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Erinnerungen an 1866 Selbsterlebtes von A- Pietsch-Bautzen s war an einem Sonntag de? Jahres 1866 im Monat Juli, wo das Getreide hoch und reif zur Ernte stand, da zogen plötzlich Vormittags in unserem kleinen Dörf. »en Neupurschwitz auf der Straße von Weißenberg her die preußischen Ulanen ein. Mein ältester Bruder hütete auf Daters Grundstücken, die sich zwischen Wurschen, Drehsa, Kum- schütz und Neupurschwitz, einer einsamen Gegend, befinden, die Kühe. Als er der Ulanen ansichtig wurde, raffte er seine Kühe zusammen und brachte sie heim. Die preußischen Ulanen suchten mit dem Ruf: „Wo ist der Feind?" jeden Strauch, jedes Gehöft ab. Dasselbe wiederholte sich am nächstfolgenden Montag. Da waren es aber außer den Ulanen auch noch die preußischen roten Husaren. Schon lange vorher sprachen unsere Ellern von den „unruhigen Zeiten." Jetzt merkten auch wir Kinder, daß es Krieg geben wird. Mein Vater war Schmiedemeister und ein geborener Preuße. Er hatte sckon 1848 als preußischer Landwehrmann gegen die Polen mitgekämpft. Er kannte seine Landsleute und verspürte nicht die geringste Furcht vor den Preußen, die so plötz lich ins Dorf kamen. Anders meine Mutter und die übrigen Einwohner des Ortes. Die fingen an, ihre Habseligkeiten zu vergraben und zu verstecken. Um unser Gehöft führte eine steinerne Mauer, die z. T. heut noch zu sehen ist. Unsere Mutter rang die Hände und bat flehentlich, Vater möge doch ein großes Loch graben und die sogenannten Kostbarkeiten daselbst vergraben. Da gab der gute Vater nach und grub, mäh rend die Mutter ihre Teller, Zinnkannen und dergleichen in eine jetzt noch vorhandene Lade verpackte, ein tiefes Loch innerhalb des Gehöfts nahe an der Mauer. Jetzt endlich waren sie soweit damit fertig, die Lade wurde in das Loch gestellt — noch heute sehe ich sie stehen als wäre es gestern gewesen — (bis zum Zu werfen war es nicht gekommen), da plötzlich füllte sich derSchmiede- Hof mit preußischen roten Husaren. Eine Abteilung, deren Pferde einen Defekt an den Hufeisen hatten, suchte die Dorfschmiede auf. Mein Vater, von Natur ein gutmütiger Mann, war auch sogleich bereit, den Husarenpferden Hilfe zu leisten und da er sich sogleich als alter preußischer Soldat zu erkennen gab, so war anstatt der Feindschaft die Freundschaft im Nu hergestellt. Die Husaren amüsierten sich köstlich über die unoerborgene Lade und lachten darüber. Wie ging es aber den Nachbarn? Als die Husaren in den Schmiedehöf eingcrückt waren, kamen auch die Nachbarn hinzu. In den Hof wagte sich keiner von ihnen. Nur bis an die Mauer waren sie herangekommen. Da steckten sie ihre Köpfe herüber und lugten in den Hof, neugierig über das, was dort vorgehen würde. Aber es geschah nichts kriegerisches. Blut ist zwar ge flossen, aber nur Pferdeblut. Ein Offizier hatte sein Pferd derart gespornt, daß ihm das Blut aus dem Pserdeleibe nicht tropste, sondern wie ein Faden herunter lief. Auch das sehe ich heut noch wie damals. Ich war damals im fünften Ighre. Jahrelang darnach wurde der Einzug der Preußen in Neupurschwitz an den langen Winter abenden und in Spinnstuben noch besprochen. Aus dem Munde meiner Mutter habe ich sagen hören, daß, als die Husaren ab gezogen waren, auch der klein-» August verschwunden war. Man suchte die Gebäude und alle Getreidefelder ab, aber umsonst. Zum zweiten Male durchsuchte die Mutter die Kammer und siehe da, als sie das Deckbett in die Höhe hob, da lag ich tief unten und schlief. Ich hatte, mit einem Stock in der Hand, als wollte ich mich gegen die Preußen verieidig-n, mich ins Beit geflüchtet und war eingeschlafen. Soviel vom Durchzug der Preußen durch Neupurschwitz im Jahre >866. Von den roten Husaren erzählt man, daß wenige heimgekehrt seien. Sie sollen von einem Hauptmann Herring in einen Hinterhalt gelockt und ausgerieben worden sein. Daher sagt man noch heute: „Die preußischen Husaren hat der sächsische Herrinq gefressen." Hans im Glück Eine wahre Oberlaufitzer Geschichte von Ludwig Wald au-Dresden en dicken Kopf gedankenschwer auf beide Fäuste gestützt, MW lag Hans, der Kuhjunge des Hofbauern, auf der Wiese, seinem Machtbereiche und sah schon stundenlang mit sclt- samen Augen in unbestimmte Fernen. Denken aber war für Hans schon seit jeher wohl die schwerste Arbeit gewesen, und so perlten dicke Schweißtropfen als äußeres Resultat der un gewohnten Tätigkeit auf seiner Stirne. Längst schon hatten seine Schützlinge, die wohlgenährten Rinder seines Brotherrn, die Wiese verlassen und taten sich, froh der ungewohnten Milde ihres Herrschers, im angrenzenden Kleefelde gütlich, während Hans, der Wirklichkeit entrückt, immer nur dachte und dachte. Hatte er doch heut früh zum ersten Male die Warnungstafel gelesen, die der wohlweise Gemeinderat an der Grenze des Dorfes errichtet. „Bei zehn Mark Geldstrafe ist das Schnellfahren von Autos und Motorrädern durch den Ort verboten." Außerdem war durch Anschlag bekanntgegeben worden, daß derjenige, der die Nummer eines zu schnell fahrenden Autos angeben könne, eine Belohnung von einer Mark erhielte. Das alles wußte Hans. In seinem Hirn aber wälzten sich un geheuerliche Pläne und verwegene Entschlüsse. Es läutete eben Feierabend, als Hans, einen tiefen Seufzer der Erleichterung ausstoßend, sich mit dem braunen Handrücken die schweren Tröpfen von der Stirn wischte und mit energischem Peitschenknall und Hussa seine Herde zusammentrieb. — Hans war fertig mit denken. — Fröhlich blinkten die ersten Sonnenstrahlen im Tau der Gräser, als Hans am andern Morgen mit seiner Herde der vorm Dorfe liegenden Wiese zustrebte. Dort nahm er sofort seinen Beob achtungsposten, einen Weidenstumpf, ein, nachdem er sein rot geblümtes Sacktuch an einem langen Stecken befestigt und neben sich ins Gras gelegt hatte. Doch Stunde um Stunde verrann, seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Da — endlich hörten seine aufs äußerst gespannten Ohren von Ferne das Surren und Fauchen eines Autos. Den Stecken mit der Fahne in der Hand springt Hans mitten auf die Landstraße und winkt und winkt mit seinem roten Tuche wie besessen. Der Lenker des Autos bremst mit Macht, zitternd steht die Maschine. „Der- dammter Bengel, willst du machen, daß du wegkommst?" Hans grinst höhnisch. „Seid ock froh, doß'ch oich ahalte. Ich wullts oich ock soin, daß'r durchs Durs a bissel fix machen mißt, sunst kriegi'r an Hagel Sirene ei de Karre. Se sein oich im Dürfe ne griene!" Verdutzt blicken die -Insassen des Autos sich an. Das konnte ja gut werden. Aber durch müssen sie, einen andern Weg gibt es nicht. „Danke dir, mein Junge. Hier hast du ne Mark für deine Warnung." Schmunzelnd läßt Hans die Mark in seine Hosentasche gleiten; das Auio rückt an, Hans springt zur Seite, zieht Bleistift und Papier aus der Tasche und — schreibt sich schnell die Nummer des Autos auf, das nun, wie von Furien gejagt, mit Vollkraft durchs Dors saust. — Nach Feierabend, als eben der Gemeindevorstand hochrot vor Empörung den Ortsbüttel zur Rede stellt, warum er die Nummer jenes Benzinkarrens nicht angeben kann, kiopst es an die Tür. „Herein!" Hans bringt, vor Erregung stotternd, seinen Zettel vor: „He — Herr Bierschtand, ich ha enne NummerI" Als Hans das Haus verläßt, klimpert fröhlich eine zweite Mark in seiner Tasche. Hans aber fühlt sich wie ein König so reich — so reich Acht Heimatkarten (Tuschzeichnungen) von Richard Mättig, darstellend alte Kirchen dar, engeren Heimat, )owie Schlop meuhörnitz mit kurzen geschichtlichen Erklärungen, für 25 Goldpsennig. „Q tiiü Im Berlage der „Oberlaufitzer Heimat-Zeitung" ei-schlNkocirsüii Sie MWMMe mV Vie MWvk von WHM" Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Preis —,50 GoUsihMjnii