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Das neue Oybiner Geläut im Sabre 1873 die Kirchgemeinde Oybin ihre da' Wsl? mals neuen, aus französischen Geschützrohren gegossenen EDI Glocken weihte, mag wohl niemand daran gedacht haben, daß einmal eine Zeit kommen könnte, wo bitterste Kriegsnot Deutschland zwingen könnte, die Glockenstühle seiner Gotteshäuser zu leeren als letztes Mittel zur Gewinnung neuen Kanonenmaterials. Reichlich vier Jahrzehnte später ist dieser beklagenswerte Fall eingetretcn, und fast alle kirchlichen Ge meinden haben mit den wehmütigsten Gefühlen auch dieses Opfer auf sich nehmen müssen, nachdem der Staat mit eiserner Hand auch in die privaten Haushaltungen eingegriffen und alle sür die Umschmelzung zu Kriegsgerät irgendwie geeigneten Metallgegenstände unerbittlich beschlagnahmt hatte. Auch die Gemeinde Oybin konnte nicht umhin, der höheren Anordnung gemäß die beiden größeren Glocken ihres Geläuts abzuliefern. Der 7. Juli 1917, an dem das nie für möglich Gehaltene ge schah. ist sür das ganze Dorf ein Trauerlag gewesen, und der langjährige treue Seelsorger der Gemeinde, der heute über 80 Jahre alte greise Pfarrer Oskar Sauppe, mag mit be sonders tiefem Schmerz Zeuge des Vorgangs gewesen sein, wie die von ihm s. Z. geweihten Glocken entfernt werden mußten. 44 Jahre lang hatte ihr metallener Mund dem friedlichen Tale stille und ernste Stunden verkündet. Die große Glocke schien sich mit Gewalt ihrer Abnahme wider setzen zu wollen; sie wich nicht eher von ihrem Platze, bis man sie im Turm zerschlagen hatte. Die mittlere konnte un- verseh« abgeliefert werden; nur die bescheidene kleinste der drei Glocken wurde der Gemeinde belassen, die sich über 8 Jahre mit ihr behelfen mußte. Das Opfer war vergebens gewesen. Es kam der voll ständige Zusammenbruch. Aber sobald die gärende Übergangs zeit mit ihrer ziellosen Unrast einigermaßen überwunden war, regte sich wie überall im deutschen Land auch in Oybin der Drang, so bald als möglich wieder zu geordneten Verhältnissen zu kommen, und es muß zur Ehre der Gemeinde gesagt werden, daß ihre Mitglieder in vorbildlichem Gemeinschaftskeit- gesühl alle politischen und sozialen Meinungsverschiedenheiten bei Seite stellten, als es sich um die Frage der Beschaffung eines neuen Geläuts handelte. Feder steuerte willig sein Echerflein bei, und als am 20. September dieses Jahres die Weihe der neuen Glocken erfolgen konnte, wurde der Tag zu einem Freudenfest, von dem sich kaum jemand in der Gemeinde ausgeschlossen hat. Die ganze Angelegenheit ist der über- zeugendste Beweis dafür, was mit vereinten Kräften zu er reichen ist. Die neuen Glocken sind von der bekannten Glockengießerei A. Geittner Söhne in Breslau geliefert worden und sind als ein ausgezeichnetes Werk zu bewerten. Wie wir hörten, ist der gewählte ^-clur-Akkord (H.-Ci8-L) für die Oybiner Ver hältnisse als besonders geeignet von fachmännischer Seite emv- fohlen worden. Es ist dem Laien nicht recht verständlich, in wiefern zwischen der Tonfolge eines Geläuts und seiner räum lichen Umwelt gewisse phänische bezw. harmonische Beziehungen bestehen sollten. Tatsächlich hat man aber nach dem Ergebnis des Probeläutens das zwangsläufige Gefühl, als könnte im Oybiner Tal kein anderer Akkord so vorzüglich klingen. Das Gewicht der Glocken beträgt 430, 230 und 120 kK. Ihr Um- fang ist geringer als man erwartet, entspricht aber den Größen verhältnissen von Kirche und Turm. Die Glocken tragen doppelseitige Widmungen und Weihsprüche, die den Spender nennen und teilweise auch die besondere Bestimmung jeder einzelnen erkennen lasten. Die Inschriften auf der großen Glocke lauten vorderseitig: „Hoch vom Turm an der Felsen wand töne mahnend der Glockenklang in Freud und Leid", ferner: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet. Röm. 12,12;" rückseitig: „Oybin—Hain 1925. Kirchenvorstand und Gemeinderat." Die mittlere Glocke, die aus den Erträgnissen geselliger Veranstaltungen und freiwilli ger Spenden der Frauen und Jungfrauen beschafft worden ist und zum Trauergeläut bestimmt ist, sagt uns: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Matth. 11, 28" und „Die Liebe höret nimmer auf. I. Cor. 13, 8. Frauenverein." Die Beschaffungskosten für die dritte Glocke sind durch Sammeltätigkeit in der Schule aufgebracht worden. Wir lesen als Inschriften die Sprüche: „Lastet die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes. Marc. 10, 14" und „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du Lob zugerichtet. Matth. 21, 16. Schuljugend." Unter den charakteristischen Wahrzeichen unserer Ober lausitz ist das Oybiner Felsenkirchlein eins der schönsten und idyllischsten, so recht ein Sinnbild des Friedens. Möge sein neues Geläut auf lange Jahre hinaus der Gemeinde Oybin, der Lausitz und dem deutschen Baterlande Freude und Frieden bedeuten! Bruno Reichard. Vom Bauernkrieg in Sachsen vr. Otto H. Brandt, Dresden HW?n diesem Jahre, in dem sich der große Bauernkrieg von WH 1525 zum 400. Male jährt, ist die Frage nicht UN- berechtigt, wie es in jenen Tagen in unserer engeren Heimat zugegangen ist. Wer durch deutsche Gaue fährt oder wandert, erblickt im Süden und Westen an vielen Stellen noch die Spuren jenes Jahres. Burgen sind zerstört worden, die später nie wieder aufgebaut wurden. Bei uns ist von all dem nichts zu beobachten, und schon aus dieser einfachen Tat sache erhellt, daß der Bauernkrieg, wenn er überhaupt hier ausgebrochen ist, in ganz anderer Weise sich ausgewirkt haben muß. Und dem ist tatsächlich so. Das heutige Sachsen blieb im wesentlichen von größeren Bauernausständen verschont. Nur an zwei Stellen des wettinischen Besitzes kam es auf kurze Zeit zu Unruhen: im Erzgebirge, das zu dem Alberti nischen Sachsen gehörte, und im Vogtlands, das damals noch unter den Ernestinern stand. Daß im allgemeinen die Ruhe erhalten blieb, das hängt wohl vornehmlich damit zusammen, daß der sächsische Bauer ein besseres Besitzrecht hatte als sein Standesgenosse in Oberdeutschland. Wo aber der Aufstand au-brach, da war fast stärker noch als die Bauern das un ruhige Element der Bergleute und der Tuchknappen beteiligt. Nur spärlich fließen bisher die Quellen, und erst die große noch nicht beendete Aktenpublikation, die auf die Vorarbeiten von Merx zurückgeht, wird diese gesamte Bewegung klarer überblicken lasten und namentlich die Verbindung mit Münzer- schen Ideen klarlegen. Frühzeitig schon hatten schwärmerische Gedankengänge, von glühenden Fanatikern verbreitet, seit dem Beginn des dritten Jahrzehnts sich in der Menge verbreitet. In Zwickau hatte Thomas Münzer als feuriger Redner unter den Tuchknappen eifrige Anhänger gefunden, die für besten unklare Anschauungen eintraten, die dem gemeinen Mann völlige Freiheit und Tage des Glückes versprachen. In Klaus Storch hatte er zugleich einen Helfer gefunden, der fanatisch sich für die neue Lehre einsetzte. Münzer und seine Anhänger wurden gezwungen, Zwickau zu räumen. Während Münzer selbst ein rastloses Wanderleben führte, ging Klaus Storch nach Hof und suchte da im selben Sinne zu wirken, bis auch hier ihm der Boden zu heiß wurde. Auch in Plauen hetzte ein entlaufener Mönch gegen die altgläubige Geistlichkeit. Ähnliche Vorgänge spielten sich weiterhin im Erzgebirge ab, wo namentlich in Schneeberg der reformatorische Geist im starken Wachsen war und der Prediger Georg Amandus Kühn vorging. Eine gleiche Erregung hatte ferner Annaberg er- griffen, wo in anonymen Schriften die Geistlichkeit befehdet wurde. Da allgemeine Unruhe unter der Bevölkerung ent standen war, suchte der Amtmann beschwichtigend schon im Januar 1524 einzugreisen. In neun Artikeln, die leider nicht erhalten sind, würden die Beschwerden zusammengefaßt.