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320 Gberlauflher Helmatzeltung Nr. 22 Sagenwelt gewagt. Und dazu hat sich Rudolf Gärtner noch einen außerordentlich dankbaren Stoff ausgewählt, der es durchaus verdient, in weite Kreise getragen zu werden. Es ist die Sage von „Bumbhutt, dr Abrlausitzer Hexenmeester und Eulnspiegl", die nicht allzuvielen bekannt, aber dafür ein um so wertvollerer Schatz unserer Heimat ist. Noch eins hat Rudolf Gärtner als erster in der Lausitz aufgegriffen und mit glücklicher Hand begonnen, nämlich das, was Anton Günther seinem Erzgebirge längst gab, das Lied der Scholle. Mit seinen im Verlage der „Oberlausitzer Heimatzeitung" (Marx, Reichenau) 1925 erschienenen 10 volks tümlichen Liedern in oberlausitzcr Mundart mit eigenen Singwelsen hat er einen erfolgreichen Anfang gemacht, der Lausitz eigene Lieder zu schaffen. Wir wollen und dürfen nur hoffen und wünschen, daß es ihm gelingen möge, dieses Werk so erfolgreich fortzuführen, wie er es begann. Seinen Landsleuten aber sei es recht eindringlich und warm ans Herz gelegt, diese schöne Gabe nicht zu unterschätzen, sie mit weit offenen Armen zu empfangen und von ihr Gebrauch zu machen. Jeder Gebirgsverein des gesamten Verbandes Lusatia sollte seinen Ehrgeiz darein legen, seine Bauden- oder Bereinsabende mit dem allgemeinen Gesänge dieser Lieder zu verschönen. Berg Heil unserm Sänger, der endlich der Lausitz eines der herrlichsten Güter gab, das Heimatlied. Ob es das Leine- wabrlied, 's Nudellied, das Wiegenlied, Drcschlied, Hörtclied oder ein anderes ist, alle sind sie schön, auf alle darf sich die Lausitz freuen. Rudolf Gärtner weiß aber auch auf der Bühne zu ge stalten, wenngleich er hierbei weniger Wert ans eine Handlung als vielmehr auf die gute Zeichnung der einzelnen Charaktere legt. Das zeigt er uns mit seinem lustigen Hochzeitsspiele „Abrlausitzer Huckst", dem die in der Lausitz bestens bekannte und durch die Friedrich'schen Stücke hinlänglich bewährte Mundart-Spielschar „Thalia", Reichenau, im Sommer 1924 eine vortreffliche Uraufführung zu teil werden ließ. Dieser kurze Einblick in Rudolf Gärtners Schaffen möge all denen, die bis setzt noch nicht seine Bedeutung recht erfaßt haben, eine Anregung dazu sein. Wir aber verknüpfen damit den Wunsch und die Hoffnung, daß Rudolf Gärtner noch ein recht langes, schaffensreiches Leben beschicken sei. Wer ihn kennt mit dem freundlichen, spitzbartgezierten Marcell-Salzer- Gesicht, der würde ihm die 50 Jahre wahrlich nicht glauben, wenn er es nicht wüßte. Ein junges, heimatliebendes Herz, ein frohes, heiteres Gemüt, einen echten, geraden lausitzer Sinn, das sind Rudolf Gärtners beste Güter. Sie mögen ihm nie verloren gehen. Herbert Henkner, Bautzen. Reiseerinnerungen eines Sattlergesellen aus der guten alten Zeit Karl August Pietsch-Bautzen (Schluß) Am nächsten Morgen wanderten wir weiter nach Biebrich, Mainz, Oppenheim, Worms. Lange betrachtete ich in Worms das herrliche Lutherdenkmal. Ich dachte dabei, wie schon so oft an meinen alten, guten Kantor Rothenburg, der uns Kin dern so viel aus der Reformationszeit erzählt hatte. Bon Worms ging die Reise nach Frankenthal. Ein gar niedliches Städtchen. Hier ging ich, da mir ja gar nichts an deres übrig blieb, nach Herzenslust „fechten". Doch nicht lange dauerte das Vergnügen, da hatte mich ein Schutzmann beim Wickel. Ich bog blitzartig um eine Straßenecke und schob in die nächste Haustür hinein. Hier hatte ich besonderes Glück. Kurz entschlossen klopfte ich an die Tür der ersten besten Wohnung und jammerte so sehr über meinen (tatsächlichen) Hunger, als hätte ich schon seit drei Tagen keinen warmen Löffel mehr im Magen gehabt — und dergleichen mehr, daß mich die in der Stube befindliche Hausfrau hereinkommen und am Tische niedersetzen ließ. Sie setzte mir eine Schüssel mit Sl abgemachten Bohnensalat vor und hieß mich essen. Ich nahm mir einen Teller voll aus der Schüssel heraus, und nach kurzer Zeit war der Teller leer. Die Frau sah mir zu und bekam einen kleinen Begriff von dem guten Appetit eines Handwerksburschcn. Noch einen Teller durfte ich mir heraus nehmen, und da auch dieser in kurzer Zeit in meinem Magen verschwand, so gestaltete sie mir, den letzten Rest auch noch auszuessen, was ich auch tat. Wohl selten wieder hat mir der Bohnensalat so gut geschmeckt, als dort in Frankenthal bei der guten Frau, die man mit der Witwe zu Zarpat vergleichen könnte. Gott möge es ihr lohnen! Mit den herzlichsten Dankesworten verabschiedete ich mich von ihr, und da doch inzwischen immerhin einige Zeil verstrichen war, hoffte ich, den mich verfolgenden Schutzmann inzwischen los geworden zu sein. Weit gefehlt. Er stand an der anderen Straßenecke und wurde mich wieder gewahr. Schließlich, da ich mich nach und nach aus seinem Bezirk entfernte, verfolgte er mich nicht mehr. Es dauerte auch nicht allzulange, bis ich mein Schlafgeld und einige Notgroschen zusammengefochten hatte, und traf dann wieder mit Wendt und Rapsilber aus der „Penne" zusammen. Am nächsten Morgen ging die Reise weiter nach Ogersheim, Ludwigshafen, Mannheim. In Mannheim erwartete ich einen Bries von daheim. Ich hatte von Frankfurt a. M. an meinen Pater eine Postkarte geschickt mit der Bitte, mir sofort post lagernd nach Mannheim einen Brief zu schicken. Von der Postkarte hatte ich eine kleine Ecke abgebrannt. Dies sollte meine Notlage versinnbildlichen. — Der gute Vater aber hatte es leider versäumt, sofort zu schreiben. Leider ist des Vaters Brief zu spät, nachdem ich längst Mannheim passiert hatte, angekommen. Er Hai ihn, wie ich es später erfahren, nach vier Wochen als „unbestellbar" zucückerhalten. Ich aber sehnte mich sehr nach Nachrichten von daheim. Diesmal umsonst. Die Reise in dieser Gegend wurde immer interessanter. Hier wimmelte es von Handwerksburschen. So kam es, daß, als wir am folgenden Tage gegen Abend nach Speyer kamen, die Herbergen überfüllt waren. Wir fanden ein Notquartier und mußten mit der Gaststube fürlieb nehmen. Einige saßen nachts über auf Stühlen und schliefen. Ich durfte mitten in der Gaststube auf einem großen Tische schlafen. Mehrere Male beschnupperte mich ein großer Hund, den der Wirt zur Sicher- heil in der Stube zurückgelassen hatte. Auch schlug der Hund bei jeder kleinsten Bewegung an. Das war schauerlich. Zwei „Brüder Straubinger" kampierten, jeder in einer Ecke, auf dem Sofa. Noch heute denke ich mit einem gewissen Gruseln an diese Nacht zurück. Von hier ging die Reise nach Germers heim (Festung), Bruchsal, Weingärten, Durlach, Karlsruhe. An manchen Tagen war unsere Anzahl auf 10 und mehr an gewachsen. Es gab da mitunter ein sehr lustiges Wander leben. Mein Kollege Rapsilber hatte eine schöne Flöte, aus welcher er auf dem Marsche spielte. Es wurde dann gewöhn lich ein recht buntes Taschentuch als Fahne, der Wanderstab als Fahnenstange benutzt, und so ging es Tag um Tag immer weiter nach Süden zu. Auch hatte sich noch ein vierter Sattler zu uns gesellt. Er war ausfällig klein und dick und hieß Jakob. Ob das sein Ruf- oder Familienname war, habe ich nie erfahren. Wir hießen ihn einfach „Jakob". Gingen wir „umschauen", so gingen wir gewöhnlich alle vier. Das war mitunter nicht sehr günstig in bezug auf die Höhe des „Ge schenkes" — aber es machte uns Spaß. Rapsilber, als der größte von uns, sprach den zünftigen „Gruß". Es sollte je- doch eine Änderung unter uns Kollegen eintreten. Bon Karls- ruhe gingen wir weiter nach Ettlingen, Rastatt (Festung) und kamen nach Baden. In dieser schönen Stadt hätte ich gern gearbeitet. Wir „schauten um" und kamen in den Laden eines Meisters in guter Lage, irre ich nicht, am Markt. Der Meister nahm uns den Gruß ab und besah uns von oben bis unten. Dann zeigte er mit der Hand auf Johannes Wendt und sagte: „Sie können bei mir anfangen". Ein niedliches Mädchen, vielleicht gar die Meisterstochter, putzte im Laden die Be-