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5. Nr.4821, markier! am 27.Juli 1912; erbeutet am 24.März 1913 im Freckenfelder Gemeindewalde südlich von Landau in der Rheinpfalz auf dem Abendstrich, als der Bogel bei schönem Wetter g narrend angezogen kam. Der Schütze, Herr Ferdinand Schenk, Inhaber einer Holz-Großhandlung in Landau, schreibt, daß die Schnepfe sehr gut im Gefieder und stark an Wildbret gewesen sei. Er habe sie für ein Männchen gehalten. Entfernung: etwa 1830 km. Alter des Vogels: acht Monate. Das Stück wurde gleichzeitig mit der obigen Nr. 4618, die in Fstrien erbeutet wurde, markiert. So sind also Gatschinaer Schnepfen vom Jahrgänge I9l2 sowohl östlich an den Alpen vorbei nach Istrien, als auch westlich an den Alpen vorbei nach Südfrankreich gewandert, — also ganz verschiedene Straßen! — und das vorliegende Frecken felder Stück befand sich auf dem Rückzüge von Südfrankreich nach der Brutheimat. Es dürfte vielleicht die Frage interessieren, wie lange diese Schnepfe noch zu ihrer Reise von der Rheinpfalz nach Gatschina gebraucht hätte. Ich bat deshalb Herrn von Dietz, mir mitzu teilen, wann im Frühjahre 1913 bei Galschina die Schnepfen an gekommen wären, und erhielt unterm 7. April 1913 (n. St.) den Bescheid, daß sie noch nicht da seien, aber bei Luga, 110 km südlich von Galschina, habe man am 31. März (n. Sl.) schon welche beobachtet. Wenn das wirklich die ersten Ankömmlinge gewesen sind, und wenn sie zusammen mit der erlegten Ring schnepfe die Rheinpfalz passiert haben, dann haben sie für die Strecke Freckenfeld—Luga (— etwa 1750 km) sieben Tage ge braucht — 250 km je Tag oder Nacht. Nun wollen wir einmal auf Grund der von der Vogelwarte aus exaktem Wege ermittelten Vogelfluggeschwindtgketten eine Berechnung aufstellen, wie lange Zeit die Schnepfen zum Durch fliegen der obigen Strecke gebraucht hätten, wenn sie die Zeit und ihr Flugvermögen voll ausgenutzt hätten. Als Vergleich soll die Fluggeschwindigkeit des Stares herangezogen werden; denn der Schnepfe selbst einmal mit Windrichtungs- und Wind- schnelligkeitsmesser, mit Stoppuhr und Feldtelepbon zu Leibe zu rücken, dürste wohl nie gelingen. Der Star entfaltet von allen den auf der Bogelwarte zur Untersuchung herangezogenen Vögeln beim Zuge die größte Eigengeschwindigkeit, nämlich 20,6 m in der Sekunde. Das macht für die Stunde 74,160 km. Nehmen wir nun noch einen günstigen Nackenwind von 5 m für die Sekunde an, den die ziehende Schnepfe erfahrungsgemäß sehr liebt, so geht also der Waldschnepsenzug mit einer Geschwindig keit von 25,6 m in der Sekunde vorwärts, macht auf die Stunde 92.160 km. Danach könnte die Strecke Freckenfeld—Luga (— etwa 1750 km) in etwa 19 Stunden durchflogen werden, das sind etwa zwei Zuglage oder -nächte. Nach den oben genannten Ankunftsdaten haben die Schnepfen aber sieben Tage gebraucht. Bet solchen Berechnungen ist natürlich immer viel Annahme, viel Vermutung mit im Spiele, aber ich stelle sie auf Grund der ermittelten Eigengeschwindigkeiten der Zugvögel zuweilen an, um Anhaltspunkte zu Haven, und komme dabet fast immer zu dem Ergebnis, daß ein gemächliches, langsames Ziehen der Vögel Regel ist, kein ununterbrochenes Hasten und Dahinsausen über weile Länderstrecken. Auch im vorliegenden Falle stellt sich die Berechnung noch viel mehr zugunsten des langsamen Ziehens, wenn wir die Datenreihe für die Ankunft der Waldschnepfe in Gatschina zugrunde legen, die Herr von Dietz seinem Schreiben vom 7. April 1913 freund lichst beigelegt hatte. Danach sind die Waldschnepfen eingetrofsen (nach dem neuen Stile): 1885 am 1. April, 1888 am 24. April, 1890 am 21. März, 189l am 18. April, 1892 am 24. April, 1893 am 26. April, 1894 am 13. April, 1895 am 22. April, 1896 am 15. April, 1897 am 13. April, 1898 am 19. April, 1899 am 9. April, 1900 am 23.April, 1901 am 19. April, 1907 am 7.April, 1908 am 6. April, 1909 am 12. April, 1910 am 13. April, 1911 am 30. März, 1912 am 18. März. So ist die Durchschnittsankunstszeit für Gatschina selbst etwa Mitte April, und so würden die russischen Schnepfen zu der Strecke von der Rheinpsalz bis Gatschina etwa 22 Tage gebraucht haben. Ich glaube, diese Annahme kommt der Wahrheit näher als die oben auf die Schnepfen von Luga gegründete Berechnung. Bemerkenswert ist weiter, daß durch die Erbeutung der acht Monate alten Ringschnepse beim Abendstrtch klar bewiesen ist, daß sich die jungen Schnepfen in dem auf die Geburt folgenden Jahre schon am Balzfluge beteiligen, also fortpflanzungs fähig sind. Es ist ein verwunderliches Zugbild! Keine regelmäßigen Zug- bahnen sind da zu verzeichnen, wie sie die beringten Lachmöwen oder Slrandvögel ergeben haben; keine Besiedelungsgebicte wie bei den Nebelkrähen, sondern vorläufig ein strahlenförmiges Auseinanderfliegen wie aufs Geradewohl, so sieht es bis jetzt fast aus. Wir lernen als Winterherbergen oder Durchzugs gebiete für die Schnepfen Nordwestrußlands folgende Länder kennen: Südfrankreich, Istrien, Südengland, die Niederlande, die Rheinpfalz. Was wird die Zukunft bringen? Wie wird sich das Bild weiter ausbauen? Reizt es nicht gewaltig, auf Erweiterung und Vervollständigung dieses Zugbildes mit allen Kräften hin- zuwirken! Und wird nicht die Iagdpraxis großen Nutzen davon haben, wenn wir die Lebensgewöhnheiten unseres Wildes bis ins Kleinste erforscht haben werden! Mit einer Bitte, dabei mit zuhelfen, möchte ich meine Ausführungen schließen. Kein Mensch darf jetzt noch sagen, daß Waldschnepfenmarkierungen nicht lohnen, weil doch nur wenige Versuchsobjekte losgelassen werden könnten. Die kleinste Anzahl genügt schon. Wir sehen an den oben ausgezählten Fällen, was ein einziger passionierter und jagdzoologisch interessierter Jäger zu leisten vermag. Sollte es der gesamten deutschen Jägerei nicht möglich sein, bald die zehn- und zwanzigfache Zahl von Markierungen zu erreichen und durch Beibringung einwandfreier Natururkunden das Zugbild unserer Waldschnepfe sich selbsttätig ausbauen zu lassen! Also immer wieder die höfliche Bitte: man lasse sich Ringe kommen, die von den Vogelwarten kostenlos geliefert werden, und trage sie während der Schnepfenbrutzeit bei den Reoiergäugen immer bei sich. Ein besonders warmer Appell ergeht an die preußischen Forstbeamten, die durch Vermittelung des Herrn Rittmeisters von Lucanus in Berlin Rossiiener Ringe bereits erhalten haben. Man erinnere sich jetzt, wo sich unsere Schnepfen anschicken, für Nachwuchs zu sorgen, dieser kleinen Metallstückchen, die so unscheinbar aus- sehen und doch so viel vermögen. Und nun noch eine Bitte: Wird irgendwo eine beringte Schnepfe geschossen, so schicke man den ganzen Vogel freundlichst ein, der gern auf Wunsch mit dem doppelten Marktpreise eingelöst wird. Der wissenschaftliche Wert solcher Stücke, deren Alter man genau kennt, dürfte ohne weiteres einleuchten. Ich habe nie geglaubt, daß erlegte Waldschnepfen so schnell aufgegessen werden, wenn man's auch nachsühlen oder besser „nachschmecken" kann. Selbst mit telegraphischer Anfrage und Bitte kam ich immer schon zu spät; — nichts weiter als der Ring war „von dem ganzen Schnepsenschmause" übrig geblieben. Professor vr. I. Thienemann. Den Gemeinden ins Stammbuch Ein Gerichtsurteil Bei einem thüringischen Bauern übernachteten Iugendwanderer in der Zett der Dollarsprünge. Wegen Kopsgeld und Frühstück kam es zu einem Zeitungsaufsatz mit Angriff wegen Wuchers. Das hatte eine Beleidigungsklage zur Folge. Das Gericht sand, daß die gefor derten Sätze über das sittlich gerechtfertigte Maß htnausgingen. Die Einzelhelten sind für uns ohne Belang. Ein hohes Maß vom Ber- stehen der Zett aber kommt in folgendem Satz der Urteilsbegründung zum Ausdruck: „Es ist in der heutigen Zeit Ehrenpflicht der Ein» wohner eine« Orte«, eine ordentliche Zugendherberge einzurichten und, wo das nicht der Fall ist, anderweit nach Möglichkeit für bescheiden« und billige Unterkunft der wandernden Äugend zu sorgen." (Niederschl Ztg.) Im Berlage der „Oberlausitzer Heimat-Zeitung" erschien: Sie MWMW Md die ZelseuWl voll MW. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Preis —.50 Goldmark.