Volltext Seite (XML)
Öffnen wir die Schallfenster des Glockenturmes oder schreiten die Ballistrade herum, so gewährt uns diese be- achtliche Höhe hervorragende Fernsicht. Da schauen wir im Süden den östlichen Teil des deutschen Mittelgebirges, der vorläufig noch den landgierigen Gelüsten des jenseits herrschenden Volkes wie ein natürlicher Grenzwall ent gegentritt. Ja, wenn sich an klarsten Tagen die Schleier lüften, grüßt des Schlesierlandes Stolz, die Schneekoppe, mit ihrem Gipfel herüber. Näher lugt des Lausitzer Landes „Krone" hervor. Dort reckt die oieltürmige Spree feste ihre Zinnen gen Himmel. Sonst schaut das Auge ein weites Heidemeer. Viel näher reichte einst der Wald an den Ort heran. Und ein besonderes Ereignis förderte Handel und Wandel hier in diesem abgelegenen Gebiet. Vermittelte bis dahin die Postkutsche den Verkehr, so kündeten von 1874 ab die südlich vorbeiziehenden Rauch wolken, daß die Eisenbahn auch hier Eingang gefunden hatte. Und heute? Es sei nicht nur an die Eroberung der Luft durch Flug und elektrische Welle gedacht. In diesen letzten Jahren kommt als wichtiger Faktor in volkswirtschaftlicher Beziehung für unsere Gegend die Erschließung der mannigfachen Erdschätze unseres Kreises hinzu. Unzählbar fast die Zahl der Schlote, die aus wipselreicher Umgebung heroorragen! Durch diese Wand lungen wurden auch die Geschicke der Stadt bestimmt. Höher recken sich die neu erstandenen Häuser auch gerade in der Nähe des Turmes. Verschwunden Fleischerei und Pfefferkllchlerhaus, mehrstöckige moderne Geschäftshäuser an ihrer Stelle. Und ferner! Nicht mehr genügte der Raum der Stadt. Sie langte nun weiter aus mit ihren Armen, hin zum Bahnhof, weiter nach dem Westen. Schließlich mußten sich auch die Menschen dem Schicksal fügen und andere Berufe ergreifen. Verklungen längst das Halli! Hallo! des Postillions.— Die Postkraftmagen haben einen neuen Rhythmus in das städtische Leben gebracht. Und wenn der letzte Wagen am Turm vorbei gerattert, dann wird es stiller im Städtchen. „Noch ein mal leis ein Wehen, dann bleibt der Atem stehen der müden, müden Welt." Sind wir mit dieser Betrachtung bis zur Gegenwart gelangt, so sei auch ein dankbares Gedenken den Söhnen unserer Heimat entgegengebracht, die mit dem Opfer ihres Lebens vaterländische Pflicht erfüllten und Nächstenliebe im höchsten Sinne übten. Den Gefallenen der Kriege 1866 und 1870/71 wurde 1873 das Denkmal auf dem Kirchplatze geweiht. Den Lorbeerkranz, den der Friedens engel darreicht, erneuern wir an großen Gedenktagen durch unsere Kranzspenden und ehren die noch heute lebenden Veteranen dieser Jahre. Größer aber waren die Opfer, die der Weltkrieg gefordert hat. Fast dreimal hundert Gefallene hat unser Kirchspiel zu beklagen. So war es wohl berechtigt, einen besonders würdigen Ehren platz als Gedächtnismal zu wählen. Konnte ein Ort dazu geeigneter sein als die Halle am Hauptportal, dar über sich wuchtig der Turmbau erhebt, und die man in solch Künstlerisch schöner Weise als Gedenkhalle aus gestaltet hat? Möchten die Namen in Stein doch unsrer Jugend und den nachfolgenden Geschlechtern künden von dem Heldenkampf der deutschen Mannen. Wir aber wollen wallen zu den Gedenkstätten und es immerdar bezeugen: „Wir vergessen unsre treuen Toten nicht!" In dieser Halle hat nun zum Erntedankfest dieses Jahres ein Opserstock Aufstellung gefunden, den befreun dete Meisterhand gestaltete. Auf einer Säule ruht der eigentlich künstlerische Teil mit wertvoller Intarsien- oder Einlegearbeit, stilisierte Bilder unserer Stadt darstellend: Blick vom Marktplatz nach der Kirchstraße, und von der ehemaligen Amtsmühle nach der Kirche, die Begräbnis kirche von Westen gesehen und das Portal unseres Schlosses mit der gewölbten eisernen Brücke. Auf den abgeschrägten Kanten schauen wir die Symbole des christlichen Glaubens und ein Schwert als Zeichen der unruhigen Gegenwart. Damit Hot unser künstlerisch so wertvoller Taufstein ein würdiges Gegenstück erhalten. Abschließend läßt uns ein Rückblick erkennen, wie wir in rastloser Zeit unser Augenmerk in Beschaulichkeit einem Bauwerk zuwandten, das täglich vor den Blicken oder sonst vor unserm geistigen Auge schwebt. Von lus- tiger Höhe des Kreuzes bis zum Gewölbe in Erdennähe und aus den zeitlichen Ereignissen waren Besonderheiten und Denkwürdigkeiten festzustellen, die anläßlich der 75. Wiederkehr des Entstehungsjahres wert zu würdigen waren. Und schließlich war damit nicht nur menschliches Werk und Wirken gepriesen, sondern auch, um eine kurze Ausführung der Weiherede vom 19. Oktober 1850 anzu fügen: „Was die Hand, Kunst, Einsicht und das Besitztum des Sterblichen Großes und Herrliches ins Dasein zu rufen vermochten, das ist zur Ehre Gottes geschehen und alle die erhabenen Bauwerke auf dem Erdenrund, welche uns die Kirchen mit ihren hochragenden Türmen dar bieten, sind Zeugnisse des Glaubens und tragen die un auslöschliche Inschrift in sich: „Ehre sei Gott in der Höhe!" cvlrn Lage der Loten Theodor Schütze, Hainitz Alle Schritte, alle Wegs Haben nur ein einzig Siel: Heimzukehrsn, Heimzufinden Nus des Alltags Irrgewühl. Nil die Großen, allfdie Kleinen Haben doch das gleiche Los: Hinzustsrben, hinzusinksn In des Todes grauen Schoß. Was wir haben, was wir hoffen, Ist ja doch vergänglich nur, Wird vom (Untergang betroffen, Schwindet hin ohn' jede Spur. Die da leben, dis frohlocken Stehen doch aus schwankem Grund, Bald wird auch ihr Herze stocken, Schlagen ihrs letzte Stund. Stetes Sterben, Neugsbären, Ist der Erde Melodei. Leben kann wohl Glück gewähren. Doch der Tod erst macht uns frei.