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von kurzen Runddiensten getragen, die in Maskenköpfen endigen (Lutsch, Verzeichnis III, 654f.). Verschieden gestaltet sind die langen Chorfenster, im Norden dreiteilig, im Süden zweiteilig, in der Mittelachse 2X3 --- 6teilig. Drei- und Pierpässe bilden das Maßwerk. Selbständige städtische Bauhütten War anfangs bei den großen Stadtkirchen die Geistlichkeit aus Missionsinteresse um Unterhalt und Betrieb der Bau hütten besorgt gewesen, so sehen wir im 14. Jahrhundert die Sorge für die Bauhütten in die Hände des Rates gleiten. Er bemüht sich um Vermehrung und Schmuck der Gottes- Häuser, auch Rathaus und Wehrbauten stellen ihm neue Auf gaben. Frommes Streben der Bürger nach guten Werken konnte sich nicht genug tun und trieb zur Gründung von Kirchen und Kapellen, aber der Wohlstand der Städte reichte weder zu prunkvoller Gestaltung noch zu ihrer Erhaltung. Unter dem Vielerlei litt der Wert des einzelnen Werkes, wie Scheibe an der Baugeschichte von Kamenz nachweist. Mit der Lösung von der Vormacht der Kirche war auch ein selbständigeres Arbeiten der Bauhüiten zu erwarten. Aber erst im Verlauf von etwa 100 Jahren ist die Lausitzer Gotik zu einer selbständigen Blüte gelangt. Um 1400 er liegt die Zittauer Bauhütte noch völlig den Pragern, Bautzen und Löbau bevorzugen die nordische Backsteinkunst. Reges Leben entfaltet sich schon in Görlitz, doch erlauben die geringen Reste jener Zeit (außer der Oberkirche) kein Urteil. Durch die archivalischen Forschungen von Wernicke, Iecht und Lutsch sind viele Meister nachgewiesen, die in der Stadt zu bauen hatten. 1349 wurde die Frauenkirche ge gründet, aber ein Neubau gestaltete sie 1449 um. Urkund lich ist von der Nikolaikirche 1431 Arbeit an der Sakristei bezeugt durch Maurer Thomas und Petsche Luban (Lutsch, Verz. III, 671). Auch am Rathaus gab es zu bauen 1377, 1407, 1409, 1421, jedoch sind alle Kunstformen daran nicht erkennbar. Und nicht vergessen sei, daß gegen Ende der Hoch gotik die Bauhütte der Peterskirche 1423 eröffnet wurde, die ihren Höhepunkt erst in der Spätgotik erreichte. Steinmetzzeichen jener Zeit konnte ich von Görlitz nicht ausfinden, da die Sammlung von Lutsch nicht im Druck er schienen ist. Nach den literarischen Bemerkungen dürfte sie auch wesentlich die Spätgotik umfaßt haben. Von Bautzen kann ich in den beigesügten Tafeln nur 6 angeben. Die Dombauhütte erwachte erst nach 1450 zu neuem Leben. Um so erstaunlicher ist der Reichtum hochgotischer Zeichen in Kamenz, die mit 34 zwar noch nicht die Oybiner 60 er reichen: doch ist in Kamenz durch Übertünchung viel verloren. Hier wie in Oybin übermittelt uns nicht nur der Zufall viele Steinrunen, sondern die Fülle der Aufgaben lockte viele Künstler herbei. Schwierig ist es, die Zeichen nach Jahres zahlen zu bestimmen. Bei Gurlitt und Scheibe sind sie nur nach den Bauteilen als ihren Fundorten gesammelt, und danach ergibt sich in abgerundeten Zahlen folgende Zeit- bestimmung Hauptkirche-. Chor und Sakristei 1410 Triumphbogen u. Wandeltreppe 1420 Langhaus, Pfeiler, nördl. Tore 1450 Westempore 1470(—80). Selbst wenn die Bestimmung der Zeichen mit diesen Zahlen hier und da verbessert werden muß, so bleibt eine Tatsache doch unverändert, nämlich die Neigung zur Sippenbildung der Kamenzer Steinmetzen. Am stärksten tritt die Winkelmaßsippe hervor, wie meine nach Sippen *) Ich halte den Ausdruck Schniirband fllr treffender, als „Netz gewölbe" oder „lange Reihungen", worunter vielerlei Muster zu» sammengefaßt sind. Schnitrbandmuster entsteht, wenn sich zwct Kreuzgewölbe durchschneiden. geordneten Tafeln klar ergeben. Es ist kaum anzunehmen, daß eine so große Sippe fertig in Kamenz angetreten ist, sondern sie wird sich in längerer Bauzeit hier erst entwickelt haben. Woher sie wohl kam? Blickt man auf die Tafel von Pfau, so könnte man vermuten, sie stamme aus der mächtigen Rochlitzer Hütte. Doch fehlt mir das Material zum Nachweis, daß auch um 1400 schon dort eine Winkel maßsippe arbeitete, wie es später sicher der Fall war. Mit Meißen ist offenbar wenig Berührung vorhanden, während es romanisch und frllhgotisch stark eingewirkt hatte. Günstig ist die Zeit um 1400 für die Aufgaben in Kamenz, weil die großen Hütten in Bautzen und Görlitz noch nicht wieder ar beiteten und Planung und Ausmaße der Kamenzer Haupt kirche einen großzügigen Baubetrieb ermöglichten. Welche Bauteile in Kamenz sind Zeugen der Hochgotik? An der Just- oder Iodokuskirche sind alte Kunstformen er kennbar. Mit drei Achteckseiten schließt der Chor, die Kreuz rippen sind birnförmig mit ringförmigen Schlußsteinen, und die Kragsteine ähneln denen des Bautzner Domes. Nicht mehr rundbogig, sondern spitzbogig ist der Triumphbogen, und das Maßwerk im Schiff schreibt Gurlitt (Kamenz 85 S. 192) dem 14. Jahrhundert zu. Chor und Tore setzt er IW? um 1400 an; vor allem das Haupttor ist schön geformt, vierstufig mit Rundstäben und Hohlkehlen. An der ziemlich kunstlosen Katechismuskirche sind älteste Teile schwieriger erkennbar. Führend war die Bauhütte der Hauptkirche, von der etwa 1400-1420 Chor, Sakristei und Triumphbogen vollendet wurden. Bei vorübergehendem Abschluß dieses Teiles scheint man sich längere Zeit mit so wenig Raum für den Gottes dienst begnügt zu haben. In sorgfältigen Granitquadern er stand der Bau, und ein Strebepfeiler ist — als einziges Beispiel der Lausitz — künstlerischer gestaltet, mit Fiale be krönt. Die Fenster haben schlichtes Maßwerk aus Sand stein, z.T. aus einem Stück. Ihre Gewände sind durch breite Hohlkehlen profiliert, an die sich außen kleine Rundstäbs legen. Drei Levitensitze mit schöner Umrahmung und Be dachung bilden im Chor einen wertvollen Schmuck, und eine glanzvolle gotische Schöpfung nennt Scheibe das Sakra mentshäuschen, das auf der Brotseite des Altars in die Mauer eingelassen ist, nach böhmischer Sitte. Erinnerten die bisher besprochenen Kunstformen schon an beste gotische Überlieferung, wie sie von Prag her kam, so tut dies erst recht die Profilierung des Triumphbogens (btrnsörmig wie die Lhorrippen) und die hierzulande völlig neue Gewölbetechnik im Chor, gleichviel, ob mau sie vor oder nach den Husiten, 1420 oder 1440, ansetzt. Hatte man fllr die Sakristei noch einfache Kreuzwölbung gewählt, so schloß man den Chor im halben Achteck und entwickelte daraus 2 Parallelrippen- paare, die im Grundriß ein Schnürbandmuster darstellen.*) Es ist nicht anzunehmen, daß die Kamenzer Bauhütte diese Wölbungsart erfunden hätte, deshalb waren mir Neu- wirths Forschungen S. 527 ff. willkommen, der genau die selbe Form im Chor der Agidikirche zu Mühlhaus 1400 als erste Lösung in Böhmen vorfindet. Wenn Gurlitt, Ent wicklungsgeschichte S. 10 s. das Netzgewölbe zuerst 1372 in Prag ansetzt, so meint er damit das Sterngewölbe, das Preußen schon vorher kannte: für Sachsen führt er den Chor