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dieser oder weiter südlicher an den Gestaden des atlantischen Ozeans zu überwintern. Ob dies alle Vögel der Koblenzer Kolonie tun, müssen weitere Funde lehren. Wenn wir unsere Erfahrungen an anderen Brutstätten der Lachmöwe heran ziehen, so ist es nicht anzunehmen, da diese uns gelehrt haben, daß die auf engstem Raume erbrüteten Vögel einer Kolonie sich während des Winters über ziemlich weit aus- einanderliegende Gebiete verteilen. So wurde z. B. eine auf dem Vierteich bei Freitelsdorf (nördl. Radeburg), der die größte sächsische Lachmöwenkolonie aufweist, erbrütete Lachmöwe auf ihrem Abzüge in Altona (also auf der Reise in die Nordsee bezw. atlantischen Winterquartiere) fest gestellt, eine andere aber unweit des Genfer Sees in Süd ustfrankreich nachgewiesen. Vögel aus der Lachmöwen kolonie von Hirnsen in Nordböymen — um noch ein Bei spiel aus unserer Nachbarschaft zu nennen — wurden eben falls im Bereiche der Nordsee und des atlantischen Ozeans (an den Küsten von Deutschland, Holland, Belgien, Frank reich, Spanien und Portugal), ferner im Mtttelmeergebiet (Italien, Nordasrika) und schließlich auch auf und im Be reiche von Alpenseen (Bodensee, Genfersee) erbeutet. Vögel der eben erwähnten nordböhmischen Kolonie sind aber auch schon in unserem Gebiete nachgewiesen worden. Eine am 1. Juni 1913 in Hirnsen beringte Lachmöwe wurde am 23. Juli desselben Jahres in Königswartha angetroffen, der Bogel hatte also seine wohl nach der Nordsee gerichtete Reise über das Lausitzer Teichgebiet angetreten und war nicht der Elbe gefolgt, die für den größeren Teil der Hirn- sener Lachmöwen den Reiseweg nach der Nordseeküste bilden mag. Eine weitere, ein Jahr später, am 17. Mai i914 in Hirnsen beringte Möwe wurde als vierjähriger Bogel am 25. März 1918 ebenfalls wieder in Königswartha gefunden. Von ihr dürften wir vielleicht annehmen, daß sie in einer der in der Umgebung Königswarthas befindlichen Kolonien zum Brüten geschritten, also nicht in die elterliche Kolonie, die sonst aber meistens von den Vögeln wieder aufgesucht wird, zurückgekehrt wäre. Ein dritter, am 4. Juni 1914 in Hirnsen beringter Vogel endlich wurde als noch nichtfortpflanzungsfähigereinjährigerIungvogelam15.Mai 1915 in Zahmen bei Klitten erlegt. Dem einen, auf einen Austausch von Vögeln verschiedener Kolonien hindeutenden Königswarthaer Fund steht aus unserer Heimat noch ein zweiter zur Seite: eine am 21. Mai 1913 im Kreise Militzsch in Schlesien beringte Lachmöwe wurde am 30. April 1916 (also zur Brutzeit) in der Kolonie auf dem Freitelsdorfer Bierteich sestgestellt. Man hat, m. E. etwas voreilig und überaus flüchtig aus den ersten Funden beringter Lachmöwen ein Bild vom Zuge des Vogels entworfen, das den wirklichen Verhält nissen aber kaum entsprechen dürfte und sich auch gar nicht mit so manchem späteren Funde beringter Möwen im Ein klang bringen läßt. Auch unsere Freibeobachtungen wider sprechen ihm. Die begonnene kritische Sichtung des Materiales dürfte bald größere Klarheit bringen. Wertvoll nun wäre es, wenn man unabhängig vom Ringversuch einmal versuchen wollte, den Zugsverlauf der Lachmöwe für die einzelnen Landschaften, so wie er in diesen sich dem Auge des Be obachters darbietet, festzulegen. In meinem diesjährigen Königswarthaer Beobachtungsgebiet stellte er sich, in ganz rohen Umrissen gezeichnet, folgendermaßen dar: Noch im Juni leerte sich die Koblenzer Brutkolonie: die flugfähig gewordenen Jungen, anscheinend aber nur ein Teil der Alien trieben sich eine zeitlang in der näheren und weiteren Um gebung der Kolonie umher und fanden sich dabei in kleineren Gesellschaften auf Teichen, wie in Königswartha usw. ein. Die Zahl der Vögel verminderte sich zusehends, bis schließ lich ein Zeitpunkt kam, an dem man kaum nocheine umher streichende Möwe sah: sie waren abgezogen. Im August erschienen neue, wohl aus entfernteren Kolonien durch ziehende größere Scharen, um in der zweiten Hälfte des Monats ebenfalls wieder so gut wie restlos zu verschwinden. Nach Mitte September zeigten sich dann nochmals, jetzt allerdings kleinere, an Zahl wechselnde Gesellschaften des Bogels, die sich zum Teil bis weit in den Oktober hinein an den Teichen umhertneben. Diese Feststellungen, die in ähnlicher Weise auch für frühere Jahre Geltung zu haben scheinen und die der Annahme, daß die Lachmöwe auf ihrem Zug in die Winterquartiere den Strömen und größeren Flüßen folgt, entgegenstehen und zusammen mit anderen, Beobachtungen auch auf einen lebhaften Zuq quer durch Nichtflußgebiete deuten, verdienten es, noch sicherer heraus- gearrbeitetund auf unser gesamtes Lausitzer Gebiet aus gedehnt zu werden. Das kann aber der einzelne nicht, sondern es ist dazu ein Netz von möglichst ortsangesessenen Beobachtern nötig; von Beobachtern, die aber nicht wissen schaftlich geschulte Bogelkundige sein müssen, es genügt das Interesse an der Sache und Treue in der Wiedergabe des Gesehenen. Wer hilft mit? Der melde sich beim Schreiber dieses (Dresden, Marienstr. 32), der ihm dann weiteres mitteilen wird. Lausitzer gotische Baukunst und ihre Steinmetzzeichen Dr. Martin Jäkel, Drcsden-A. 16 Fortsetzung II. Vie Hochgotik Einen ungeahnten Aufschwung nahm die Baukunst und alles Kunstleben überhaupt durch Kaiser Karl IV. Unter seinem machtvollen Schutz sanken die Burgen der Wege lagerer in Trümmer, die Städte blühten auf, und neuer Wohlstand stiftete stattliche Bauten. Begeistert nannte man seine Regierung das goldene Zeitalter. Bei so günstigen Verhältnissen erlangte das Kunstlebcn der Residenz Prag eine allgemeine Bedeutung für ganz Mitteleuropa. Des Kaisers eigne Stiftungen reichen von Tarent, Pavia, Luxem burg über den Rhein bis Sachsen und Schlesien (Neuwirth S. 51). Er war selbst ein weitgereister Mann und hatte in seiner Jugend mehrfach das Kunstschaffen von Avignon kennen gelernt, wo die Päpste 1309—77 in der Verbannung lebten. So bestellte er selbst mit Kennerblick die beiden großen Baumeister des Prager Domes, Matthias von Arras und Peter Parier von Gmünd. Prager Künstler in der Lausitz Prags kirchliche Bedeutung war höher als die Wiens gestiegen, es wurde 1344 Erzbistum und erhielt 1364 die Legatenwürde für Regensburg, Bamberg und Meißen. Auch die Universität errichtete der Kaiser, und so wurde Prag der kirchliche, wissenschaftliche und künstlerische Mittel punkt des Reiches. Da etwa bis 1400 die böhmische Grenze dicht an Ruppersdorf und Ostritz vorüberging (Iecht.Gesch. von Görlitz S. 18),-so mußte besonders das Zittauer Land von den neuen künstlerischen Bestrebungen Prags ergriffen werden. Der Kaiser selbst stellte diese Verbindung her, in-