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dem Riegergute Beine machen hieß, wußte er, wenn auch vom alten Schüttelköpf nicht die gleiche Gefahr drohte, wie vom Bauer oder dessen Tochter. Aber besser, war doch besser. So hakte er die gedengelte Sense aus der Schlinge, in der sie an dem Pflocke gehangen hatte, und trollte sich näch dem Geräteschuppen, wo die Sensen an der Wand hingen. Der Alte aber trottete mit eingeknickten Knien, was einen eigentümlichen Schaukelgang in sein Laufen brachte, der offenen Scheune zu. Seine Laune war trotz des warmen Iulitages auf den Nullpunkt gesunken. Es war ja auf dem Gute kaum noch zum Aushalten, seit in den Bruder der Heiratsteusel gefahren war. 11. Kapitel Wie der alte Schlohwenzel eine Nachtigall flöten hört und ein tönerner Topf in Scherben geht us dem Wohnhause trat wieder der Bauer und murmelte kopfschüttelnd vor sich hin: „Nu mecht'ch ock wössn, nu mecht'ch ock wössn." Was er wissen wollte, sagte er nicht, denn er wurde in seinem Gedankengange durch den Anblick des alten Schlohwenzels unterbrochen. Der Alte wurde eben hinter der großen Holz seime in der Hofecke sichtbar. „Heda, Schlohwenzl, kommt ock amo har!" rief Rieger dem Alten zu. Bedächtigen Schrittes näherte sich das Sprichwort und fragte, was der Bauer von ihm wolle. „Doas wörscht schonn hiern," brummte der Bauer. „Also die Sach ös die, Du kennst ötz amo a brinkl on Zaum stiehnbleibn ond ufpoassn. Brauchst ock dorte niber of d' Stroß zo guckn, ob do a schwoarzer Popl gloatscht kömmt. Danno soist mer'sch!" Schlohwenzel nickte, sagte aber dann gleich, da werde wohl mancher schwarze „Popl" gelaufen kommen. „Gieht's Diech woas oa?" schnauzte der Bauer. Schlohwenzel rieb sich das stachlichte Kinn und meinte ironisch, es sei schon gut, er werde eben jeden schwarzen Popl anmelden, worauf ihm Rieger verlegen bedeutete, daß dies nun wiederum auch nicht nötig sei, die Mannsvölker könne er ruhig außer acht lassen. Der alte Knecht ließ einen leisen Pfiff durch die Zähne gleiten. Jetzt wußte er schon, woran er war, und grinsend erklärte er, jetzt habe er die Nachtigall flöten hören. Mißtrauisch schielte ihn der Bauer an und fragte knurrig: „Zon Geier ock o, woas soll'n doas nu wieder heeßn?" Das Sprichwort aber erwiderte in aller Seelenruhe, es sei schade, daß es dem Bauer in der Haut sitze. Säße es nur im Rock, so könnte man es wenigstens ausklopfen. Den August Rieger brachte das wieder stark in Harnisch. Die Zornesader auf der Stirn schwoll an, und seine Stimme dröhnte über den ganzen Hof: „'s wörd ju ömmer schinner of'n Riegergutt. Otze mengt'ch wuh o schonn 's Gsind nei. Doas ös ju an ganz verfluchte Teiflswörtschoaft, an iälende." Doch der Schlohwenzel war keiner, der sich so schnell in das Bockshorn jagen ließ, im Gegenteil, er verstand es meisterhaft, den Anschluß an die Worte anderer zu finden. Sarkastisch sagte er: „Dr Teifl ös no lang nö dr Schlömmste. 's gibt Iärtl, wu a'ch goarnö hiegtraut. Do schickt a danno meestns a ahles Weib hie." Da explodierte der Bauer. „Himml Kreiz Tobak namo!" brüllte er wütend, „stopp Du Dr Dein Gusch und mach, woas'ch Dr gsoit hoa!" „'n Ochsn, dard droscht, doars mer'sch Maul nö verbinn," lautete die gleichmütige Antwort. Wenn auch das Sprich wort in dem Sinne, in dem es von dem Alten gebraucht wurde, nicht geprägt worden war, so konnte es doch auch schließlich hier seine Anwendung finden. Aber der Bauer wies es glattweg zurück. „Wenn Du Dch zon Ochsn ziählst, do ös doas Dein Sach. Loß Der'sch aber gsoit sein, doß Dch ne e mein mengst!" Schlohwenzel nahm diese Lehre genau so gleichgültig ent gegen wie vorhin den Zornesausbruch. Seine Stimme hatte den Klang wie die eines Schulmeisters, der mit Langmut einem ungezogenen Schüler predigt, als er jetzt sagte: „Do dörfter mer abn kenn Ustrag gähn, dar zo Euer Sach ghörrt. Oder denkt Jähr, iech weeß nö, of wan'ch ufpoassn soll?" Er sah den Bauer mit so pfiffigem Augenblinzeln an, daß dieser nur umso wütender wurde. Er sah sich durchschaut und wollte es doch nicht zugeben. „Nee, doas weßt nö, Du Gahnoaff," schrie ecSchlohwenzel an, „aber iech will Der'sch soin, of de Botnfrau sollst ufpoassn, wenn se vo dr Halte- stell riberkömmt." Dann rannte er vor sich hinschimpfend in das Haus. Es war doch ein Elend mit solchem Gesinde, das sich herausnahm, dem Herrn in die Töpfe zu gucken! Nur um den Alten da abzulenken, hatte er die Unwahrheit sagen müssen, sodaß der ganze Auftrag dadurch ins Wasser gefallen war. Schlohwenzel aber schaute dem Bauer mit durchtriebenen Mienen nach und dachte bei sich: „Denk ock nö, dsß'ch Dr doas gleeb! Aber iech war Dern Gfoalln tun ond miech dernoch richtn. Freich, schien wär'sch, wenn'ch die ahl Gaukl, de Korbmenzln, harschoaffn kennt, wenn a nu emol de Botnfrau hoan will. Na, su onmiglch wär'sch nö. Jähr Tag ös heute, wu se verbeikömmt." Er stellte sich nun an dem Zaune auf und schaute unverwandt nach der Landstraße hinüber. 2m Hause hatte der Bauer unterdessen seinem Unmut Luft gemacht, daß sogar der alte Schlohwenzel es darauf abgesehen habe, seine Autorität nicht mehr anzuerkennen. Nicht etwa, daß er die Geschichte seiner Tochter richtig erzählt hätte, soweit ließ sich August Rieger nie herab, aber im Selbstgespräche hatte er mit Brocken um sich gewotfen, die von Ruth aufgeschnappt worden waren. Nun begann wieder eine „liebenswürdige" Unterredung mit Blitz und Donner. Ruth hantierte eifrig am Küchenherde und stieß Töpfe und Schüsseln aneinander, daß ein Seelenkundiger schon daraus guf den hohen Wogengang in ihrem Gemüte hätte schließen können. Zur kleinen Stube, die neben der Gesinde stube lag und der gewöhnliche Wohnraum des Bauers und seiner Tochter war, stand die Tür auf. Man hörte, wie der Bauer mit schweren Schritten langsam auf und ab schritt. Ruth aber begleitete den Marschschritt mit der Musik ihrer streitbaren Stimme. „Doas ös goar kec Wunner, wenn'ch nu oh no 's Gsind ufsässg wörd. Hot de Walt schonn su an Dommheet gsahn, doß a Bauer, dar an Toachter vo zwanzg Iuhrn Hot, namo heiroatn will? Wenn's suvill Iuhr 'gang ös, do wörd's wühl oh no wetter- hie giehn." Die Schritte drinnen kamen für einen Augenblick ins Stocken, und die harte Stimme des Bauern polterte: „Otz gieht wuh nu Dei Salbadern wieder lus? 's ös ju groad, oas wenn oallminanner iähr dreckgn Pfutn o miär ob- troign welltn."