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die Körper zu kriechen — das Licht hob sich, ein Schein zuckte, grell, wildflackernd, als brenne der ganze Wald — ein Sprung, und vor den Wanderern auf dem Wege stand eine Flamme wie die einer Riesenkerze, manns hoch, blaugelb leuchtend, und begann sich langsam vor ihnen herzubewegen. Stumm der Lehrer, stumm der Pfarrer, stumm der Küster! Aber beherzt fing der Pfarrer zu schreiten an. Da taten die zwei anderen mit. Und hell wurde der Weg: eilfertig zogen die Baumstämme, weiß lachten die Flursteine, blitzend trieben Pfützen, nasse Erde, Regentröpschen an Zweigen und Gräsern mit Funken und Schein ein unruhig übermütig Spiel. Es war, als wolle die ganze Natur sich lustig machen über die Men schen, die immer stärker sein wollten wie sie. Ernsthaft, pflichtgedenk, zielessicher wanderte das Licht, nicht Regen, nicht Sturm hatten ihm etwas an —, am ganzen Körper bebend, im Bann, die drei Erdenkinder dahinter. Und kein Mensch, kein Wagen, nichts, nichts, das den Weg des seltsamen Zuges kreuzte. Todesleer die Straßen, nur der Wind, nur der sprühende Regen, nur das unheimliche Rascheln alten Laubes, herabgerissenen Holzes, bis im fahlen Schein des Lichtes die ersten Häuser von Reibers dorf auftauchten. Und wieder war es der eine, der die Lösung fand, weil er in einem langen Leben mehr Un erklärliches erfahren und hinnehmen mußte als andere: der Pfarrer. Er zog den Hut und verneigte sich ehr erbietig vor dem Licht, anders, ach so ganz anders als vorher der junge Übermut: „Lieber Herr Husar, Ihr habt uns eine große Hilfe geleistet. Jetzt aber brauchen wir Eure Mühe nicht mehr in Anspruch zu nehmen, denn wir sind gleich am Ziel. Ich danke Euch auch im Namen meiner Gefährten von ganzem Herzen und wir wünschen Euch alle eine gute Nacht!" Wollte das Licht die Ver beugung erwidern? Es wiegte sich ein wenig dem Pfarrer zu. Dann ein Zucken, Aufflackern — ein Sprung, ein Sausen über den Köpfen der Männer und plötzlich steht wieder drüben in der Sandgrube ein Licht, welches langsam, langsam zu einem kleinen Sternchen wird. Stumm wie bisher schritten die Drei bis zu ihren Behausungen, wortlos gaben sie sich zum Abschied die Hand. Sie haben auch später nicht von ihrem Erlebnis zusammen sprechen können und lange gegen andere ge schwiegen. Der Schulmeister wurde von Ort zu Ort ver schlagen und ist ein sehr tüchtiger Mann in Amt und Würden geworden; aber immer, wenn er von Spuk oder gar vom Husaren hörte oder las, klopfte sein Herz so heftig, daß er hinauseilen mußte, um Ruhe dort zu suchen, wo sie am wenigsten ist: in der Natur, dem Uhrwerk der Ewigkeit. Frühlingsfahrt in Rübezahls Reich*) Von Georg Runge-Ebersbach x^s^f^ärzsonne... Krokusse sprossen Hinterm Zaun, frech, «'GNB A keck, naseweis, da sind wir. Brechen Knospen U) aus schwärzlichem Gezweig, grüngolden, zart. Lachen die großen Wolken zu Häuf, weiß wie *) Man begegnet, wenn man um Ostern mit Schneeschuhen los ¬ rückt, in unsrer Lausitz ost ernsthaftem Kopsschüttcln. Und die wenigsten ahnen, daß das Riesengebirge, das ja von der Lausitz aus so bequem zu erreichen ist, gerade um Ostern so wunderbar schön ist. Daß man um diese Zeit bet klarem Wetter in Firnschnee und Höhen- fonnc geradezu nackt skilaufen und ein paradiesisches Freiluftleben führen kann, erscheint manchem übertrieben und märchenhaft. Schnee, und himmlisches Blau baut sich auf in selige Tiefen. Frühling ists worden, Mensch, werde du Frühling! Aber die Straße stäubt. Und die Menschen hasten, Staub- wölken stoßend, vorbei in schreienden Wagen. Rennen und Flüchten und Kommen und Gehen und Leben und Treiben; aber das Leben, es stirbt... Und der Frühling geht vorbei. Lehnt der Spießer am Tor und schüttelt den Kopf und hält inne im Schmauchen. Denn die Welt steht ihm Kopf. Kommen von ungefähr zwei Burschen daher, blauäugig und feist. Das Ränzel am Rücken, die Bretter im Arm und keck auf dem Ohre die Zipfelmütze... Und dem Alten am Tor gehts nicht ein, wie das ist. Denn die Welt steht ihm Kopf. Stampfen und Stoßen und Dröhnen und Poltern und vorwärts und weiter — die Heimat entflieht. So Stunden um Stunden... Da wachsen die Berge und steigen zum Himmel und schwinden in Wolken. Und die Sonne wohnt oben in ihrer Pracht und der Winter, mein Freund. Mit der Sonne im Bunde, wenns drunten schon grünt, ist er tausend fach schön, der Winter. Da fallen die Hüllen, da bräunen die Glieder, wir taumeln und jagen und Hetzen auf rauschenden Sohlen durch brausenden Firn. Dröhnende Wasser unter kristallnen Brücken stürzen zu Tai aus Höhlen von Schnee. Und wir gehn ein Stück mit in verwegener Hatz, von der Brücke zum Hang, über Buckel und Mulden und vergessen uns ganz im Rasen und Schwingen und Gleiten und Springen. Da kommt der Abend mit blauen Schatten. Den Tauschnee zerfrierts zu körnigem Eis. Und die Nacht kommt mit Frost und macht Stahl aus dem Schnee. Und wir, wir schleppen Knüppel herbei, armdick und trocken, zum Herd, bis es kracht, und der Schornstein, der dampft. Köstlicher Duft von Kien zieht durchs Gebälke, und ein Mahl wird uns, und Brot röstet auf heißen Platten. Die Holzstube**), die alte, mit der wir so viel schon erlebt, heißt uns eintreten. Silberzeug blinkt auf schmuckem Gedeck, und die Schüssel, die dampft. Und wir liegen im Sessel von Holze, behaglich, und lassens uns gut sein, überdenken den Tag. Reden nicht viel; denn die Lampe, die bunte, Kanns besser, und der Ofen, der blaue, und das weißgefugte Gebälk. So Tag für Tag. Die Finken am Morgen, die Lerche am Mittag, und Schnee noch genug. Auf rostbraunen Schmelz- flecken Erstlinge der Berge, Blüte an Blüte, o Wunder Natur, Bergwelt, du Heilige, machst uns so frei! Noch einmal hinauf die überglasten Hänge. Durch Perlen von Kristall und Scherben von Silber wuchtet der Ski langsam bergan. Greift uns der Kammwind und verdoppelt die Kraft und kühlt die Glut, die noch in uns brennt vom heißen Tag. Und einmal noch in faunischer Lust hinuntergetollt den farbigen Reigen, dem Freund auf der Ferse in rauschendem Schwung. Hei! Holla! Hussa! Das ist ein Leben, daß Gott uns drum neide. Frühling und Winter hier oben im Kampf, und wir mitten drin, wie Gott eins geschaffen, sonnendurchglüht. Und noch eine Nacht, und der letzte Tag ... Heil euch, ihr Berge, ihr Gründe und Mächte, ihr Wasser all unterm berstenden Schnee! * 4- Trotten zwei Schwarzbraune zu Tal, nutzen den Wald, wo es geht, meiden den Weg ... Strömt uns entgegen ein Haufe, buntscheckig, kariert, glotzet uns an und will Rede und Antwort, füllt uns die Nase mit tausend Gerüchen, keuchet bergan. Osterbetrieb! Karfreitagszauber! Sonne, machs gut! Mit uns ist es Zeit! Werden frecher und frecher, brauchen fürs nächste Mal auch noch ein Säcklein voll Tollheit und Übermut! Heil! **) Skihos Brunnbcrg.