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und auf der anderen Seite die Fortsetzung: „Zur Heimat hin," ein Ausspruch, der von Goethe stammen soll. Er lehrt uns zutiefst unsere irdische Heimat recht anschauen: Sie ist ein Bild, hinter dem sich ein schaffendes Wesen verbirgt und zugleich offenbart. Sie ist die Brücke, Übergang zur wahren Heimat hin und ordnet als dienendes Glied sich den höheren Zwecken ein. „Darum, o Mensch, hast du ein Vater-, ein Heimatland, du mutzt es ewig lieb haben." Denn es ist die selbstloseste, treueste Dienerin deiner Seele. (Vorstehender Aussatz, als Vortrag gehalten von Herrn Pfarrer 2. Haan in der Wanderoersammlung der Lusatia in Eibau, wurde auf mehrsachen Wunsch abgedruckt.) hindurchschimmert, so ist auch die Heimat verhüllendes Kleid für wesenhaftes Sein, das dahinter heroorleuchtet. Und so will sich denn ein Fenster weit öffnen und durch es hindurch zu uns hereinstrahlen alle verborgene Sonnenhelle des Daseins. Und weit soll werden unser Herz. Da ist dein Land, dein Volk, dein Dorf, deine Stadt, — „wie ausgebreitet Spielzeug Gottes anzuschauen," wie aus geschnittene große und kleine Kreise aus einem großen Gesamt bild. Und dem durchschauenden Auge schimmert durch dies Bild geheime Schrift: In der Mannigfaltigkeit der Welt wird offenbar des Geistes verschwenderischer Reichtum. Da ist dein Wald, deine Wiese und dein Feld. Die alten Eichen rauschen, wie einst den Ahnen, wie künftig den Enkeln. Und ihr Lied singt von der Ewigkeiten schweren unerschütter lichen Gang. Da ist dein Elternhaus und dort dein junges Heim. Der Regenbogen steht darüber und senkrecht auf vom Schornstein steigt der Rauch. Und das ist dieses Bilds geheime Schrift: Behausung ist alles dem Geist. Da ist dein Familienglück: dein Weib, die Kinder und „des Hauses Krone", die betagten Eltern. Von einem zum andern wandert dein Blick, von der Kinder Spiel und Lachen, das zu dir herausklingt, zu den ineinander ruhenden Händen, zu den segensvoll waltenden Augen der Eltern. Und der Tiefen- blick enträtselt dies als Sinn: Einheit lebt von der Entzweiung, und Liebe ist ihr Spannungsträger. Da ist die gute alte Sitte vom Dorf, von der Stadt, vom Sonntag oder Werktag, aus Freude und aus Leid. Und dies ist ihre geheime Schrift: Aus tiefster Eeelenkraft Erworbenes ist unversieglicher Brunnen des Segens. Da ist dein Werktag, die Stätte deiner Arbeit, in freiem Feld — der Landmann schreitet, aus weitzem Tuch den Samen ins Weite streuend —, in der Werkstatt bei Winkelmaß und Gehrung, am Schraubstock, im Fabriksaal oder der Schreib stube. Und das kündet das Bild: Schaffen, unaufhörliches Schaffen ist Weltengesetz, und Schaffen zum Geist hin ist Weltenziel. Da ist dein Feierabend, nach des Tages Last und Mühe die Einsamkeit im Abendsonnenschein vor des Hauses Tür, oder die Stille des Familienkreises beim Lampenschein. Und durch schimmert die Schrift: Schauplatz der größten Dinge ist immer die tiefste Stille. Da ist dein Heimatglockenton vom Kirchlein des Dorfs oder vom Dom der Stadt. Seit Jahrhunderten klingen alle Töne der menschlichen Seele in ihm, geben dem Geläut seine Seele und lassen daraus ahnen die alte Weisheit: Eine Art Musik ist alles höchste Sein. Da ist dein Feiertagsvorabend. In deiner Seele klingt es: „Wie heilig ist der Abend heut! Es kommt auf weichen Wogen Mein Heimwehtag im Festgeläut Der Glocken hergezogen. Und wie die letzte Glocke schweigt, Erstirbt das Werktagssorgen. Ein Englcin nur im Herzen geigt Den Sonntag ein für morgen." (K. E. Kn°dt.) Am Feiertagsvorabend wie am Feiertag ist es, als müsse jedem die verborgene Schrift seiner Heimat deutlich und les- bar werden. Denn da bekommt alles, das Kleinste wie das Größte, das Wichtigste wie das Nebensächlichste eine unsag- bare Bedeutung, einen geheimen Glanz, ein Sonntagsaussehen, und es mahnt: Empfinde Heimat, erkenne Heimat!, die Wirk- lichkeit, welche der Erdenwirklichkeit sich nur bedient, dem Menschen einerseits seine Heimatlosigkeit im Reich des Mate- riellen zum Bewußtsein zu bringen, andererseits aber ihn in Verbindung zu setzen durch sie mit der letzten wahren Heimat des Menschen, dem Reich des Geistes. Auf einer Brücke oberhalb Köndringen im Breisgau steht an den massigen Steinquadern der Brückenpfeiler auf der einen Seite: „Alles ist Übergang" Die Gberlausihische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz n dem Jahrs 177S gegründet, nimmt die Gesellschaft für sich M den Duhm in Anspruch, dis älteste Geschichtsgejellschast ganz Deutschlands zu sein. Sie hat sich hauptsächlich die wissenschaft liche Erforschung und Bearbeitung der Geschichte, Altertümer und Landeskunde dec Gberlausitz zur Ausgabe gesetzt und hat das in den 147 Jahren ihres Bestehens vornehmlich durch Herausgabe von Zeitschriften, Lcriptores, coclices äiplornstici zu erreichen ge sucht. Ihrs jetzige Gesellschastszsitschrist, das „Neue Lausitzische Magazin", erscheint seit 102 Jahren und wird in diesem Jahre auf den 62. Band gedeihen, eine Zeitschrift, wie sie kaum eine andere Landschaft Deutschlands auswsisen kann. In den letzten Jahren hat die Gesellschaft es ermöglicht, ein grosses Werk über den Gbsr- lausitzer Adel und seine Güter hsrauszugsben, in dem unter andern alle adligen Grossgrundbesitzer der Gberlausitz und dis Besitzer aller Rittergüter seit dem 30 jährigen Kriegs ausgssührt und besprochen werden. Heute ist man bemüht, die Erforschung des Wirtschafts lebens unseres Landes in Vergangenheit und Gegenwart stärker in den Vordergrund zu rücken und damit berechtigten Forderungen unserer Zeit entgsgenzukommen; wie denn überhaupt alle Be strebungen der Gesellschaft von dem Gedanken getragen sind, dass jede geschichtliche Forschung letztlich der Erkenntnis und dem besseren Verständnis der eigenen Gegenwart dient. Die Bibliothek, dis über 166660 Bände betragen mag, enthält die reichste Fülle heimischer und sonstiger Gsschichtsliteratur, umsasst aber auch die anderen Zweige der Wissenschaften. Eins reiche Kupferstich-, Münz-, Siegel- und Kartenjammlung steht ferner den Mitgliedern zu Gebots. Die Stifter dec Gesellschaft waren Adolph Traugott von Gersdors aus Messers dorf und der Görlitzer Bürger Karl Gottlob von Anton; unter den Präsidenten sind zu nennen der Gras und Standesherr von Lallen berg auf Muskau (f 1765), der Sächsische Konserenzministor v. Nostitz und Hänkendorf (1765—1817 Präsident), de: Gberpräsidsnt G. v. Seyde- witz (f 1898), der Landeshauptmann P. v. Wiedebach und Nostitz- Hänkendors aus Arnsdorf (f 1S23). Der jetzige Präsident ist der Standesherr Dr. A. Gras v. Arnim auf Muskau. Berühmte Mit glieder waren der Archäologe Numismatiker und Maler von Schach mann aus Königshain, der grosse Philosoph Johann Gottlieb Fichte, Hoffmann von Fallersleben, Karl Lachmann, Jakob Grimm, Wacker nagel, Moritz Haupt, der Kirchenhistoriker Hase, der umsichtige und grosszügige Kaufmann, Landwirt und Kunjtjammler v. Spsck-Stern- burg (f 1856), der grosse Jurist und Philologe Homsyer, dec Kultus minister von Raumer, die grossen Historiker Pertz, Waitz, Watten bach, ein Alexander von Humboldt, Fürstbischof Dr. Förster, Fürst Pückler-Muskau. Immer war die Gesellschaft bestrebt, die besten Köpfe der Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft in Stadt und Land zu ihren Mitgliedern zu zählen und zu gemeinsamer schöpfe rischer Arbeit zusammenzusühren. Eins wichtige Rolle auch ausser halb ihrer eigentlichen Bestrebungen spielte die Gesellschaft von 1815 bis 1866, in dem sie aus dem neutralen Boden der Wissenschaften und des Forschens dis Einheit der Gberlausitz und damit das Band zwischen Sachsen und Preussen treulich zujammenhielt, wie denn überhaupt sie es stets verstanden hat, sich in das richtige Verhältnis zu Staat, Ständen und Sechsstädten zu setzen. Aus den Statuten der Gesellschaft: Jeder wissenschaftlich gebildete selbständige Mann, von welchem sich dis Förderung des Gejellschaftszweckes erwarten lässt, ist befähigt, Mitglied zu werden. Der Sitz der Gesellschaft ist Görlitz, im eignen Hause, Neissstrasss 36, das ihr seit 1867 gehört; dort ist auch bei dem jetzigen Sekretär Professor Dr. Hecht das Nähere zu erfahren.