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„Komm, Hansel!", sagte das Mädchen nach einer Weile, „wir gehn's der Mama sagen. Großpapa, ich bin ganz beese uff Dich!" Damit wandte sie sich von ihm ab und lief mit dem Kleinen zur Kammer hinaus. Ls dauerte nicht lange, so kamen die beiden wieder. Die Mutter führte sie. Im blauen Kopftuch und mit hochgeschürzten Röcken, als wäre sie hastig von der Arbeit weggelaufen, so trat sie ein und ging mit leisen, eiligen Schritten an das Bett des alten Bauers. Sie sah ihn aiy legte ihren tzandrückk» behutsam, prüfend ihn an Stirn und Wangen, neigte sich ganz nahe zu ihm. Dann sprach sie, indem sie den Kuchen der Kinder von seinem Munde wegnahm und ihn wieder dem Mädchen reichte, mit gedämpfter Stimme: „Großpapa wird kern' Kirmstkuchen mehr mitessen. Großpapa is tot!" Und während die Kinder noch verständnislos dastanden, führte sie die Schürze an die Augen und begann leise zu schluchzen. Wir schreiten unsern Ecdenpsad durch unbekannte Lande; es knüpfen an des Schicksals Bad uns unsichtbare Bande. Das Sust're Leid, die äuß're Lust, die tragen wir gemeinsam; im tiefsten Fühlen unsrer Brust, da bleiben wir doch einsam. So einsam unsern Weg zu gehn, wie ift's voll herber Sllhs! Lin jeder Tag ist heimlich schön, voll innigster Genüsse. And hat dann unsres Lebens Ahr den heitren Schlag beendet, so kehrt zurück in Gottnatur, was von ihr einst gespendet. Menschenweg Don Theodor Schütze Ein Leberecht-Hühnchen-Idyll in der Lausitz Herbert Henkn er, Bautzen ie Leute von Wehrsdorf und Weifa kennen seine kleine untersetzte Gestalt genau und sind Ihm durchaus nicht böse gesinnt, obgleich sie ihm manche Unterstützung zuteil ^werden lassen. Sie tun's gern. Wenn auch der gestrenge Herr Bürgermeister mit etwas scharfem Blicke auf den ab sonderlichen Gast schaut, was tut's, er ist eigentlich gar nicht mehr so fremd und hat sich ganz gut an das Lausitzer Klima gewöhnt. Eine gute Haut ists, in der er steckt und so lange er die Lausitz mit seinem Besuche beehrt, hat er sich immer gut und redlich geführt. Der Sepp ist bescheiden und vollkommen zufrieden, wenn er nur etwas zu beißen hat. Das verdient er sich gern durch seiner Hände Arbeit oder durch hilfsbereite Hand reichungen, wenngleich er sich mit seinen 74 Jahren nicht mehr unter die Jünglinge rechnen kann. Der Sepp ist ein seltsamer Heiliger. Manche mögen ihn wohl einen Einsiedler nennen, weil er sich zunächst menschenscheu in die Einsamkeit des Busches zurück- zog. Die Beweggründe hätten schon dazu ausgereicht, aber im wirklich religiösen Sinne Einsiedler zu sein, ist nicht jeder manns Sache, auch die des Sepp nicht. Dazu ist er doch noch zu herzensjung, trotz seiner 74 Lenze. Freilich sür die Lausitz kann er in seiner Lebensweise schon einen Einsiedler darstellen. Pfingsten 1923 wars, als er aus dem schönen Thüringerland seinen Weg in die Lausitz fand. In schwerster Zeit ganz mittel los auf die Wanderung in fremde Gegenden zu gehen und sich da niederzulassen, erheischt Lebensmut und Unternehmungslust. Die hatte der Sepp bestimmt. Und Hausbesitzer wurde er auch. Da wo der Weg von Schirgiswalde nach Wehrsdorf, der am südlichen Etadtende unter der Bahnlinie westlich abzweigt, hinter den Steinbrüchen eine scharfe Biegung nach Süden ausweist, ist seitlich ein kleines Gebüsch. Das wählte sich der kluge Sepp zu seinem Aufenthalt. Es gehört dem Grundbesitzer Barthel in Petersbach. Bon hier aus bietet sich ein herrlicher Blick nach den Bergen. Neugierig lugt der Sohländcr Spitzberg unter ihnen hervor. Pirsken und Bozen senden de»tsch-böhmische Grüße. Fürs erste baute sich der Sepp eine Art Unterstand in den felsigen Boden. Allmählich aber schuf er sich ein kleines Unter kommen, das wahrlich an Märchen erinnert und sür Kinder genügte, um sich das Knusperhäuschen der Hexe bei Hänsel und Gretel vorzustellen. Allerliebst sah dieses Häuschen aus, das leider rohe Bubenhände wieder vernichteten. Es war nicht höher als 2'/- Meter, gekrönt von einem zierlichen Dach, auf dem eine blanke Kugel in der Sonne glitzerte und dessen Giebel seite ein kunstgerecht nachgeahmtes Hirschgeweih schmückte. Die Westseite, als Wetterseite, war gut geschützt durch die hohe Lehmschicht des Hügels, indeß auf der Ostseite ein sauberes Gärtchen zu behaglichem Aufenthalt einlud. Noch findiger aber hatte der Sepp die Nordscite ausgestaltet Hier ragte nur ein Stückchen Giebel infolge des Hügelabfalles aus dem Boden. Davor breitete sich eine zierliche aber saubere Anlage aus. Bc- queme Stufen führten zu ihr empor. Zu beschaulicher Rast lockte eine kleine Bank. Der wahre Heimatfreund, welcher hier der freundlichen Einladung des Sepp Folge leistete, sich nieder setzte und nun über das schmucke Häuschen hinweg, dessen eine Dachseile neben der Dachrinne in langen Kästen Blumenschmuck trug, seine Blicke in die romantische Landschaft schweifen ließ, all das Bittere des Alltags vergaß, der mußte dem fremden Gaste dankbar sein, daß er es so herrlich verstand, der Heimat ein so lauschiges Fleckchen abzngewinnen. So arm er anch war an irdischen Gütern, säst aus nichts schuf der kluge, brave Alte dieses Idyll und nur die konnten geistig arm sein, die ihn für einen hergelaufenen Handwerks burschen hielten. Das war keiner von der Landstraße, der diese Stille des Waldes aufsuchte, um sich ein kleines, befcheidenes und sauberes Häuschen zu bauen. Geschick, Fleiß und häus licher Sinn offenbarten sich in diesem kleinen Kunstwerk, an dem gar mancher Wanderer seine ehrliche Freude hatte. Zufrieden saß der Sepp auf der Wandbank im Borraum seines Landhäuschens. Geschmackvoll war die Tür zu dieser niedlichen Hausflur gearbeitet und durch Riegel und Schloß gesichert. Das Wohnüngsschild stellte eine Tafel dar mit der Aufschrift „Zum lustigen Sepp". Frauenfeind scheint der Sepp auch zu sein, wie ein handschriftlicher Spruch bekunden mochte: „Gar oft wandeln sich Frauen, Esel sinds, die ihnen trauen." Schwermut lag ihm fern, das sagt ein andrer Spruch: „So heiter wie Sonnenschein Soll jeder Tag deines Lebens sein." Nachgrübeln ist wohl eine seiner Lieblingsbeschäftigungen und ein wenig bescheidene Philosophie ist dem guten Sepp zu eigen. Darum schrieb er über die Tür, die zu seinen winzigen Wohn gemächern führte: