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174 Gberlaufltzer Helmatzettung Nr. 13 Armut suchte Vater Günther seinen Kindern eine gute Schul bildung zu verschaffen, und so kam der kleine Tonl nach Joachims- thal, wo er die Bürgerschule drei Jahre lang mit bestem Erfolge besuchte. Als er vor der Berufswahl stand, entschied er sich für den eines Lithographen, und ging nach Buchholz zum Lithographen Eduard Schmidt in die Lehre. Da er sich als anstellig, fleißig und willig erwies, erhielt er das vierte Lehr- jahr geschenkt. Die Armut der Seinen zwang den Jüngling, bessere Verdienstmöglichkeiten zu suchen und so ging Günther als Gehilfe nach Prag. Hier, in der Sehnsucht nach seiner erzgebirgischen Heimat, erwachte in ihm der Liederquell zur größten Begeisterung der Landsleute, die sich häufig trafen. Die Lieder verlangten direkt ihre Verbreitung. Günther kam auf den klugen Gedanken, sie in Form von Postkarten hinaus zusenden. Die bunten Kärtchen, meist mit einer Zeichnung Günthers geschmückt, erzielten einen ungeahnten Erfolg. Eine Auflage nach der andern erfolgte. In der Heimat vertrieb der alte Vater diese Erzeugnisse seines Sohnes und fand dabei guten Verdienst. Der Tod des Balers trieb unfern Anion in die Heimat zurück, wo er die Sorge für die Familie ganz übernahm. Als Lithograph, Dichter und fahrender Sänger hatte er allenthalben guten Erfolg, sodaß sein Mühen von bescheidenem Wohlstände gekrönt war. Heute ist er in ganz Deutschland und jenseits der Grenzpfähle bekannt. In allen Gestalten sind seine Lieder zu hören. Und steht der Dichter selbst mit der Laute in der Hand auf dem Podium, so um braust ihn dankbarer Jubel. Wir Erzgebirgler haben alle Ursache, ihm dankbar zu sein. Nicht allein, daß er uns singen lehrte, nein, er hat auch den ganzen volkstümlichen und volks kundlichen Bestrebungen in unserem Lande einen Antrieb ge geben. Er versuchte auch mit seinen Liebeln dem Eindringen des wüsten Operettenschundes in unsere Gebirgstäler einen Damm entgegen zu setzen. Daß ihm in dieser Beziehung ein voller Erfolg versagt blieb, ist nicht die Schuld unseres Dichters. Und nun noch ein Wort über Anton Günthers Liebeln selbst. Seine Leyer hat alle Töne, die ein Menschenherz bewegen können. Bon der Wehmut des „Feierohmds" bis zur stillen vergnügten Beschaulichkeit der „zwan Finken" und zum lachen den Humor der „Drackschenk", von der Sehnsuchtsstimmung des „Vaterhauses", über die Lebensphilosophie des „alten Hannelsmans" bis zum scherzhaften Treiben im „Hutzenlieü" — überall ist er wahr und echt. Dabei finden sich köstliche Natur betrachtungen und ergötzliche Lebenswahrheiten in großer Menge. Es gibt kaum eine Stimmung im Menschenleben, der er nicht mit einem Liede Ausdruck verlieh! , 50 Jahre! Noch steht er in voller Manneskrast vor uns' Mag ihn ein günstiges Geschick noch lange seiner Familie und seinen Volksgenossen in voller Kraft erhalten! Das walte der alte deutsche Herrgott! Bautzen, ein heroischer Marsch Bon Max Zeibig Lüneburg ein Lied von Löns, in Hameln die wunder- liehe Rattensängermelodie und Pressels süßes Lied v der Weser", in Würzburg gottfrohe Messen, in Linz die Pleno-Orgel Brückners, in Wien den Walzer, in Dresden eine lichte Sonate Mozarts aber in Bautzen hört der wissende Wandersmann einen heroischen Marsch! denn diese Stadt, die in ihrem ältesten Teil jäh aus den granitenen Felsen des rechten Spreeufers dort aufspringt, wo die alte westöstliche Handelsstraße über das Wasser wollte, hat nichts von der leichten Zierlichkeit ihrer markgräflichen Schwester Meißen, die das Weinlaub ihrer besonnten Elbhügel um porzellanene Teller und Tassen windet und spielerische Döschen und Schälchen mit Streublümeln bemustert, dieses Bautzen liegt voller Wucht und Schwere wie eine Trutzburg in der Hellen Lausitzer Landschaft. Pom Czorneboh und Bielebvh, den alten Wendengötter- thronen, rauschen die waldgrünen Berge südwärts nach Böhmen, während die Straßen nach Norden leichtgehügelt, über Urnen gräber, Granitbrüche, an Schanzen, Skalen, fruchtschweren Feldern, deutschen und wendischen Dörfern, rühmlichen Edel sitzen, frommen Klöstern und Brüdergemeinden vorbei, hell leuchtend in die stille Heide laufen, die mit Sonne, Sand und Seen in das große preußische Flach hinüber will. Und so, zwischen Berg und Heide gestellt, beherrscht Bautzen das Land. Schon die Bronze- und Eisenzeit soll Germanen hier ge sehen haben. Erst zur Zeit der Völkerwanderung brach der Strom der Slawen herein. König Heinrich l. erhob den Stütz punkt der sorben-wendischen Milzener 928 zur deutschen Grenz feste. Sein Sohn Otto l. baute eine Burg über Brustwehr und Ringwall und nannte sie Ortenburg. Kriegstrompeten und Schlachtentrommel, Kanonenschlag und Flintenschuß haben Jahrhunderte hindurch die Musik der Stadt bestimmt, kämpften doch Polen, Böhmen, Ungarn, Brandenburger und Meißner immer wieder um ihren Besitz, bis sie endlich im Jahre 1635 durch den Frieden zu Prag erblich und unwiderruflich an das Kurfürstentum Sachsen kam. Am Trotz gegen feindliche Anstürme wurden Mauern, Tore und Türme stark. 1429 und 1431 zogen die Hussiten vor die Stadt. Ihr Führer Molesto wurde beim Sturm töd lich vom Bürgerpfeil getroffen. Der Dreißigjährige Krieg schleppte Feuer und Pestilenz in die Stadt. Friedrich der Große wurde im nahen Hochkirch überfallen. Blücher mußte vor Napoleon und Marschall Ney von den drei Hügelkuppen der Kreckwitzer Höhen weichen und stellte sich erst an der Katzbach wieder zur Schlacht. Als der Korse von den Winter feldern Rußlands nach Frankreich floh, blies das Jahr 1812 endlich allen Kriegsnöten der Stadt den Kehraus; doch rühmen Mal und Stein die Treue ihrer gefallenen Söhne kommenden Geschlechtern. Ordentlich stolz ist nun die Stadt, stolz auf ihre Geschichte, prahlt mit dem Wappen, der dreizinnigen goldenen Mauer auf himmelblauem Grunde, und prahlt mit einer Schönheit, die ganz aus dem Willen zur Wehr gewachsen. Schön ist die Stadt dort, wo der mächtig aufstrebenden Gotik des Petridomes ein fröhlich bunt bemaltes Rathaus in köstlichem Barock gegenüberstehl, schön, wo das Portal des Domstiftes, als Eingang zum Bischofssitz, von katholischer Sinnenfreudigkeit und gutem Kunstsinn spricht, schön, wo unter den umbuschten schwarzroten Ruinen der zerfallenen Nikolai- Kirche die Toten in einem seltsamen Friedhof schlafen, schön, wo die alte Wasserkunst in ihrer einzigartigen Wucht und Schwere von der Genialität ihres Baumeisters Wenzel Röhr- scheidt redet, oder wo der Karrasekturm der Ortenburg ebenso kraftvoll und kühn zur Verteidigung gleichsam aus dem Felsen springt, schön auch, wenn irgend ein Tor eine holprige Gasse, von gutem Grün besäumt, zu sich hinaufzieht; aber alle die Einzelschönheiten, die hiermit lange nicht genug aufgezählt sind, werden doch von der Fülle der Gesamtbilder in ihrer Wirkung weit übertroffen. Wie etwa die Stadt von der hochgespannten Kronprinzen brücke mit einem roten, gelben, grünen Gewirr von Giebeln, Dächern und Türmen zu sehen ist, klar und scharfgezeichnet, wenn der Himmel blaue Seide über das farbenreiche Bild spannt, weich und traumhaft versonnen, wenn die Nacht alle Linien verwischt, Lichter freundliche Zeichen in das Dunkel stellen und das Wasser vernehmlicher über das Wehr rauscht; oder wie bei einem Blicke vom Proitschenberge, wo alljährlich zu Ostern das Eierschieben für die Lausitzer Kinder bunte Lust lebendig macht, die Stadt wie auf ein Hufeisen gebaut erscheint, wie sich dort die geduckten Armeleutehäuser einer krummen Gaffe an den Berg lehnen und ihre schmalen Gärten — in denen immer weiße Wäsche wimpelt — vom Wasser der Spree bespülen lassen, wie da kleine graue Rauchfahnen über der Häuserzeile wehen, wie etwa im Frühling die Fruchtbäume ihren Blütenschnee über Mauern und zerbröckelndes Gestein schütten, oder wie der Petridom alle Dächer in beschwingtem Rhythmus unwiderstehlich zu seiner sieghaften Turmhöhe hinaus-