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Der Heiratsteufel Ein lustiger Roman aus der Oberlausitz von Richard Blasius 1. Kapitel, in welchem der geneigte Leser gleich mit Blitz und Donnerschlag empfangen wird as Rieger-Gut erfreute sich weit und breit keines guten Rufes. Zwar stand es in vornehmer Wohl habenheit im Schmucke weißen Olanstrichs, der oft erneut wurde, damit es den Wohlstand seines Besitzers mit glänzendem Scheine verkünde, aber dieser Besitzer war einer von denen, mit denen nicht gut Kirschen essen ist. August Rieger war bekannt ob seines aufbrausenden jähzornigen Charakters, ob seines hartstirnigen Bauern schädels. Man mied ihn heute noch ebenso gern wie vor zwanzig Jahren, wo seine Faust immer das letzte Wort gesprochen hatte, und dieses Wort war natürlich kein gutes gewesen. Mit dem Faustrechte hielt er es ja jetzt weniger. Wenn einer fünfzig Jahre mit sich herumträgt, so Kühlen die sein Blut, mag es noch so heiß sein, doch etwas ab. Aber sein Mundwerk war dafür noch ungeschlachter geworden. Seine Donnerwetter liefen tagtäglich von früh bis abends hinter dem Gesinde her. Und es hätte sich kein Knecht, keine Magd mehr gefunden, die sich aus das Rieger- Gut verdingt hätte, wenn dieses nicht auch wieder seine Vorzüge gehabt hätte. Und die bestanden in d-r aus gezeichneten Kost, mit der man dem Gesinde gegenüber nicht geizte. War der Rieger-Bauer auch grob, ja sogar saugrob, so war er doch eben auch noch ein Bauer vom alten Schlag, der sich nicht für zu gut hielt, mit dem Gesinde aus einer Schüssel zu essen. Die Tochter des August Rieger verstand ihre Arbeit in Küche und Keller ausgezeichnet und wußte die verstorbene Mutter in dieser Hinsicht völlig zu ersetzen. Aber, aber diese Rieger-Ruth! War der Vater als Grobian bekannt, so konnte man auch beim besten Willen der Tochter nicht nachrühmen, daß sie sanftmütigen Herzens gewesen wäre. Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaume. Ruth gab sich alle Mühe, die Wahr heit dieses Sprichwortes zu beweisen. Ihr Zungenschlag war als scharf und locker bekannt. So gut ihre Hände die Arbeit am rechten Zipfel zu erpacken wußten, so zielsicher konnten sie auch schlagende Beweise ihrer Tüchtigkeit in anderer Hin sicht erbringen. Das hatte früher mancher Bursche zu seinem Leidwesen empfinden müssen, wenn ihn seine Keckheit dazu verleitet hatte, der Riegertochter zu nahe zu kommen. Das war auch der Grund, weswegen sich aus dem Riegsrgute noch kein Freier eingestellt hatte, trotz der Wohlhabenheit des Balers und der gesunden Schönheit des Mädchens. Schön war Ruth trotzalledem. Das konnte keiner leugnen. Und von fern schauten auch die Burschen alle mit geheimer Sehnsucht nach der rotwangigen, blondzöpfigen Maid, nach den selbstbewußten Schritten, nach dem etwas hochmütig nach hinten geworfenen Kopfe und ahnten wohl hinter der prallen Biegsamkeit ihrer Glieder berauschende Freuden der Liebe. Aber sie wußten alle, daß sie die Tochter ihres Vaters war. Nahe kam ihr keiner zu leicht. Es war an einem schönen Sonntagvormittage. Die Wachtel in ihrem Gebauer am Ostgiebel des Riegergutes ließ ihren Schlag zu Ehren des Ruhetages erschallen. Da wurde er plötzlich von einem anderen Schlage übertönt, der als ein lauter Klatsch durch die vordere Haustür schallte und sofort ein mißtönendes Wutgeheul nach sich zog. Im saubergekehrten Hofe saß das Faktotum des Gutes, der alte Schlohwenzel, aus dem Hackeklotze und rauchte sein Sonntagspseifchen. Großknecht konnte man ihn eigent lich nicht nennen. Dazu war er schon zu alt mit seinen sechzig Jahren. Aber er war es jahrzehntelang gewesen, und man konnte jetzt auch nicht sagen, daß er das Gnaden brot gegessen hätte, verstand er doch jeden Handgriff, dessen das Gut bedurfte, und konnte er infolgedessen den Bauer ersetzen, daß der eigentlich überflüssig war. Und August Rieger war einer, der seinen Wohlstand nicht ängstlich wie ein Geizhals hütete. Er fuhrwerkte gern im Lande umher, sodaß er sich den alten Schlohwenzel als Inspektor gefallen ließ und dessen Anordnungen in jeder Weise anerkannte. Eine Eigentümlichkeit des Alten war es, stets in Sprich wörtern zu reden, weswegen er den Namen „das Sprich wort" bekommen hatte, unter dem er nun im Dorfe seit langem bekannt war. Jetzt schob er die Pfeifenspitze aus dem linken in den rechten Mundwinkel, horchte auf und kratzte sich hinter den Ohren sein dünnes, weißes Haar. Dabei brummte er halblaut vor sich hin: „Nu ja, 's is wieder amol dieses Water. ,Wie der Acker, fu de Riebn, wie der Bauer, su de Bibn7 Dr Bauer und de Toachter! Wenn ha de Posaun bläst, spielt sie de örschte Geig derzu uf. 's ös ghoppt wie gsprung. De Hauptfach ös, doß mersch gwohnt ös, ond iech biens gewohnt." Während dieses Selbstgespräches kam etwas wie ein Gummiball aus der offenen Tür des Wohnhauses geflogen, überkollerte sich, einige Male auf dem Hofe uud entrollte sich sodann, daß mau einen vierzehnjährigen Buben in dem Knäuel erkannte. Fritz war es, der Kühjunge, der auf diese im Rtegergute nicht ungewöhnliche Weise an die Luft gesetzt worden war. Er heulte noch immer laut auf, hielt sich die linke Wange und hüpfte auf einem Beine im Hofe umher. Das Sprichwort schaute ergötzt aus dieses Schauspiel. „Böst wühl groad es Handgmeng komm?" fragte der Alte. Fritz näherte sich dem Alten zutraulich, von dem nie Gefahr drohte, und heulte, wobei ihn noch der Bock stieß: „De Ruth Hot mer een neiglangt, ond dr Bauer Hot miech mit sen Sticfl gloaticht. Doas merkt mer drei Tag lang. A Hot ju de letzte Nommer, die draußn hängt." Der Alte schmunzelte. „Woas hostn amol wieder aus- gfrassn?" „'n Syroploop," gestand der Junge weinend. Schlohwenzel lachte laut auf. „Host Lost zon Sißn, do loßt'ch oh de Bötternis nö verdrißn." Der Junge in seiner ohnmächtigen Wut wußte nicht, wie er sich rächen sollte, und steckte gegen die offene Tür seine Zunge heraus. „Ommer mach's namo, wenn d' de Wiehtot driber ver- gößt," ermunterte ihn der Alte lächelnd. „Dr Bauer ös a dieser Hund, und sei Majdl nö vill winger," grinste Fritz. Doch da wurde Schlohwenzels Gesicht ernst. „Mit sichn Rädn hier mer us! Woas verstiesln du Groasoff vo dr Walt? .Mancher tritt ock balln, doß mern fer an Hund sott haln.' Die Leut tu mer ja nö verlästern, darn Brut du ößt! Sonst iech hoa oh die Nommer..." Der Kühjunge machte einen erschrockenen Satz rück wärts und stotterte: „Iech w—w—eß schonn. Die draußn hängt. Aber suvill solch: Wenn iech war grüß sein, ich