Volltext Seite (XML)
Bis zur Einwölbung des Chores mag die Jahrhundert wende überschritten gewesen sein, sodaß der Bau etwa 1290 bis 1310 anzusetzen ist. In der Tochterkirche zu Burkersdorf las man früher unter der Kanzel die Zahl 1324. Hoffentlich ist sie richtig gelesen worden, denn die gotische 5 wird oft mit der 3 ver- wechselt (in Reichenau 1300 ist zu lesen 1500, in Göda --- 1514). Möglich ist diese Angabe für Er bauung der Kirche, weil es sich um eine früh- gotische Anlage handelt: Schiff mit abgesetztem Chor, Slldwestturm wie Hirschfelde und Zittau, und die Wölbung des Langhauses mit Mittelsäule, die 1593 entfernt wurde. Danach ist es wahrscheinlich, daß auch in Hirschfelde die beiden Säulen der alten Kirche angehören. Von einem Stil der Johanniter kann man nicht reden, aber grade in der Lausitz führen sie den Südwestturm ein, der in Süddeutschland beliebt war, und bauen polygonale Chöre. Auch die zweischiffige Kirche ist auf dem Lande etwas Neues und entspricht mehr böhmischer Gewohnheit. 4. Die Stadtkirchen Durch Brände, Beschießungen und Umbauten sind an den übrigen Stadtkirchen wenig frühgotische Reste erkennbar geblieben. Am Bautzener Dom ist am schönsten aus dieser Zeit das Westportal (mit dem Turmunterbau), bei dem die Gliederfolge der goldnen Pforte in Freiberg zu wulstigen Gebilden vereinfacht ist. Als Vorbild des Auf risses diente wohl das Nordportal der Nikolaikirche zu Dippoldiswalde, auch für den Spitzbogenfries und das Por tal zur Südvorhalle. Zu einer zweiten frühgotischen Bau periode rechnet Rauda den Turmquerbau mit Kranzgesims, die Gewölbe des Nordjochs (Profil der Ziegelrippen wie an der Mönchskirche) und die Nordmauer bis zum Knick mit romanisierendem Kranzgesims. Er weist nach, daß das alte, fast quadratische Hauptschiff drei Joche hatte, und ab gesetzten, schmalen Chor. Die von Bautzen und Görlitz mitgeteilten frühgotischen Steinmetzzeichen sind bis jetzt die frühesten der Lausitz: 12 3 4 5 « Das zweite große Werk des Ubergangsstiles zur Früh gotik war die Peterskirche in Görlitz, von der das Portal als schönstes der Lausitz erhalten blieb. Es ist in seinen Beziehungen zu Arnstadt i. Thür, längst erkannt. Im übrigen ließ der Neubau von 1423 keine bemerkens werten Reste. Frühgotische Bauten in Laub an verschwanden völlig, und in Löbau hat die Nikolaikirche durch gotischen Um bau das romanische verdrängt, zuerst um 1300 im recht eckigen Chor, nach 1378 auch im zweischiffigen Langhaus. Durch Grabungen ließ sich in der Kamenzer Pfarr kirche feststellen, daß der Bau von 1300 dreischiffig war, mit angesetztem Chor; andre Merkmale fehlen. Eine früh gotische Kapelle mit runder Apsis, spitzbogig überwölbt, behielt das Hospital (vor 1284). Um 1350 entstand vermutlich der länglich rechteckige Bau der Hospitalkirche in Zittau, da Kaiser Karl IV. eine Fronleichnamskapelle bewilligte, in der 1352 ein Altar gestiftet wurde. Uber die Bedeutung des Fronleichnams» Kultes für kirchliches Leben und Kunst belehrt Neuwirth S. 154. Die Gewölbe der Kapelle sind vielleicht erst 1464 nach husitischer Verwüstung eingezogen, aber frühgotische Anklänge hat das Portal in bäurisch derber Durchbildung (Gurlitt, Zittau S. 173). Statt des Bogenfeldes hat es einen offenen Maßwerk-Dreipaß. Als Stützen der Wimperge mit Krabbensims dienen seitlich Pilaster mit flach aus gekehlten Flächen. Darüber stehen fialenartige Bekrönungen mit derben Kreuzblumen. (In den Seitenwänden der Kirche fand man 1782 etliche 30 alte Krüge aus weißem Ton ein gemauert. Vermutlich stieß man bei der Gründung auf einen alten Urnenfriedhof.) Eine Reihe weiterer Bauten (älteste Kreuzkirche in Zittau, Stadtkirche in Pulsnitz, Bischofswerda u. a.) gehören in diese Zeit, sind aber nicht mehr vorhanden. 5. Dorfkirchen Als unergiebig, auch für die ländliche Kunst, bezeichnet Gurlitt, Dorfkirche S. 9, die Zeit des staatlichen Nieder ganges um 1300. So gewinnt die Gotik zunächst wenig Einfluß auf Dorfkirchen und Hausformen. Schwerlich ist die älteste Bautätigkeit auf dem Dorfe durch Mönche aus geführt oder geleitet worden, sondern in der Einfachheit ihrer Formen wahrscheinlich nur von den Dörflern selbst. Fenster, und Türgewände, Säulen usw. kaufte man fertig im Steinbruch. Geübte Steinmetzen arbeiteten nur in großen Bauhütten oder im Bruch. Während unter den romanischen Kirchen eine größere Anzahl Wehrkirchen waren, wird nun diese Form immer seltener und verschwindet bald nach 1300. Dafür gibt Neu- wirth S. 584 eine interessante Begründung. Schon aus konstruktiven Gründen eignet sich ja die gotische Kirche weniger zur Wehrkirche. Aber maßgebend war vor allem der kirchliche Einspruch gegen Befestigung von Kirchen, der sich 1310 im Mainzer Sprengel und in den Prager Pro- oinzialstatuten bemerkbar machte. Vorschrift wurde die Er- richtung einer Friedhofsmauer oder eines Zaunes. So hat die Kirche mit richtigem Gefühl eine Fehlentwickelung oer- hindert: Gotteshaus und Friedhof sollen nicht Kampfplätze werden. Künstlerisch wertvoll und z. T. sehenswert sind einige Kirchen des Ubergangsstiles bei Görlitz um 1240: Frieders- dorf, Hermsdorf, Ludwigsdorf, Troitschendorf, Nieder- Rengersdorf, Arnsdorf, Königshain, Gersdorf, Schönbrunn, Markersdorf, Leopoldshain (von Dr. Frenzel unter den ro- manischen Kirchen gewürdigt). Sie verbinden mit dem Rundbogen schon den Spitzbogen und haben vor der roma- nischen Apsis spitzbogige Kreuzgewölbe im Chor. Häufiger im preußischen Anteil als im sächsischen sind im Langhaus die Strebepfeiler nach innen gezogen, bis ins 16. Jahr- hundert; sie tragen die Wölbung, die in den alten Kirchen erst später eingezogen oder reicher gestaltet wurde. Gurlitt, Entwicklungsgeschichte S. 6 verfolgt die eingezogenen Strebe pfeiler von Böhmen bis auf die Albigenser in Frankreich zurück. Eine besondere Eigenart bedeuten die Turmbauten in Hermsdorf und Ludwigsdorf b. Görlitz sowie in Herwigs- dors b. Zittau. Hier steht der Turm zwischen Langhaus und Chor und verbindet beide durch ein Kreuzgewölbe. Lutsch, Verzeichnis III, 737 kennt diese Art in Franken, Thüringen