschen Flora vpn Sachsen, die mir zur Hand ist, finden sich sechs Angaben von Orten, wo das Moorveilchen noch vorkommen soll: doch darunter steht der für den Botaniker betrübliche Vermerk: „Sämtliche Standorte neuerdings nicht bestätigt." Den Lausitzer Standort (Wuischke am Czorneboh) kann ich doch noch bestätigen: ich kenne ihn durch meinen Vater seit vielen Fahren schon, und glücklicher weise nur ganz wenige andere wissen von ihm. Mein Vater entdeckte ihn vor etwa 40 Fahren, und der seinerzeit sehr be kannte Botaniker Major von Treskow aus Görlitz stellte ein wandfrei fest, daß es sich um V. uliginosa handele. Auf sumpfigen Wiesen am Gebirgsfuße, die von einem kleinen Bächlein durchrieselt waren, blühte damals das interessante Pflänzchen in wunderbarer Menge, ein Entzücken des Kundigen. Und wie steht es jetzt damit? Als ich dies Fahr Ende April die Stelle aufsuchte, hatte ich große Mühe, überhaupt etwas noch aufzustöbern. Fünf blühende Exemplare blieben die ein zige Ausbeute, von wenigen kümmerlichen Blättchen abgesehen. Natürlich ließ ich sie mit stillen Segenswünschen alle unbe schädigt an Ort und Stelle. Daß es die echte uligino8a war, das bewiesen die langen, aufrechten, blattlosen Blütenstiele mit den großen dunkelvioletten Blüten und die charakteristisch Herz- förmigen Blätter. Verglichen mit V. palu8tri8, V. 8ilve8tri8, V. canina, die alle auch auf denselben Wiesen vorgefunden wurden, sicht V. uI,Aino8a überhaupt geradezu vornehm aus, ein kleiner Aristokrat. Stumm und klaglos stirbt sie nun dahin, auch ein Opfer der rationellen Bodenbewirtschaftung. Das Bächlein ist zu einem nüchtern geraden Graben vertieft worden: das Buschwerk hat man zum größten Teil gerodet, das Sumpfgelände entwässert und gedüngt. Der getrocknete „verbesserte" Boden trägt jetzt ein ganz leidliches Heu, und die Kühe des Bauers werden vermutlich sehr gleichgültig bleiben, wenn sie einst die letzten Blättchen von Viola ulißfi- no83 in sich hineinfressen werden. 8ic traimit . . .! So wird wohl niemand eine Verarmung unserer natiir- lichen Flora ableugnen können. Ob das Pflanzenschutzgcsetz ihr Einhalt tun kann, muß in Frage gestellt werden. Die Mehrzahl unserer Volksgenoffen steht diesen Dingen auch ganz gleichgültig gegenüber: sie haben andere Fnteressen, und doch könnte man wünschen, daß in einer Zeit, wo jeder prähistorische Scherben sorgsam der Nachwelt überliefert wird, auch für be drohte Geschöpfe der lebendigen Natur mehr getan wird. Während auf der einen Seite also Rückgang und Sterben unverkennbar sind, kann man andererseits beobachten, wie die Gärtnerkunst immer neue und farbenprächtigere Arten beliebter Zierblumen züchtet. Welch ungeahnte und noch unbegrenzte Bereicherung ist hier eingetreten! Aber wie die Menschen oft denjenigen am meisten beachten, der am weitesten den Mund aufreißt, so haben sie auch fast immer solchen Blumen ihre Gunst geschenkt, die von jeher schon viel von sich hermachten. Zahlreiche Ausländer sind darunter. Freilich prahlen und prangeti sie nun herrlich in den Gärten, und der wäre ein Narr, der sich ihrer nicht auch freute: aber meine Hochachtung gilt doch nicht ihnen, die es nur durch Gunst und Kunst der Menschen so weit gebracht haben, sondern sie gilt den Pflänz chen, die draußen in Flur und Wald frei und unbeschützt ihr einsames, hartumdrohtes Schicksal tragen. Gornrnertted Im Volkston Wenn dis Linden blühen, Wenn dis Schwalben fliegen, W der Sommer da, Am die Dossnzeit, Wenn die Linden blühen — Wenn dis Schwalben fliegen, Weißt du, was geschah? Kommt mein altes Leid. Lindendust und Dosen, Holderbujch, Fasmin . . . Daß du mich verlassen, Heut sei dir's verziehn. Gustav Wolf, Weifa.