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oder eine „Bewährungsfrist" voraussetzen. Und der letzteren gibt es leider mehr als notwendig. Wir minder Hoffärtigen aber sind stolz und empfinden es mit berechtigter Genugtuung, wenn man uns dieses Ehrentitels für würdig erachtet, und wir kennen kein höheres Ziel, als für unser Volk und für unsere Heimat zu schreiben. Was haben wir von der großen Welt und vom Weltbürgertum? Heimatkunst und Heimatdichtung steht auf unserer Fahne. Eine recht stattliche Schar ist es bereits, die sich freudigen Herzens hinter diese Losung stellt. Und der Mann, dem diese Zeilen gelten, steht als einer der Besten mit in der vordersten Linie der Lausitzer Heimatschriftsteller. Rudolf Gärtner ist ein echter Sohn unseres Gaues. Er ist in dem heute mit der jungen Stadt Neugersdorf vereinigten ehemaligen Dörfchen Altgersdorf, im Schatten des Kottmars, geboren. Sein Vater war daselbst Lehrer und Organist. Aus der Jugendzeit un seres Dichters wissen wir nur, daß ihm beileibe nicht alles nach Wunsch gegangen ist und das Leben ihn zuweilen in eine harte Schule genommen hat. Aber trotz mancher Enttäuschung hat er sich seinen unverwüstlichen, köstlichen Humor zu wahren gewußt, dem schon mancher Mühselige und Beladene Trost und Aufheiterung verdankt. Mit der Lausitzer Heimat ist er mit jeder Faser seines goldenen Herzens verbunden geblieben, auch seitdem ihn Beruf und Schicksal nach der sächsischen Landeshauptstadt führten. 2n dem waldumkränzten Dresdener Villenvorort Hellerau, dessen Namen er dem seinen angegliedert hat, besitzt er ein reizendes Häuschen, das ihm ein Stück der trauten Heimat darstellt, zumal sein guter Hausgeist, seine liebenswürdige Gattin und treue Mitarbeiterin, ebenfalls eine gute Lausitzerin ist. Das Gärtnersche Ehepaar zählt zu den sympathischsten Vertretern unserer Landsleute. Rudolf Gärtners literarische Veranlagung ist nicht von heute und gestern. Er hat schon frühzeitig begonnen, seine reiche Gedankenwelt in poetische Formen zu kleiden, ist in der breiten Öffentlichkeit aber erst bekannter geworden, als er dazu überging, sich für seine Dichtungen der heimatlichen Mundart zu bedienep. Diese in der Schriftsprache wiederzugeben, hat nun aber allerhand Schwierigkeiten, mit denen zunächst auch er zu Kämpfen hatte. (Die Frage einer einheitlichen Schreib weise der Mundart beschäftigt noch im gegenwärtigen Augen blick lebhaft die Gemüter in der freien Bereinigung der Lau sitzer Schriftsteller: bekanntlich will man den Versuch machen, sie gelegentlich der nächsten Tagung in Görlitz befriedigend zu lösen.) Im Jahre 1919 erschien im Verlage von E. Klemens ein Büchlein von Rudolf Gärtner, das eine Reihe ganz ent zückender Skizzen aus dem heimatlichen Volkstum enthält und den Titel „Äbrlausitzer Loft" führt. Es zeigte den bis dahin wenig bekannten Dichter als einen Meister sprühenden, bodenständigen Humors, der mit glänzender Beobachtungsgabe seine Landsleute schildert, wie sie sind, und die stärksten Wir kungen herauszuholen versteht. Wir finden aber bereits in diesem Bande Spuren, daß der Verfasser auch die ernsteren Seiten des Lebens in der Mundart packend zu behandeln weiß. Das Werk erregte berechtigtes Aufsehen und fand rasch Ein gang in allen Kreisen, denen der Sinn für Humor und heimat liches Volkstum noch nicht abhanden gekommen ist. Bor allem erwies sich schon dieses Werk als eine Fundgrube für die Veranstalter mundartlicher Rezitationsabende. Lebhaft begrüßte man allseitig das „zwäte Börttlhunnert, Geschichten a Äbrlausitzer Muudoart", das im Jahre 1925 bei v. Kommerstedt <L Schobloch in Dresden-Wachwitz herauskam und als eine vertiefte Fortsetzung des ersten Bandes zu be werten ist. Da Gärtner sich durchaus von der berüchtigten Bielschreiberei fernhält, so haben wir es hier mit prachtvoll ausgereiften Schilderungen zu tun, die aber nicht nur die hei teren Seiten des Lebens zum Gegenstand haben, sondern Gärtner anch als vorzüglichen Erzähler zeigen, der den tiefsten Regungen der Volksseele nachznspüren versteht. Die er schütternden Skizzen „Uhfm Hantschkegutte", „Guchts Lobl und sei Körschboom", namentlich aber das tiesergreifende „Änne Mutter" sind den besten Schöpfungen auf diesem Gebiete zu zurechnen. Doch auch im tiefsten Leid vermag der Dichter unter Tränen zu lächeln, und der herzige Frohsinn der wei teren Kapitel führt uns wieder zu energischer Lebensbejahung. Der Titel dieses prächtigen Bandes ist „Äbrlausitzer Ardreich". Es hat seinen Verfasser mit einem Schlage zu einem der ge feiertsten der Oberiausitzer Heimatdichter gemacht. In der Tat weiß man nicht, ob man die plastische Gestaltungskraft oder das fast unbegrenzte Ausdrucksvermögen des Dichters mehr bewundern soll. Ein drittes, ähnlich geartetes Werk, soll übrigens in allernächster Zeit bei der vorgenannten Wachwitzer Firma herauskommen. Es heißt „Bumbhutt, dr Äbr- lausitzer H exnm eestr", und behandelt de» bekannten Sagen kreis unserer Heimat. Das Buch wird von allen seinen Freun den mit lebhafter Spannung erwartet. Diese herzigen heiteren und ernsten Skizzen im Stile Mark Twains (aber mit scharf ausgeprägter Eigenart!) scheinen die stärkste Seite des Dichters zu sein. Er bringt uns aber auch in seinen Volkstümlichen Liedern in Ober lausitzer Mundart mit Singweisen die verheißungs vollen Anfänge mundartlicher Liedlyrik, die sich in unserer Heimatliteratur bisher nur ganz sporadisch nachweisen lassen. Daß Gärtner auch als mundartlicher Dramatiker nicht zu unter schätzen ist, beweist seine „Äbrlausitzer Huckst", mit der er sich als erfolgreicher Mitbewerber um die weltbedeutenden Breiter an die Seite von Wilhelm Friedrich, Fritz Bertram, Richard Blasius u. s. w. stellt. Mittels seiner bemerkenswerten Vielseitigkeit hat Rudolf Gärtner die alte Behauptung, daß unser Idiom im heimatlichen Schrifttum nur für die Wieder gabe von lustigen Schnaken in Prosa oder Knittelversen in Frage kommen könne, an seinem Teile glänzend widerlegt, wie es die genannten Dramatiker ihrerseits ebenfalls getan haben. Unserm verehrten Rudolf Gärtner können wir zu seinem goldenen Erdenbürgerjubiläum keinen besseren Wunsch widmen als den einen: möge ihm noch lange Gesundheit, Spannkraft und Schaffensfreude in dem bisherigen Maße und uns noch recht, recht viele Gaben seiner liebenswürdigen Muse be- schieden sein! Bruno Reichard. * * * In Hellerau bei Dresden feierte am 27. Oktober der Lau sitzer Mundartdichter Rudolf Gärtner seinen 50. Geburtstag. Gärtner ist heute kein Unbekannter mehr, besonders in der Lausitz hat sein Name einen guten Klang. ^Mit seinen Mundartdichtungen hat er sich mühsam den Weg zur An erkennung gebahnt, geleitet von einem festen Willen, einem glücklichen Optimismus und einem goldigen Humor. Gärtner wurzelt mit seinen Dichtungen tief in der Scholle seiner Heimat, in seinem „Ardreich". Seine Sprache ist schwer wie die Scholle der Lausitz; aber sie ist auch innig, stark, herzerquickend. Nur zwei Proben seien angeführt. Die Geschichte „Uhfm Hantschkegutte" beginnt und schließt: „Tührlüh tührletüh pfefft dr Stoar uhf dr Foiresse vern Hantschkegutte, binkbinkbink binkbinkbink schlett de Finke uhfm Lindenboome drnabm und tschirp tschirp tschilp machns de Sperlche uhfm Hofe und pickern 'n Htehnern de Kurnkernl wegk." Welche Innigkeit und Herzlichkeit spricht doch schon aus diesen wenigen Worten, allein schon aus dem einen Worte „Kurnkernl". Man muß dieses Wort einmal laut und langsam für sich hinsprechen, um die Wärme, die es ausstrahlt, zu spüren. In seinem Weihnachtsgedicht „Dr hellge Oobd" stehen u. a. die Worte: 'n ganzn Dag hoht's schunt geschneit, wie weiße Lemmd dr Goährtn leit, und »alle Zaunstachetl hoann Mötzl uhfm Heetl." Eine Welt von Bildern malen diese innigen Worte. Gärtners starke Beobachtungsgabe und das Einsühlen in die Menschen seiner Heimat, in ihr Glück und ihr Leid erheben ihn besonders zum Heimatdichter. Er hat das, was Martin Luther im „Sendbrief vom Dolmetschen" mit seinen „den Leuten aus das Maul sehen, wie sie reden," meint, zu pflegen gewußt. Die Sprache des Lausitzers, seine kraftvollen, ost auch derben Aus-