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der, der sich mit der Vogelwelt der Oberlausitz beschäftigt, immer wieder zurückgreifen müssen; seine zahlreichen Mitteilungen und Einzeluntersuchungen über das Gebiet fanden ihre Krönung in einer durch Gründlichkeit und Zuverlässigkeit sich auszeichnenden Wirbeltierfauna der Oberlausitz, die 1865 in den Abhandlungen der besonders auch um heimatliche Forschungen hochverdienten Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz erschienen ist. Nach dem Erscheinen der Tobiasschen Zusammenstellung trat allerdings, nicht zum wenigsten durch ihres Verfassers Üebersiedlung von Görlitz nach Leipzig bedingt, ein gewisser (aber mehr äußerlicher) Stillstand in der vogelkundlichen Erforschung des Gebietes ein, bis dann im Jahre 1898 WilliamBaer, ebenfalls wieder in den Abhandlungen der genannten Gesellschaft, seine „Ornis der preußischen Oberlausitz" veröffentlichte und dieser einen Anhang auch über die sächsische beifügte. Leider konnte Baer dem Gebiet seine Aufmerksamkeit nicht dauernd widmen: gesundheitliche Verhältnisse verhinderten sogar fast auch jede andere vogelkund- liche Betätigung des sich so hoffnungsvoll in die Ornithologie eingeführten tüchtigen Zoologen. In seine Fußstapfen trat der leider zu den Opfern des Weltkrieges zählende I. W. Stolz, der in den beiden letzten, 1911 und 1917 erschienenen Bänden wiederum den Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Görlitz gehaltvolle Nachträge und Ergänzungen zu der Baer- schen Ornis lieferte. Mitarbeiter war ihm dabei vor allem Herbert Kramer, während dessen älterer Bruder Heinrich Kramer auf Grund seiner vieljährigen vogelkundlichen For schungstätigkeit besonders im sächsischen Anteil der Oberlausitz William Baer mit wertvollem Material an die Hand ge gangen war. Es wäre nun aber falsch anzunehmen, daß durch die Arbeiten der genannten Vogelkundigen, so umfassend das Bild auch ist, das sie uns über die Dogelwelt der Oberlausitz vermitteln, die weitere Forschungstätigkeit sich erübrigt. Abgesehen davon, daß, wie alles Naturleben, auch die Vogelwelt nichts für ewige Zeiten Gegebenes, sie vielmehr ebenfalls einem dauernden Wechsel unter worfen ist, den es immer genauer herauszuarbeiten und in seine» Ursachen und Gesetzen zu ergründen gilt, so tauchen bei dem Studium der bisherigen Arbeiten auch noch eine Menge anderer Fragen auf; Fragen, die sich noch erweitern, wenn man dem Schriftenstudium dann die Beobachtung im Freien nachfolgen läßt. Die Wissenschaft schreitet fort; vieles, was man früher als nur nebensächlich ansah und der Aufmerksamkeit nicht für wert hielt, hat heute an Bedeutung gewonnen, über vieles andere haben sich die Auffassungen gewandelt, und es ergibt sich für uns die Aufgabe, das von unseren Vorgängern Erreichte und Ge- leistete nach modernen Gesichtspunkten weiter auszubauen. — Nachdem ich früher dem mich schon seit langem fesselnden Gebiet nur mehr vorübergehend meine Aufmerksamkeit schenken konnte, waren mir endlich seit 1923 häufigere Besuche möglich und im vergangenen Jahre gar konnte ich fast meine gesamte vogelkund- liche Tätigkeit nur der Lausitz widmen und besonders den Tal- sandstreifen im sächsisch-preußischen Grenzgebiet eingehend unter- suchen. Daß die Erwartungen, mit denen ich an meine Arbeit in der Oberlausitz herantrat, nicht zu hoch gestellt waren, lehr- ten besonders die diesjährigen Beobachtungsergebnisse, die sich in absehbarer Zeit hoffentlich noch zu einer eingehenden vogel- kundlichen Darstellung des von mir untersuchten Gebietes ver dichten werden. Uber einige meiner Feststellungen sei im nachfolgenden auch den Lesern der OHZ. einiges in der Hoffnung berichtet, daß sie ihnen zeigen möchten, wie das so lange als reizlos verschrieene Gebiet neben seinen vielen, erst in unserer Zeit gewürdigten, un- aufdringlich-heimlichen landschaftlichen Schönheiten auch noch Reichtümer anderer Art besitzt, Reichtümer, die sich freilich nicht materiell werten lassen, aber doch höher als Geld und Geldeswert stehen. Ich beschränke mich dabei zunächst aus Feststellungen rein faunistischer Natur, also auf solche, die sich auf die Zusam mensetzung der Bogelwelt und damit auf ihr äußeres Bild be- ziehen. An ihnen sind eine Anzahl vogelkundlicher, an einzelnen meiner Wanderfahrten durch das Gebiet teilgenommener Freunde beteiligt. Besonders einer von ihnen sei hier genannt, der junge Bautzener Wolfgang Makatsch, der sich auf dem 6. sächs. Ornithologentag im Herbst 1924 in Chemnitz durch den Vortrag seiner Untersuchungen über den gegenwärtigen Bestand des Storches in Ostsachsen (s. OHZ.Nr. 20 und 21) mit viel Geschick in die vaterländische Vogelkunde eingeführt hat und dessen Eifer wir den Nachweis vom Brüten der Reiherente im Gebiet verdanken. Unter den Entenscharen, die im Frühjahre die ausgedehnten Teichflächen der nordlausitzischen Heidelandschaften beleben und die um diese Zeit noch zu einem großen Teil sich aus nördlichen bis nordöstlichen Durchzüglern zusammensetzen, ist eine der zwar regelmäßig, aber nicht immer häufig zur Beobachtung gelangen den Arten die durch den auffallenden Gegensatz von Schwarz und Weiß in ihrem G fieber und ihren Federschopf sich aus zeichnende, eben genannte Reiherente. Aus der Feststellung einzelner Vögel noch im Sommer schlossen bereits ältere Ornitho logen auf die Möglichkeit des gelegentlichen Nistens, ohne daß es jedoch möglich gewesen wäre, den Nachweis dafür zu er- bringen. Er glückte erst im vergangenen Irühjahre durch die Beobachtung eines seine Jungen führenden Weibchens im Mönauer Teichgebiet durch W. Makatsch. Die Feststellung ist faunistisch wertvoll, weil die Reiherente von vorwiegend nörd licher bis östlicher Verbreitung ist und ihr Lausitzer Brutvor kommen in dessen südwestliches Grenzgebiet fällt. Ihr nächstes, regelmäßiges Biutgebiet bildet dieBartschniederung in Schlesien; in Sachsen ist sie als gelegentlich brütend nur zweimal im Gebiet der Moritzburger und auf den im Westen des Landes gelegenen Frohburg-Eschefelder Teichen nachgewiesen, in der Mark Bran denburg mit Sicherheit höchstens auch nur erst in drei oder vier Fällen als Brutvogel bestätigt worden. Ein weiterer Brutnach weis für eine im Gebiete brütend noch nicht nachgewiesene und auch auf dem Zuge nur ganr vereinzelt beobachtete Art ist der der schwarzschwänzigen Limose, eines hoch auf seinen Ständern stehenden und daher auch als „Storchschnepfe" be zeichneten Schnepfenvogels, den ich vor Jahren in ausgezeichneter Weise an seinen norddeutschen Brutplätzen zu studieren Gelegen heit hatte. Bereits im Jahre 1923 gelangte in der Nähe der Koblenzer Teiche ein Paar unter Umständen zur Beobachtung, die aus ein Brutvorkommen schließen ließen. Im Juni 1924 trafen wir dieses Paar wiederum an der gleichen Stelle an und hatten dabei auch das Glück, ein Junges zu finden und in die Hand zu bekommen. Das Brutvorkommen — die nächsten Brut plätze der Art liegen ebenfalls wieder in der Bartschniederung — ist das südlichste des Bogels in Deutschland überhaupt und zweifellos auch erst allerjüngsten Ursprunges. Denn es ist nicht anzunehmen, daß ein so ausfallender und durch seine Stimme sich überall bemerkbar machender Vogel einem der älteren Be obachter entgangen sein könnte. Hoffentlich bleibt er der Lausitz dauernd erhalten. Ein dritter Brutnachweis endlich betrifft wiederum eine mehr östlich verbreitete Art, die aber in früheren Zeiten in den feuchten Bruchlandschaften der Lausitz nicht selten gewesen sein mag, aber, seitdem sie Robert Tobias und A. von Homeyer als Brutvogel der Görlitzer Heide kennen gelernt halten, keinem Beobachter wieder brütend vorgekommen ist. Es ist der Wald wasser läufer. Wir fanden am l l.Iuni 1924 ein von einem Alten betreutes Junges am Groß-Särchener Großteich. Für eine weitere Art, den stattlichen Kranich, dessen kräftige Trompetenrufe man am Brutplatze gehört haben muß, um den Reiz zu verstehen, den der Bogel auf den Be obachter ausübt, werden möglicherweise künftige Untersuchungen einen Brutnachweis für mein engeres Beobachtungsgebtet bei bringen. Er war ebenfalls früher weitverbreiteter; sein letzter sächsischer Brutplatz am Großgraber Lugtrich gehört aber schon seit langem der Geschichte an, in der meinem Beobachtungsgebiet nicht fernen Görlitzer Heide dagegen nistet er noch in einigen Paaren. Nicht uninteressant war ferner die Feststellung einer männlichen Spießrute im Gebiet der Koblenz-Warthaer Teiche noch um Mitte Juni 1924. Die Art gehört ebenfalls vorwiegend dem Norden und Osten an, hat aber auch in der Lausitz schon