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Boden einer jüngeren erdgeschichtlichen Zeit, dem Tertiär. Aus tausenden von Spalten, Rissen, Kanälen, Löchern usw. drang in jener Zeit der glutflüssige Gesteinsbrei aus den Tiefen der Erde empor und erkaltete an ihrer Oberfläche zu den vielen Sorten von Basalten und Phonolithen, welche die Wissenschaft heute dort unter scheidet. Die auf dem Sandstein aussitzenden vulkanischen Berge schützten infolge ihrer Widerstandskraft die unter ihnen liegenden Sandsteinschichten vor der Abtragung durch die Verwitterung, während die umliegenden Gebiete ihr zum Opfer fielen. Auf diesen basaltischen Kegel bergen und Bergrücken entstand eine fruchtbare Erde. Sie gestattete die Ansiedlung der herrlichen Laubwälder auf den nordböhmischen Bergen durch die Natur und den Menschen. So verdankt Nordböhmens Bau und Bild seiner erdgeschichtlichen Vergangenheit seine Entstehung: Sandstein und Basalt, Berg und Ebene, magerer Sand und fruchtbare Berwitterungserde. Nadel- und Laubwald schufen eine reiche Abwechselung von Landschastsformen und Bildern, die bereits vor dem Kriege das Ziel vieler Reichsdeutschen war und es besonders auch im Hinblick auf die gegenwärtige Lage unserer deutschböhmischen Brüder wieder zu werden verdient. Der Meinholdsche Routenführer Nr. 2 (Nördliches Deutschböhmen) führt geschickt und zuverlässig auf 133 Wanderungen in die schönen Gebiete ein 18 Sonderkarten in dem Maßstabe 1:25000 bis 1:50000 sind ihnen neben 2 Übersichts karten beigefügt. Hoffentlich werden in einer baldigen neuen Auflage die Angaben nach den gegenwärtigen Ver hältnissen ergänzt. Unfern Heideteich mit Heidemühl und Umgebung suchen wir vergeblich auf diesen Sonderkarten. Das be trachte ich als ein Glück für jenes Stückchen Erde; denn mit Riesenschritten ergreifen Wirtschaft und Politik in unserer Zeit Besitz auch von den entlegensten Gebieten. Vielleicht schlägt ihm schen die Schicksalsstunde. Heute ist es noch ein Stück unverbildete Erde, ein privater Naturschutzpark, für dessen Erhaltung und sachverständige Pflege Naturwissenschaftler und Naturfreunde den Grafen von Waldstein und der gräflichen Verwaltung dankbar sind. Wie lange es diesen möglich sein wird, über das größte Teichgebiet Nordböhmens die schützenden Hände zu strecken, das wissen wir nicht. Es gehört dem Flußgebiet des Polzenbaches an, der einen großen Teil Nordböhmens entwässert. Von Süden her werden ihm in der Nähe von Böhmisch-Leipa durch einen Bach die Wasser des Heide-, Groß- und Hirnsner Teiches zugeführt. Unter ihnen ist der Groß teich mit seinen 360 kn der größte. Er liegt unmittelbar vor dem Nordrande des deutschen Städtchens Hirschberg, das zum „Seebad" der tschechischen Hauptstadt geworden ist. 5 km von seinem Nordende entfernt streckt sich der etwas kleinere Hirnsner Teich, während der kleinste von den Dreien nur reichlich 1 km vom Südostende des Groß teiches entfernt ist. In seiner Nähe fehlt jede Siedlung- die 7 Wohnhäuschen in Heidemühl gehören dem Grund herrn und werden von gräflichen Beamten und Arbeitern bewohnt. Bon ihnen liegt nur das in Grün gebettete Forsthaus am Teiche. Sumpf, Moor, Wald und Berge umrahmen den etwa 100 kg großen Wasserspiegel. Kein Kahn, kein Motorboot furcht seine glatte Fläche, nur Wind und Sturm wühlen hin und wieder in seinen Wassern und werfen die Wellen an den steingefaßten Nordstrand. Hier fällt der Mühlberg (390 m) mit sehr steilem Hange zum Heideteich (271 m Seehöhe) ab. Ein prachtvoller Weg, der für den Fußgängerverkehr frei gegeben ist, führt unmittelbar am Teich entlang und läßt dauernd den Blick frei auf ein Bild, das auch der ver wöhnte Wanderer nicht vergessen kann: die fast 3 km lange Wasserfläche wird zur Linken von den beiden Buch bergen (474 m) überragt, zur Rechten begrenzt das Ge sichtsfeld der Tacha-Berg (497 m). In dem 1 km breiten Wasserspiegel vor uns spiegeln sich die beiden Gipfel der sagenreichen Bösige mit ihren gewaltigen Burgen- und Klosterresten aus gewaltsamen, mittelalterlichen Zeiten. Bor ihnen liegt wie ein Knappe vor seinem Ritter der mehrgipfelige Schlattenberg. Die wenigen Kiefern zwischen Weg und Teich hindern nicht den Blick, sondern fassen in wechselnden Rahmen das auf der Weiterwanderung sich nur wenig verschiebende Bild in wechselnde Ausschnitte. Wer dürste vergessen die stimmungsvolle Abendstunde, wenn zur Hochsommerzeit von all dem Sonnenglanz nur noch die letzten Strahlen der nntergegangenen Sonne von den Fenstern der ölten Burgkapelle (13. Jahrhundert) als Abendstern aus der Höhe und Tiefe uns gleichzeitig zugeworfen werden? Ringsum kein Laut, nur Stille nah und fern, wenn der Vollmond sich neben Burg und Bergen in dem im Abendscieden träumenden Teiche spiegelt. Der Wanderer, der über das Kummergevirge kommt, steht plötzlich und überrascht vor diesem Bilde, dessen Zauber auch in dem nüchternsten Beobachter Kräfte weckt, die im Herzen wunderbar schliefen. Doch ganz erschließt sich oll die Schönheit des Heide teiches nur dem, der Zeil mitbringt zum Verweiltkk an ihm, der sich im Morgengrauen wecken lassen kann von dem Schrei der Wildgänse zu einer ihm erlaubten Fahrt auf dem Teiche. Der freundliche Mann, der bereitwillig die weniger angenehme Arbeit der Führung des schwerfälligen Stoßkahnes übernahm, findet seine Fahrgaste darum schon wach. Der Blick von der Teichstube des Gasthauses zur Teichrose aus zeigt die Wasserfläche frei von Nebel. Nach einigen Minuten treffen wir an der Kahnstelle zu gemeinsamer Arbeit beim Ausschöpfen des bis zum Rand mit Regenwasser gefüllten Kahnes zusammen. Nach einer Stunde gleitet lautlos unser Nachen in der Morgen stille am Nordufer entlang. Schweigender Wald umgibt die schweigenden Menschen auf schweigender Wasserbahn: der Schrei der Wildgänse ist verstummt. Nur einige Wildenten in größerer Entfernung erschaut unser Auge: aber bald verschwinden sie in dem Nebel, der Wald, Sumpf und Wasser allmählich überdeckt und uns nur die nächste Nachbarschaft von Teich und Ufer zur Beob achtung freiläßt. Der ortskundige Fahrer steuert uns sicher zwischen den vielen Blumeninseln hindurch. Gelb und weiß leuchten die Rosen des Wassers in den Kahn; doch vergebens spähen wir nach der vermuteten Seekanne aus. Reizend ist das Rosa des Wasserknöterichs, doch neben den Farben auch die Schönheit der Blattformen dieser wurzelnden Schwimmpflanzen und die Zeichnung, die dadurch der glatte Wasserspiegel erhält. Am Rande des Röhrichts, gebildet von dem schmalblättrigen Rohr kolben, der Seesimse und wenig Rohrschilf, leuchtet zwi schen den Verlandungspflanzen der große Hahnenfuß mit großen und gelben Blüten, wetteifert mit ihm der Blut weiderich in Rot. Eine Lücke im Nebelmeer läßt auf Augenblicke den Blick auf die Morgensonne frei: als