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Wie sich die Gedanken finden, wie sie in ihm aufsteigen, so legt er sie einfach nieder. Er empfindet es auch, denn er schreibt an seinen Freund Caspar Lindner: „Mein ganzes Schreiben ist das eines Schülers. Gott hat meine Seele ge führt und ich kann mir in Wahrheit nichts zumessen, daß meine Ichheit etwas wäre oder verstände." So wunderbar bescheiden war dieser schlichte gottbegnadete Mann aus dem Volke. Geradezu staunenswert ist es aber, wie weise und tolerant jener Mann war in einer Zeit, wo er von Intoleranz um geben war. Er war ein Mann mit dem Herzen eines Kindes, der in einer Zeit lebte, wo die verschiedensten reformatorischen Ideen und Sekten die Köpfe verwirrten, wo zum großen Teil tote dogmatische Rechtsgläubigkeit im Luthertum herrschte. Die Christenheit — und Babel, sagt er In seiner Wieder geburt, zankt um die Wissenschaft, wie man Gott dienen und ehren kann, wer nicht in allen Stücken mit ihnen einig sei in der Wissenschaft und Meinung und im Gottesdienst, der sei kein Christ, der sei ein Ketzer. — Nun wolle ich doch gern sehen, wie man alle ihre Sekten sollte zusammen in eine universelle Religion bringen, die sich die christliche Kirche mit Stolz nennt, weil sie allesamt nur Verächter sind, da ja ein Haufen den andern lästert und verdammt. Ein wahrer Christ aber hat keine Sekte. Er hat nur eine einzige Wissen schaft, das ist Christus in ihm. Er sucht nur einen Weg, der ist die Begierde, immerdar gern recht zu tun und recht zu leben, nichts andern zu tun, was man auch ihm nicht antun soll. Er stellt all sein Wissen und Wollen ins Leben Christi ein. Er seufzt und wünscht immerdar, daß doch Gottes Wille in ihm möchte geschehen und sein Reich in ihm offenbaret werden: „So Jakob Böhme vor 300 Jahren!" Die folgenden Philosophen gingen an unserem bescheidenen theosophischen Grübler nicht achtlos oder stolz vorbei. Männer wie Jakobi und Fichte in seiner logischen Dreiheit von Ein heit,Trennung und Wiedervereinigung kamen aufihn zurück, auch bei Hegel und Schelling finden sich Berührungspunkte, namentlich bezieht sich letzterer in seiner Untersuchung von der Quelle und Ursache des Bösen auf der Welt aus dem göttlichen Urgrund direkt auf Böhme. Eine große Ähnlichkeit findet sich auch zwischen seiner Metaphysik und der Kants. Die Seele, philosophiert Böhme im 61. Buche vom übersinnlichen Leben, bedarf, wenn der Leib stirbt, keines Ausfahrens und Einfahrens in Himmel oder Hölle, diese sind keine Orte, denn Himmel und Hölle sind überall gegenwärtig, die Seele hat Himmel und Hölle schon zuvor in sich selbst. In den guten ist der Himmel, in den Bösen die Hölle, in Zeit und Ewigkeit. — Wenn Gottes Licht nicht in ihr scheint und seine Liebe sie nicht berühret, so wohnt die Seele in sich selber in der Hölle und bedarf keines Einfahrens. Das Himmelreich aber ist in den Guten in ihrem Glauben wirkend und empfindlich. Kant sagt in seinen Vorlesungen über die Metaphysik: „Die Trennung der Seele vom Körper ist nicht in eine Ver änderung des Ortes zu setzen. Wenn die Geister wohl denkende und heilige Menschen sind, und Seele in ihrer Ge meinschaft ist, so ist sie bereits im Himmel. Ist die Gemein schaft der Geister aber bösartig, in der sie sich befindet, so ist die Seele in der Hölle. Der Himmel ist aber allerwärts, wo solche Gemeinschaft heiliger vergeistigter Wesen ist, er ist aber nirgends, weil er keinen Ort in der Welt einnimmt, in dem die Gemeinschaft nicht in der Körperwelt errichtet ist. — Die Seele wird nicht'in die Hölle kommen, wenn sie bos haft gewesen ist: sondern sie wird sich nur in der Gesellschaft der bösen Geister sehen und das heißt in der Hölle sein." Böhme starb nach kurzer Krankheit im Jahre 1624 im Alter von 49 Jahren, fest wie ein echter Mann und Christ wartete er seiner Stunde: er nahm Abschied von den Seinen und schlief ruhig und ergeben mit den Worten ein: „Nun fahre ich hin ins Paradies." Einige Tage zuvor hatte der zweite Prediger Elias Diet rich den Schwerkranken noch mit einer spitzfindigen Prüfung über die wahre Glaubenslehre gequält und ihm erst dann das heilige Abendmahl gereicht. Der Leiche des Ketzers wollte keiner der Geistlichen folgen, erst durch den kategorischen Befehl des gerade anwesenden Stadthalters des Grafen Hannibal zu Dohna wurde ihm ein ehrliches Begräbnis zu Teil. Nur gezwungen hielt Elias Dietrich die Predigt am Grabe, die unduldsam und ausfallend war,daß die Familie und seine Freunde empört waren über diese Art von Trauerrede. Der Romantiker Novalis hat in dem Gedicht „Ersehet- nung" Böhme und sein Wirken mit folgenden Worten charaktristert: Ich habe treulich ausgeschrieben Was mir der Geist geoffenbart Und bin verkannt und arm geblieben, Bis ich zu Gott gerufen ward. Frau Dr. E bst ein» Görlitz äußert sich Uber die theosophische Weltanschauung wie folgt: Die theosophische Anschauung Diese Weltanschauung betont dir Notwendigkeit der Aufklärung und Veredelung der Menschheit. Die Leide» des Daseins können nur dadurch überwunden werden, wenn ihre Ursachen vernichtet werden. Die Selbsterkenntnis des unvergänglichen Wesens, das jedem Menschen wir allem Dasein zu Grunde liegt, schafft diese Be freiung, nicht der Glaube mit seinen Dogmen. Die Ausgabe des Menschen ist es, eine wahrhaft geistig göttliche Natur und seine Einheit mit allen Menschen zu erkennen, und in dieser Erkenntnis der Menschheit selbstlos zu dienen. In der auf das Einheltsbewußt- sein gegründeten theosophischen Weltanschauung erblickt diese die Erlösung von Leiden. Sie führt ohne Rücksicht auf Raffe, Natio nalität, Konfession, Stand und Geschlecht zu tieferem Verstehen aller Lebensvorgänge zur seelischen Erkenntnis, zu dem Zusammenhang der Dinge, zum inneren und äußeren Frieden und zu einer höheren und einer edleren Menschhritskultur als das starre Festhalten an dem Glauben, den wir von unfern Eltern und Vorfahren übernommen haben und den wir ohne eignes Nachdenken, ohne innere Über zeugung nicht bewahren können. Der Freischütz Nach einer alten Neukrircher Sage Erhard Nierich, Neukirch n der behaglichen Holzstube der alten Büttner Iahnels Mine hatten sich wie allwöchentlich die Mädchen der Nachbarschaft wieder eingefunden, und die Spinn räder schnurrten um die Wette, selbst die graue Katze, die bei der Mine auf der Schulter saß, stimmte mit in das Surren ein. Sie kamen gerne zu der alten Frau „zu Rocken" die Mädchen und freuten sich die ganze Woche auf diesen Tag: denn niemand wußte so viele Sagen, und niemand konnte so schön aus alter, längst vergangener Zeit erzählen, als eben Büttner Iahnels Mine. Und wenn das alte Mütterchen, das selbst noch das Spinnrad meisterte, bei einer besonders spannenden Erzählung das Rädchen anhielt und mit ihren knochigen Händen in die Dunkelheit des Stübchens griff, als wollte sie die alten Gestalten selbst herzuholen, da schwiegen die flinken Rädchen alle, und die Mädchen schauten gespannt in das knittrige Faltengesicht der Alten, als könnten sie auf der pergamentenen Haut ihrer Wangen lesen, was die alte