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Die Beraubung des Seifhennersdorfer Großleichs durch Leutersdorfer Einwohner 8tuci. jur. W. Mitter-3iltau Orte Niederleutersdorf und Iosephsdorf, die heute nur Ortsteile von Leutersdorf darstellen ""d demnach mit Leutersdorf zum Freistaat Sachsen, und zwar in die Amtshauptmannschaft Zittau gehören, bildeten bis zu dem bekannten Landes vergleich vom 12. März 1849 eine von sächsischem Gebiet umgebene böhmische Enklave. Sie bildeten einen namhaften Bestandteil der umfangreichen Besitzungen des Fürsten von Liechtenstein und waren besonders in Fragen der Verwal tung und Rechtsprechung, der sog. Furisdiktion, dem „hoch- sürstlich - liechtensteinischen Anne Rumburg" unterstellt. Diese unübersichtlichen Grenzverhältnisse, besonders der Umstand, daß man sich in verhältnismäßig kurzer Zeit von einem Staate in den andern retten konnte, prägten in der Grenzbevölkerung einen Zug aus, der nicht dazu diente, ihren sowieso nicht besonders guten Ruf zu bessern, und der sein Hauptmerkmal in einer außerordentlichen Unsicherheit der öffentlichen Ordnung sand, mit der sich die zuständigen Gerichte mehr als einmal zu beschäftigen hatten. Unter dieser Lage der Dinge hatte auch die Stadtgemeinde Zittau zu leiden, die in dem ihrer Gerichtsbarkeit unter stellten Seifhennersdorf mit Iosephsdorf und Niederleuters dorf grenzte. Zittau besaß in Seifhennersdorf einige Teiche,*) unter denen der Große Teich der wichtigste und ertragreichste war. Um die Erträgnisse möglichst hoch zu gestalten, hatte der Rat in Seifhennersdorf ein sogen. Teichbegeherdienst eingerichtet und diese Stellung mir einem Teichwärter besetzt. Zu dessen Obliegenheiten gehörte es, die in den Teichen aus gesetzte Karpfenbrut in ihrer Entwickelung zu sa lltzen und, um ein Berauben der Teiche und unerlaubtes Fischen mit ausgelegten Angelhaken und Netzen zu verhüten, die Teiche tagsüber zu begehen und auch in der Nacht unverhofft auf den Dämmen zu erscheinen. Um sein Amt in der rechten Weise versehen zu können, war der Teichwärter mit geringer Polizeigewalt ausgestattet, die sich auf die Erlaubnis er streckte, Fischdiebe und Personen, die sich in verdächtiger Weise an den Teichen zu schaffen machten, festzunehmen und bei ihnen vorhandene Netze und Angelhaken zu be schlagnahmen bezw. ausgelegte Netze und Angelgeräte aus den Teichen zu entfernen. Etwa festgenommene Personen hatte er jedoch unverzüglich unter ausführlicher, zu Protokoll erfolgender Berichterstattung dem zuständigen Gerichte ein zuliefern. Befanden sich unter den Verhafteten Einwohner aus Niederleutersdorf und Iosephsdorf, so mußten sie dem Niederleuiersdorser Richter vorgefllhrt werden, der die Be schwerde prüfte und erhobene Klagen an das „fürstlich liechtensteinische Amt zu Rumburg" weiterleitete. Im Sommer des Jahres 1778 versah dieses Teichbegeher dienst der in Seifhennersdorf ansässige, höchstwahrscheinlich auch von da gebürtige Gärtner Johann Gottfried Wilhelm; er war also Teichwärter nur im Nebenamts und nicht, wie *) Die Seifhennersdorfer Teiche waren zu einem selbständigen Teichieoter zusammengefaßt, das von dem Großen, dem Kaltbach-. Manns-, Donals-, Lange-, Schilf-, Grunwalds-, HäUer-, Hans Christoph- und Schweintetch gebildet wurde. Die Teiche sind heule zu andern Zwecken abgelassen worden. Der Große Teich tag am Hintern Ende des Ortsteils Seifen nach Leutersdorf zu, halte eine Ausdehnung von ungefähr 2 Scheffeln und wurde gewöhnlich mit 80 «cho» Karpfen befett. beispielsweise die städtischen Förster, im Hauptamts tätig. Wilhelm pflegte als pflichttreuer Beamter in gewissen grö ßeren Zeitabständen an den Magistrat Bericht über den Stand der Teichwirtschaft zu erstatten. In wichtigen in sein Amt einschlagenden Angelegenheiten wurde er wohl auch nach Zittau gerufen, um an Ort und Stelle, häufig unter eidesstattlicher Versicherung, dem Rate Rechenschaft zu geben und ihn über die Fischwirtschaft zu unterrichten. Im August 1779 mehren sich die Fälle in außerordentlichem Maße, in denen Wilhelm in oft sehr dringlicher Weise beim Rate Be schwerde führt, die Einwohner von Niederleutersdorf — und auch Iosephsdorf — stählen am hellerlichten Tage die im Großen Teiche zu Seifhennersdorf befindlichen Fische und scheuten sich nicht, auch nachtsüber Netze und Angel haken auszulegen. Infolgedessen entwickelte sich zwischen dem Zittauer Magistrat uno zwischen dem „fürstlich liechten steinischen Amte zu Rumburg" ein reger Schriftwechsel, der uns in einem umfangreichen Aktenstück im Ratsarchw zu Zittau erhalten geblieben ist. Die in einem Bande zusammen gefaßten Schriftstücke entstammen den Jahren 1779—1791 und behandeln eine ganze Anzahl von Fällen, die wir der Reihe nach in Form einer kurzen Darstellung durchgehen wollen. Der Gegenstand, den sie umfassen, ist als solcher nicht eben wechselreich, aber die Verhandlungen, die über ihn selbst herüber und hinüber geführt worden sind, geben uns ein anschauliches Bild von dem Leden, das Ende des 18. Jahrhunderts in jenen Grenzdörfern herrschte, und von der Art und Weise, in der die beiden Behörden und Gerichts ämter miteinander verkehrten: IW - Dabei sei gleich von vornherein erwähnt, daß das Amt zu Rumburg dem Zittauer Rate zwar jederzeit sehr höflich und hilfsbereit auf seine zahlreichen Birten antwortete, daß es dabei aber doch stets durchblicken ließ, daß Rumburg ikein Untertan von Zirtau, sondern ihm völlig gleichgeordnet hei, und daß es für den liechtensteinischen Amtmann noch bedeutend wichtigere Aufgaben gebe, als nur wöchentliche Haussuchungen und Verhöre bei und mit seinen Untertanen abzuhalten. Bereits im Jahre 1778, wahrscheinlich aber schon in der vorhergehenden Zeit, hatte die Stadt Zittau wiederholt ein dringliche Beschwerde in Rumburg geführt und erreicht, daß der damalige Amtmann Johann Thomann ihr versprach, besonders gegen die Niederleuiersdorser Einwohner mit Haststrafen vorzugehen, wenn die heimlichen Fischräuvereien im Großen Seifhennersdorfer Teiche kein Ende fänden. Daraufhin scheinen sich vom 26. Juni 1778 an die betreffen den Einwohner ruhig verhalten zu haben, jedenfalls kamen dem Teichwärter Wilhelm keine Verstöße mehr zu Gehör. Endlich, am 13. August 1779, erschien er wieder in Zittau vor dem Ratsaktuarius Joachim Ernst Hertzog und ließ von ihm ein Protokoll ausnehmen. Aus ihm ersehen wir, daß im Sommer 1779 die Fischdiebstähle im Großen Teiche so Überhandnahmen, daß sich Wilhelm der Diebe ungeachtet aller Drohungen nicht mehr erwehren konnte. Doch Tho mann in Rumburg erfuhr von den Übergriffen seiner Unter tanen, ließ unvermutet in Leutersdorf Haussuchung abhalten und fand dabei eine Anzahl von Negen und Angelhaken, deren Besitzer von ihm nach Einziehung der „ corpora äelicti" hart bestraft wurden. Dieses „exemplarische" Vorgehen half bis in den Sommer 1781; in diesem Jahre trat an Thomanns Stelle der Amt mann Ferdinand May, der trotz wiederholter Versicherung guter Nachbarschaft der Stadt Zittau weit weniger al» sein