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Mir hoffen und wünschen, daß der gedankentiefe Denker und Dichter in Göcllß, den das Leben auf die Höhe seiner "Zähre geführt hat, auch in den künftigen "Zähren uns noch manche reiche Frucht seines reichen Innern schenken möge l ' Ein neuer Erfolg von Richard Blasius Reichenau, 5. Juli 1926. Reichenau hat wirklich begründeten Anlaß, sich dessen zu freuen, was eine Anzahl seiner Söhne in literarischer und künstlerischer Hinsicht leisten, und die steigende Wertschätzung, deren sich z. B. Wilhelm Friedrich und Richard Blasius auch außerhalb der Lausitzer Grenzen erfreuen, strahlt einen gewissen Glanz auf die Heimatgemeinde der beiden Dichter zurück. Richard Blasius, der erst vor ganz kurzer Zeit mit seinem „Heiroatsteifl" auf unserer idyllischen Thaliabühne eine so beifällig aufgenommene Uraufführung zu verzeichnen hatte, kam am 26. Juni im Schandauer Kurtheater mit einer wei teren Schwankneuheit, die ein ganz vorzügliches Gesamtergebnis lieferte, erstmalig zum Wort. Der jüngste Sprößling seiner Muse betitelt sich „Die Erbsünde des Herrn Gucken- bach" und bestand vor einer recht stattlichen Patengemeinde mit stürmischem tzeitcrkeitserfolg seine Feuertaufe. Der un gewöhnlich herzliche Beifall der ansehnlichen Menge verdichtete sich zu wiederholten energischen Hervorrufen zum Schluffe des Abends. Bühnentechnisch bedeutet der „Guckenbach" gegenüber dem „Heiroatsteifl" eine Weiterentwickelung des Verfassers nach oben. Die Fabel ist nicht minder lustig trotz ihrer teilweise kühnen Voraussetzungen: aber der Stoss ist energischer zusam men gedrängt und die Handlung mit starker perspektivischer Wirkung in geschickter Steigerung aufgebaut. Tieferen Sinn verlangt man ja bei einem Schwank von vornherein nicht, aber andererseits hat die Kritik auch keinerlei Anlaß, um mildernde Umstände zu plädieren, denn der sprühende Humor des Ver fassers, der auf die Schablone der modernen Schwankfabrikation nicht angewiesen ist, gewährleistet die Erreichung des an gestrebten Zieles, dem Auditorium ein paar Stunden un bekümmerten Frohsinns zu vermitteln. Das neue Werk hat aber noch den anderen Vorteil, daß seine hochdeutsche sprach liche Fassung ihm nach dem Erfolge der Uraufführung un zweifelhaft auch den Weg zu den von Berufskünstlern be treuten Fachbühnen freigibt und damit auch dem Dichter zu einer größeren Reichweite verhilft. Und die ist unserem Freunde Blasius als seriösem Erzähler, tiefschürfendem Dichter Lausitzer Eigenart und treuem Heger und Förderer des Heimat gedankens aus vollem Herzen zu wünschen. Ein lediglich auf den freien Wettbewerb angewiesener Schriftsteller ist heutzutage ohnehin nicht auf Rosen gebettet: möge das neue Werk dazu beitragen, das Interesse weitester Kreise für die literarischen Arbeiten des Dichters, namentlich auch das ganz prächtige Buch „Dorfköpfe", wachzurufen! Die Aufführung war auf das liebevollste vorbereitet und vor allem auf das richtige Echwanktempo eingestellt, das un- sern Laienkünstlern so schwer beizubringen ist. Auch in allen übrigen Punkten hielt die Wiedergabe den schärfsten kritischen Anforderungen stand. Darsteller waren die zuverlässigsten Mit glieder des Meißener Stadttheaters, das durch die erfolgreiche Uraufführung von Klabunds „Krcidekreis" und andere litera rische Großtaten die Aufmerksamkeit weiter Kunstkreise auf sich gelenkt hat. Sie versorgen jetzt unter der Direktion des auch in Zittau nicht unbekannten Charakterkomikers Fritz Schäffer das Echandauer Kurtheater unter lebhafter An erkennung der örtlichen Presse. Der Bühnenleiter verhalf durch glänzende Verkörperung der Titelrolle und überaus geschickte Inszenierung dem Werke wesentlich mit zu seinem durch schlagenden Erfolg, zu dem wir den Verfasser herzlich beglück wünschen. Bruno Reichard. MMmmOMW.W Bon Erich Wittke Lausitz hatte unter dem schrecklichsten Kriege, 1 aus deutschem Boden abspielte, empfindlich >. Als darum der Friede im Jahre 1648 in rr und Osnabrück geschloffen wurde, war man froh. Sofort begann man das Werk des um zu retten, was noch zu retten war, und um einigermaßen wieder Ordnung zu schaffen. In der Lausitz hatte man dazu noch einen besonderen Grund. Es galt nicht nur, die verwilderten Sitten durch neue Gesetze zu ordnen, sondern es mußten auch die Gesetze deshalb neu geschaffen werden, weil die Lausitz 1635 an das Kurfürsten tum Sachsen gefallen war. In Kamenz geschah diese Neuordnung der Dinge im Jahre 1654 zunächst durch zwei Verordnungen, von denen die eine das Datum des 31. März, die andere das des 10. Novembers trägt. Die Verordnung vom 31. März 1654 ordnet zunächst das Derwaltungssystem der Stadt. Und dies war auch nötig: denn in den Ratsversammlungen der Stadt waren die übel- sten Sitten eingerissen. Die Parteiung war auch damals schon tief ausgeprägt. Man konnte sich nicht vertragen und war öftersaneinander geraten „aus liederlichen Ursachen mit Zanken, Beißen, Schlagen und Injurlen". Das Ansehen des Rates wurde durch diese Auswüchse der Demokratie natürlich er- schüttert. Darum gebietet der Landeshauptmann und Chur fürstliche Rat Herr Hans Adolph von Haugwitz aus Nieder- Gurck, daß „sie ins künfftige miteinander in Lieb und Freund- schäft, wie in solchen Collegiis segn soll, leben" sollen und „solches unzeitige und nichtswürdige Zanken, Schmähen und, was daraus weiter erfolgen kann, im gesamten Rath-Stuhl und deren Versammlungen gäntzlich abgethan und ernstlich verboten seyn" soll. Alle die aber, die sich nicht fügen wollen, sollen ihr Ehrenamt sofort verlieren, damit die öffentlichen Ämter „mit friedsamen und dem gemeinen Besten wohl affektionierten Gemüthern in dem Rath-Stuhle" besetzt werden. Um die öffentliche Sittlichkeit zu heben, ging man aus die Grundlage der Sittlichkeit, die Religion, zurück. Aus Gründen der Religion war der furchtbare Krieg hauptsächlich entstanden, und die Freiheit der Religion war das wertvollste Gut, das der Friede zu Münster und Osnabrück gebracht hatte. Die Religion, in Kamenz vor allem den evangelischen Glauben, galt es, wieder zu heben. Deshalb besagt Punkt 1, daß der Rat vor allem „sich der Gottesfurcht äußerst befleißigen, solche auch mit eifriger Beförderung, des wahren Evangelischen nach Inhalt Augspurgischer Konfession aufgerichteten Gottes- diensts, Erhaltung, Kirchen, Schulen und Hospitalien würklich erweisen, die jederzeit angesetzten Predigten fleißig besuchen, keine derselben ohne erhebliche Ursache übergehen, und hiermit der Gemeine und Ihrer anvertrauten Bürgerschafft gute Exempel geben." Bei Annahme des Amtes mußten die Ratsherren auch damals schon einen Amtseid schwören. Darum werden sie ermahnt, immer „der Stadt und anvertrauten Gemeine Bestes allein und vornehmlich" im Auge zu haben, „die aus dem Rathause vvrgehende Consilia (Verhandlungen) verschwiegen zu halten, der Stadt Freyheiten, Statuta, Willkühren, Her kommen und Gewohnheiten" zu bewahren. Um eine Vorherrschaft bestimmter Geschlechter im Keime zu ersticken, wird bestimmt, daß alle Ratsversammlungen im Rathause abgehalten werden sollen. Maßgebend für einen Ratsbeschluß soll die einfache Stimmenmehrheit sein. Allen Ratsmitgliedern wird die Schweigepflicht über die Beratungen „zur gemeinen Stadt Bestem, wie es einem ehrlichem Manne gebühret," auferlegt. Der gesamte Rat, nicht nur der amtierende Bürgermeister allein, sollte das Recht haben, Deputationen für Wiederaufbaues.