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drücke, finden wir in Gärtners Geschichten und Liedern in aller Ursprünglichkeit wieder. In seinen Büchern „Abrlausttzer Loft" und „Abrlausitzer Ardreich" stehen seine Geschichten, die lachen und weinen. Gärtner hat es verstanden, und das ist wohl sein besonderes Verdienst um die Mundartdichtung, in diesen Geschichten neben dem gesunden, herzerquickenden Humor, der dem Lausitzer zu eigen ist, auch die tiefe Tragik im Leben des lausitzer Menschen in seiner schlichten, natürlichen Art künstlerisch zu gestalten. Heimatluft weht einem aus jeder Geschichte entgegen. Ein ganz besonderes Verdienst um die Lausitz erwirbt sich Gärtner aber zweifellos mit seinem neuesten Werke „Bumbhutt, dr Aberlausitzer Hexenmeestr", das in den nächsten Wochen erscheinen soll. „Bumbhutt", der Lausitzer Kobold, der vor 150 Jahren nicht nur die Lausitz, sondern auch Westsachsen, Mitteldeutschland und Böhmen beglückte und oft auch zum Gruseln brachte, läßt Gärtner neu erstehen. In Hundert Ge schichten lebt diese heimatliche Sagengestalt wieder auf, farben froh und mit einem tiefsinnigen, goldigen Humor durchwoben. Auch Lieder in der heimatlichen Mundart, deren Sing weise der Lichter gleichzeitig selbst verfaßte, hat er der Lausitz geschenkt. Sie sind erschienen im Verlag der Oberlausitzer Heimatzeitung, Reichenau i. Sa. Neben seinem eigentlichen Beruf findet Gärtner stets noch Zeit, seiner Muse zu leben, für sein Volk zu schaffen und seine Kraft seiner geliebten Heimat, der Lausitz, zu opfern. Wochen lang erlischt oft seine Lampe in seinem gemütlichen Wohn zimmer nicht vor Mitternacht. Der Fünfzigjährige weiß, daß er noch viel zu geben hat, daß sein Born noch nicht erschöpft ist. Kaum ist ein Werk beendet, zieht es ihn schon wieder zu einem halben Dutzend anderen Sachen. Aber er ist auch ein glücklicher Optimist und kann uns diese Weisheit lehren, die am Altjahrsabeud auf einem Kalenderblatt eines Lausitzer Kunstkalenders steht: A neues Iuhr — a neues Hoffm! Und ös zerletzt nö eigetroffm: Wetter hoffm! Martin Weise, Dresden. * * * Verhältnismäßig spät hat sich in der Lausitz das Schrift tum des Dialektes angenommen, während es auf allen andern Gebieten schon eine mitunter recht stattliche Tradition auszu weisen hat. Wir werden kaum weiter als bis in die 40 er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückkommen, wenn wir nach Vertretern des Oberläusitzes Dialektes forschen. Den wenigsten sind sie bekannt. Es ist bestimmt anzunehmen, daß ihnen nicht das Verständnis entgegengcbracht wurde, wie wir cs heute kennen. Uber Renatus, einer der bekanntesten Bahn brecher, sind die Meinungen neuerdings wesentlich verändert. Wenn wir einmal an die Jahre vor dem großen Weltkriege denken, so werden wir selbst da finden, daß noch viele sich in dem Irrtum befanden, Dialekt mit einem lässig gesprochenen Deutsch zu verwechseln. Manche glaubten, lausitzer Dialekt sprechen zu können, wenn sie den „Edelrollern" das „rrr" nachahmten, hochdeutsche Worte vernachlässigten, anstatt ein „een", anstatt auf „off" sprachen und dann schließlich ganz einfach nach selbstgesertigten Regeln umbogen, und ebenso wie sie für Wagen „Woign", tragen „troign", auch für sagen „soign" und fragen „froign" setzten. Weit gefehlt. Es ist vollkommen verkannt, wenn man glaubt, aus dem Hochdeutschen ableiten zu können. Dialekt ist etwas Selb ständiges, das schon bestand, bevor das Hochdeutsche war. Warum hatte man zu Luthers Zeiten die Kanzleisprache, bei der man wohl eher von Konstruktion sprechen konnte? Doch sicher nur, um die zu damaliger Zeit noch viel schärfer aus geprägten Dialektarten zu überbrücken. Luther selbst war der große Baumeister, der all die vielen sprachlichen Stammes- eigenheiten der deutschen Gaue unter der gewaltigen Kuppel des Hochdeutschen vereinte. Bei aller Hochschätzung unserer guten hochdeutschen Sprache, die reich ist an guten Klängen und vielfacher Gestaltungskraft, müßen wir doch zugestehens daß der Dialekt unendlich reicher ist, um ganz bestimmte, zumeist durch die Scholle bedingte, Gemütsfeinheiten und Arteinheiten wunderschön wiederzugeben. Nicht aufs Wort allein und seine Aussprache kommt es an, sondern auch auf die Redewendung. Und hier zeigt sich die Kunst des Dichters, der seinem Volke allerlei ablauscht und es sinnig miteinander verwebt. Unendlich schwer ist es für ihn hierbei, im Schriftbild die richtige Aussprache zu vermitteln. Sind es in der preußischen Oberlausitz drei, die gewisser maßen den Grenzdialekt zwischen schlesischer und oberlausitzi- scher Mundart hervorhebcnd vertreten, nämlich Fritz Bertram, der am 9. Oktober 1921 seinen 50. Geburtstaq feierte, Emil Barber (E. v. Zilligstein) und in neuerer Zeit Protzsch- Hermon (Plüschke), so ist es auch in der sächsischen Oberlausitz ein Dreigestirn, das aus der Reihe der Dialektvertreter heraus leuchtet und sich ausschließlich mit Dialekt befaßt. Der älteste von diesen dreien, Bihms Koarle (August Matthes), Zittau, ein geborner Wehrsdorfer, feierte am 29. Oktober 1924 bereits seinen 70. Geburtstag, dann folgt Wilhelm Friedrich, der Reichenauer, welcher am 3. Avril 1923 seinen 60. Geburts tag beging, und ihnen schließt sich nun Rudolf Gärtner, Hellerau, mit seinem 50. Geburtstag an. Pflegt Bihms Koarle, wie er nur genannt sein will, seinen Dialekt fast nur in außerordentlich humorvollen Gedichten; beherrscht Friedrich dagegen das Gebiet der heimatlichen und mundartlichen Dramatik, wobei er im angenehmen Wechsel spiel von würdevollem Ernst und gemäßigtem aber köstlichem Humor die Geschichte seiner engeren Heimat berührt, so ist es Rudolf Gärtner vorbehalten, als gewandter und freundlicher Plauderer zu uns zu sprechen. Rudolf Gärtner blieb durchaus nicht von den Bitternissen des Lebens verschont, aber dennoch hat er sich einen köstlichen, aus dem tiefen Innersten hervorkommendcn Humor bewahrt und neben seinem Beruf als Verwaltungsbeamter, den er in Hellerau ausübt, noch reichlich Muße gefunden, dem Trieb zu seiner Kunst freie Bahn zu geben. Um das Werden eines Dichters ist es oft ein eigen Ding. Die meisten Dichter und nicht selten die besten müssen erst suchen, sich zuweilen auch der Gefahr des Mißlingens aussetzen, bevor sie das Gebiet finden, das ihrer Bestimmung entspricht. Auch Rudolf Gärtner hat gesucht. In hochdeutscher Sprache begann er, seiner Muse zu folgen, bis er im Dialekt seine Bestimmung fand. Gar bald gewann er sich einen großen Freundeskreis und sein erstes Buch „Äbrlaufitzer Loft" fand willkommene Aufnahme, ja, wer genau beobachtet hat, wird gemerkt haben, daß es geradezu als etwas Ersehntes und längst Erwartetes begrüßt wurde, denn in dieser gediegenen Art mochte wohl vorher kein Plauderer seinen Landleuten in aller Bescheidenheit ein Geschenk gereicht haben. Der heitere Ton, den Gärtner an stimmt, wird getragen von einem leicht lesbaren Dialekt. Das ist ein großer Vorteil. Die „Oberlausitzer Heimatzeitung" darf übrigens das Verdienst in Anspruch nehmen, unserem lieben, allverehrten Jubilar zu einem vorwiegenden Teile den Weg in weite Kreise und alle Teile der Oberlausitz geebnet zu haben. Dem ersten Bande folgte 1925 ein zweiter, betitelt „Abr- lausitzer Ardreich". Eine treue Lebensgefährtin nahm regsten Anteil an Gärtners Schaffen. Ihr hat der Kottmar in die Wiege gelacht. Sie bekundet ihr Verständnis sogar in dem ersten Bande, dessen Titel ausdrücklich sagt „viernzwanzschg Geschichtn a äbr- lausitzscher Mundart vü Rudolf Gärtner und eene vu senner Froon", mit ihrem sehr gelungenen größeren Beitrag „'s kleene Christkinjdl." Gegenwärtig bereitet der Verlag Kommerstädt öc Schobloch einen dritten Band vor, dem wir sehr erwartungsvoll ent gegensehen. Mit ihm begibt sich Gärtner auf das Gebiet der Sage, eine erfreuliche und mutige Tat, denn in dieser Art hat sich die Mundart bisher noch nicht an unsere heimische