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Hatte schon die Frauenkirche etwas Großzügiges wie die Hauptkirchen von Kamenz und Bautzen, so erreichte die Bauhütte der Peterskirche von 1423—97 die Vollendung einer fünsschiffigen Hallenkirche (mit 20 Säulen und 412 Schlußsteinen im Gewölbe) von solchem Ausmaß, daß sie als das bedeutendste Bauwerk des östlichen Deutschlands bewundert wird. Als Kaiser Ferdinand 1. darin geweilt hatte, überwältigte ihn der Eindruck so, daß er sich später zweimal schriftlich um ein Bild der Kirche bemühte. Aus der Baubeschreibung (Lutsch, Berz. III, 636 ff.) sind nur diejenigen Merkmale anzuführen, die für die Lausitzer Spätgotik bezeichnend sind. In der äußeren Form erreicht die Kirche selbst jetzt, gegen Ende der Gotik, nicht die Leichtigkeit der Prager, Kölner oder französischen Bauten. Die Schwere des Lausitzer Granits und die feste, boden ständige Art unsrer Landsleute haftet auch dieser Kunst an. Kein Kapellenkranz reiht sich um den Hochaltar, die Strebe pfeiler bleiben kunstlos und massiv, wie bisher dreifach ab- gestust, aber mit geschweifter Bedachung. 5 Seilen des Achtecks schließen den Chor, 3 Seiten des Sechsecks die Seitenschiffe. Abgesehen von dem herrlichen, spätromanischen Haupt portal ist der Gesamteindruck des Innern wett künstlerischer. Länge, Höhe und Breite der Kirche überragen die gewohnten Maße und erscheinen durch llberschlanke, achteckige Pfeiler noch bedeutender. Wie bunt muß sie im Schmuck ihrer 36 Altäre (bis 1691) gewirkt haben! Der glatte Übergang der Pfeiler in das Rippennetz ist eine spätgotische Eigenart, die sich in Kamenz, Bautzen und Görlitz etwa 1470—90 gleichzeitig durchsetzt, im Prager Emmauskloster schon vor 1400 nachweisbar. Man betont nicht mehr die Grenze zwischen Stütze und Wölbung durch ein Kapitäl, sondern läßt die Säulen mit der Decke verwachsen, die sie wie Fächer palmen tragen. Halbachteckige Vorlagen entsprechen ihnen an der nördlichen Wand. Vorherrschend werden doppelt gekehlte Rippen. Sie tragen in einem reich gegliederten Bierecksternnetz, das eine Schere durchzieht, das Mittelschiff und enden im Chor in einem schönen Sechseckstern. Wie die Seitenschiffe das Hauptschiffsmuster abwandeln, zeigt Form 6 Seite 70, und es ist selbstverständlich, daß die Muster der rechten Seite denen der linken genau entsprechen. Durch den überall wiederkehrenden Viereckstern erscheint der Plan einheitlich. Es ist der kunstvollste Wölbungsplan der Lausitz, der auf einen selbständigen und geübten Meister hinweist — Konrad Pflüger war der Vollender des Baues. Im Bilderwerk von Lutsch finden sich wenige Jahrzehnte später genaue Wieder holungen des mittleren Wölbungsplanes in Schweidnitz, Reichenbach und Glatz — also in Schlesien machte Pflüger Schule, in Sachsen kann ich es nicht nachweisen. Aus den Beschauer wirkt die Überfülle des Rippennetzes zunächst verwirrend, und es ist gute Beleuchtung nötig, um einen künstlerischen Eindruck davon zu haben. Wie gern der Meister Wölbungsmuster aus dem Viereckstern kon struierte, fällt am Plan der alten Kreuzkirche in Dresden auf (Gurlitt, Dresden), den Pflüger ein Jahr später, 1498, aussührte; vergleiche Form 6 b Seite 70. Vielleicht kann dieses Merkmal auch anderweit für seine Urheberschaft zeugen. Zum Charakter der Predigtkirche gehört die Anlage von Emporen, die nach Lutsch der von Annaberg, Schneeberg und Pirna ähnelt. Überhaupt findet Lutsch in der Lausitzer Gotik mehr Beziehungen zu Sachsen als zu Schlesien, und aus Pflügers Herkunft von der Meißner Dombauhütte — wie noch auszuführen ist — wird dies besonders für die Peterskirche verständlich. Auf Tafel V*) weisen von ihren Steinmetzzeichen 7 nach Meißen, 2 nach Dresden, 2 nach Freiberg, 2 nach Zwickau, aber auch Wien, Prag u. a. tauchen auf. Die Vierecksippe (12 unter 60) überragt die andern und verrät einen Zusammenhang mit Wien—Straß burg, wo nach RLiha die Quadratur vorherrschte. (Wernicke verlegt sie grade nach Köln.) Wernicke erkennt die Ver bindung von Görlitz und Wien an dem Überwiegen des Kreuzes in den gesamten Görlitzer Zeichen, und Tafel II zeigt diese Vertreter der Kreuzsippen. Von Meißen her kennt Pflüger die Stabüberschneidungen, die an den Ost fenstern der Peterskirche regelmäßig auftreten, sowie das Lilienmaßwerk (vergl. S. 30), das in Görlitz mit Fisch blasen verbunden ist. Bezeichnend für den Ausgang des gotischen Stils ist die Vernachlässigung des Maßwerks, das Knicken der Rippen in der Nähe des Kämpfers und die Endung der Dienste „in vorn zugestumpsten Birnen stäben". Nach einer früheren Inschrift am Portal ist die Kirche August 1497 vollendet gewesen, nur am Südschiff und an den Vorhallen scheint man in größeren Pausen weitergearbeitet zu haben. Konrad Pflüger Mit dem Steinmetzhandwerk hatte man im Mittelalter zugleich die Geheimnisse der Baukunst erlernt und weiter überliefert. Selbst die Meister großer Hütten verbanden lange Zeit Handwerk und Hüttenleitung mit einander, und ein so vielbeschäftigter Meister wie Parler trieb außerdem noch verwandte Künste und schnitzte selbst das Lhorgestühl im Dom. Als sich aber die Bauausgaben im 15. Jahrhundert häuften, konnten die führenden Hüttenmeister sich nur noch der Baukunst widmen. Die Städte suchen sich einen eigenen Werkführer nach dem Dorbilde der Dombaumeister, machen ihn gleichsam zum Stadtbaumeisler und vertrauen ihm Zucht und Ordnung, Planung und Leitung des ganzen städtischen Bauwesens an, wie sich am besten in den Görlitzer Urkunden nachweisen läßt. Nach Meister Gregor um 1458, Stephan Aldenberg und Thomas Neukirch erhielt Konrad Pflüger 1490 (vergl. Zeichen Nr. 247) den Posten; ihm folgte dann sein Mitarbeiter Blasius Börer (vergl. Zeichen Nr. 223), Albrecht Stieglitzer (Zeichen Nr. 158) und Wendel Ros kopf (Nr. 161). Erst durch Verbindung der Forschungs- und Sammel arbeit von Wernicke, Gurlitt, Lutsch und Bruck erhalten wir ein Bild von dem unermüdlichen Schaffen Konrad Pflügers in 30 Arbeitsjahren, und noch manche Urkunde über ihn mag unerschlossen sein. Weit über die Lausitz hinaus geht sein Wirken als erster Ratgeber der sächsischen Fürsten. Wie sein großer Meister Arnold von Westfalen konnte er viele Bauten nur planen und beaussichtigen, und er mußte sich eifrig tummeln, um trotz der weiten Reisen überall rechtzeitig weiter zu helfen. Welche Fülle von herrlichen Entwürfen bestürmten ständig seinen Geist! Sind es doch hauptsächlich Werke von monumentaler Größe, die die *) Die Tafeln erscheinen in einem der nächsten hefte der OH3.